Mit gemischten Gefühlen stand ich in dem vollkommen leeren Raum. In diesem Heim hatte ich 18 Jahre meines Lebens verbracht. Bis ich 15 war, war ich sogar noch ein einigermaßen gewöhnliches Mädchen gewesen. In den letzten drei Jahren hatte ich mich dann zurück gezogen und mir das Leben wahrscheinlich selbst viel schwerer gemacht. Nun konnte ich das alles hinter mir lassen.
Mit 18 Jahren zogen sowieso die meisten Kinder aus dem Haus. Sie wurden selbstständig und verbrachten nicht mehr so viel Zeit mit ihrer Familie, sondern konzentrierten sich auf ihre Karriere und ihr eigenes Leben. Jetzt war es also nicht mehr so schlimm, dass ich keine Eltern hatte. Ich brauchte sie in dem Alter sowieso nicht mehr und konnte auch ohne glücklich werden. Das redete ich mir jedenfalls ein. Das hatte ich mir schon immer eingeredet.
Ich konzentrierte mich wieder darauf, warum ich hier nun in dem leeren Raum stand, denn ich wollte mir diesen schönen Moment nicht versauen.
Es war zwar nicht so, dass ich im Heim schlecht behandelt wurde. Eigentlich waren alle sehr nett gewesen, wenn man mal außen vorließ, dass sich später alle von mir abgewandt hatten. Oder dass ich mich von allen abgewandt hatte, aber wer konnte das schon so genau sagen. Fakt war, dass ich mich auf diese Veränderung freute. Genau deshalb blickte ich nur noch einmal den leeren Raum an und verließ den Raum und auch große Gebäude, ohne wirklich traurig darüber zu sein.
Ich hatte mich schon von den Leitern verabschiedet und der Umzugswagen würde auch bald losfahren, deshalb konnte ich mich nun beruhigt auf den Weg zu Bus und Bahn machen.
Die letzten Tage hatte ich all meine Habseligkeiten in Kartons verstaut und ich war schon ein paar Mal in der neuen Wohnung gewesen. In der Zeit hatte ich es geschafft mir schon einige Möbel anzulegen und diese auch aufzubauen. Da ich nur eine Einzimmer Wohnung hatte, brauchte ich nur die Nötigsten Möbel wie Bett und Kleiderschrank. Die Küche war auch schon eingebaut gewesen und nun musste ich nur noch die Gegenstände in den Kartons auspacken. Da ich noch Vormittags bei meiner Wohnung ankommen würde, würde ich den ganzen Tag Zeit haben um alles vorzubereiten.
Aufgeregt tippelte ich mit meinen Fingern auf meinem Bein, während ich aus dem Fenster die Landschaft beobachtete. Ich war nun knapp vier Stunden in diesem Zug und es waren nur noch wenige Augenblicke, bis der Zug halten würde und ich aussteigen müsste. Meine Nervosität stieg und ich konnte überhaupt nicht mehr still sitzen. So aufgeregt war ich noch nie gewesen, ich hatte aber auch noch nie zuvor so einen großen Schritt gewagt.
Der Bahnhof kam in Sicht und ich zog mir schon mal meine dünne, dunkelgraue Jacke über. Die nächste halbe Stunde verging wie im Flug. Ich bekam alles nur halb mit, wie ich in das Taxi stieg und nur ein paar Blöcke von der Stadt auch schon ausstieg. Ich war froh eine Wohnung so nah an den Geschäften gefunden zu haben, da müsste ich demnächst nicht mehr mit dem Taxi zur Arbeit und Ausbildung fahren, wenn es zu spät für den Bus war. Ich konnte eigentlich sogar zu Fuß gehen.
Meine Wohnung war in einer Nebenstraße, in einem relativ hohen, grauen Gebäude. Es gab noch 5 weitere Wohnungen in dem Haus und meines war im zweiten Stock auf der rechten Seite. Der Umzugswagen wartete schon auf mich und ich beeilte mich den Taxifahrer zu bezahlen und aus zusteigen.
In Windeseile waren all meine Kartons in meiner Wohnung und ich stand nun allein im Flur. Der Flur war ziemlich klein, aber führte in alle Räume hinein. Links war das Badezimmer, rechts die Küche und in der Mitte mein Wohn-/Schlafzimmer.
Nun wo ich tatsächlich in der Wohnung stand und es kein Zurück mehr gab, war ich überhaupt nicht mehr aufgeregt. Vielmehr war ich vollkommen ruhig und freute mich einfach nur darauf, wenn ich alles soweit eingerichtet hatte, dass ich mich heimisch fühlte. Tatsächlich fühlte ich mich jetzt schon wohler als im Kinderheim. Jetzt konnte ich tun und lassen was ich wollte und damals fühlte ich mich einfach so eingeengt und fremd.
Ich verbrachte die nächsten Stunden nur damit alles auszuräumen und mein Zuhause zu dekorieren. Für einen kurzen Moment hatte ich Pause gemacht um mir etwas zu essen zu machen. Beim letzten Mal, wo ich in der Wohnung gewesen war, hatte ich sogar noch Zeit gehabt kurz einkaufen zu gehen und einige Lebensmittel zu kaufen. Zwar hatte ich keine frischen Produkte gekauft, aber Nudeln und eine fertige Soße aus einem Glas hatte ich schon kaufen können und das reichte mir an dem Tag auch. Am nächsten Tag würde ich dann in den Supermarkt gehen und einen größeren Einkauf betätigen.
Als ich zuletzt noch die Bettwäsche bezogen hatte, ließ ich mich erschöpft in mein Bett fallen. Ich hatte alle Kartons ausgepackt und es war draußen schon stockdunkel.
Eingepackt hatte ich die damals Kartons über mehrere Tage verteilt und nun war ich erleichtert, dass ich an einem Tag fertig damit war und mich am Wochenende entspannen konnte. Ich würde erst in drei Wochen anfangen im Restaurant zu arbeiten und die Ausbildung würde ich aber schon am Montag weiterführen. Ich hatte es mir so ausgesucht, weil ich mich erstmal etwas einleben wollte, bevor ich jeden Tag etwas zu tun hatte.
Ich sah mich in meinem Zimmer um und überprüfte nochmal, ob alles da stand, wo ich es haben wollte. Wenn man in das Zimmer rein kam, gab es rechts eine kleine braune Kommode. Links von der Tür war ein ebenfalls brauner Tisch aus Mahagoniholz, auf dem mein Fernseher stand, den ich mir extra für diese Wohnung gekauft hatte.
Gegenüber auf der anderen Seite war ein Zweiersofa mit einem schönen schwarzen Stoff, auf welchem ich eine kuschelige pastellgelbe Decke gelegt habe. Rechts daneben hatte ich ein Nachttisch gestellt, aus dem gleichen Holz, wie der Tisch unter dem Fernseher, oder wohl eher wie alle Möbel in diesem Zimmer. Und auf der anderen Seite im Zimmer war Platz für meinen Kleiderschrank und meinem Bett, auf welchem ich jetzt lag.
Obwohl ich körperlich so erschöpft war, war ich kein Stück müde, deshalb entschied ich mich meine neue Investition auch gleich einzuweihen.
Ich ging noch schnell in die Küche und kochte etwas Wasser auf - Ich bereitete mir eine Tasse Schwarztee zu. Ich weiß, nicht unbedingt das beste Getränk, wenn es schon halb zehn war, aber ich vergöttere Schwarztee! Am liebsten trank ich es einfach so, ohne diese Zusätze von Zucker oder sogar Milch. Ich meine, wer trinkt dazu schon Milch? Das schmeckt doch kein bisschen!
Als ich mich dann gemütlich auf mein Sofa gepflanzt hatte, mit meiner Tasse in der Hand und in der Decke eingekuschelt, wollte ich nach der Fernbedienung greifen. Dann wurde mir etwas bewusst und ich stöhnte vor meiner eigenen Vergesslichkeit genervt auf. Gerade hatte ich es mir doch gemütlich gemacht...
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Intercalary
Fantasy"Du bist anders. Das hast du wahrscheinlich selbst bemerkt und du hast das Gefühl, dass dich niemand versteht, aber das stimmt nicht. Wir verstehen dich. Wir sind alle anders." "Wovon redest du denn da?", rief ich aus, da ich langsam das Gefühl hatt...