Babyblue. || Part 01

101 7 0
                                    

Babyblue.


+Part 01 - Niall+


Diese Bank war lausig kalt. Gut, vielleicht trug ich auch einfach nur die falsche Hose, aber es war die bequemste, die ich hatte finden können. Eine nicht mehr ganz so neue Jogginghose, die schon viele Trainingstage gesehen hatte und drei Mal so oft in der Wäsche gewesen war, weil ich sie nach Fußballspielen mit grünen Grasflecken nach Hause gebracht hatte. Mom war stinksauer gewesen - was hatte sie mir manchmal für Predigten gehalten! Holla die Waldfee! Aber irgendwie hatte sie die Hose immer wieder sauber bekommen. Insgeheim vermutete ich ja, dass sie eine Magierin war und einen coolen, geheimen Zaubertrick für ihre Wäsche anwandte - wahrscheinlich war es aber dieses superteure Fleckenpulverzeug, was sie extra wegen mir hatte kaufen müssen.

Seufzend legte ich den Kopf in den Nacken und strich mir die Haare zurück, die mir in die Stirn gefallen waren. Ich hatte mir den ganzen Tag lang nicht die Mühe gemacht, sie zu stylen, weil ich gewusst hatte, dass sie sowieso wie ein Haufen Stroh aussehen würden, wenn ich in London ankam.

Ja, London. Endlich. Nach zwölf langen Jahren Schule und drei Jahren Arbeit in einem lausigen Büro, wo ich Kaffee kochen und servieren durfte und alle drei Tage mal meine Unterschrift auf eine leere Zeile setzen konnte, nach anderthalb ewig langen Stunden im Flieger und der vorangegangenen Flut an Tränen von meiner Familie hatte ich es endlich geschafft. London. Hauptstadt Großbritanniens. Die Stadt, in der ich ab nächsten Monat studieren würde. Wie lange hatte ich darauf gewartet!

Trotzdem ... im Moment befand ich mich noch immer auf dem Flughafen, saß auf dieser lausig kalten, metallenen Bank, schloss die Augen wegen des viel zu grellen, weißgelben Lichts und würde nichts lieber tun, als gemütlich zu Hause in meinem Bett liegen, eingekuschelt in die Decke, die nach dem Waschmittel roch, das meine Mutter schon seit ich denken konnte verwendete. Und schlafen. Die Augen richtig schließen können, mein Kopfweh loswerden, das ich immer bekam, wenn ich flog, und abschalten. Einfach abschalten. Nichts mehr denken, keine Sorgen mehr. Sorgen um mein Gepäck, das noch immer verschollen schien.

Ich hatte absolut keine Ahnung, was los war. Und ich war definitiv nicht bereit, mich von dieser Bank zu erheben und irgendwo hinzugehen, um nachzufragen, was genau jetzt passieren würde. Da konnte die Bank meinen Hintern noch so sehr einfrieren - ich war todmüde, hatte miserable Laune und Kopfschmerzen, die mit Chinaböllern zu vergleichen waren. Ich würde mich nicht vom Fleck bewegen.

Und das musste ich scheinbar auch gar nicht. Denn über dem Kofferband erschien auf dem Bildschirm ein Text. Ich riss die Augen auf, als ich die Zeilen las. Liebe Fluggäste des Fluges BA0075, wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass das Gepäck aller Passagiere abhanden gekommen ist. Innerhalb der nächsten Woche werden Ihnen Ihre Gepäckstücke zugesendet. Bitte melden Sie sich an einem Unserer Informationsstände und füllen Sie dort eines der bereitgelegten Formulare aus, damit bei der Zusendung keine Probleme entstehen. Wir danke Ihnen für Ihr Verständnis und wünschen Ihnen weiterhin einen schönen Aufenthalt. Meine Kinnlade rauschte gen Boden.

"Das kann nicht wahr sein." Ich schüttelte den Kopf, las die Zeilen ein zweites Mal. Nope. Da hatte sich nicht das kleinste Bisschen geändert. Auch beim dritten und vierten Mal nicht. Und als ich den Text das fünfte Mal las, begann ich zu begreifen. Ich könnte hier noch stundenlang sitzen - meine Reisetasche würde ich so schnell nicht auf diesem Band sehen.

Mir stöhnend übers Gesicht fahrend rutschte ich ein Stück auf der Sitzfläche nach vorn und streckte die Beine aus. Was für ein super Start in mein Studentenleben. Ich zückte mein Handy, wählte die Nummer meiner Mom und gab ihr die Information weiter. Leider konnte sie da jetzt auch recht wenig machen, da sie erstens in einem anderen Land und zweitens ganz einfach keine Kontrolle darüber hatte. Genau genommen erhielt ich eine kleine Schimpftirade, von wegen ich solle nicht so eine Memme sein. Immerhin würde ich in wenigen Wochen einundzwanzig werden und hätte schon viel Schlimmeres durchgemacht.

Babyblue.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt