Das Erwachen

41 2 1
                                    

Umgeben von einer dicken, kalten Eisschicht inmitten eines dunkelgrünen, schatten erfüllten Waldes schlägt der nackte Junge um sich. Seine Schreie dringen nicht durch,hinterlassen nur einen tauartigen Schleier auf dem glatten Eis vor seinem Gesicht. Kämpfend schlägt er um sich, mit immer schwacher werdenden Muskeln, zitternd in der bedrohlichen Stille dieser bizarren Mauern in der die Zeit still zustehen scheint, bis das Eis um ihn herum anfängt seinen Tritten nachzugeben.

Mit all der Kraft die noch in ihm ist spannt er sich an, schreit so laut er kann, abermals tritt und tritt er zu.

Endlich gibt die Wand um ihn komplett nach, zerbricht in lauter kleine Teile, fast wie ein eisiger Spiegel.Sie schneiden in sein Fleisch, doch es kümmert ihn nicht, er atmet so tief er kann ein und genauso tief aus, sooft er kann, als sei es das Leben selbst das er in seine Lungen einzieht. Nun liegt er da,zwischen Scherben und Gras, weiß nicht wer er ist, was passiert ist,geschweige denn wo er ist. Das einzige wozu er fähig ist, ist zuweinen. Weinen durch furchtbare Pein.

Für ihn scheint es als würden die Augenblicke nun aufgehört haben still zustehen. Die Welt hinter seinen Tränen ist verschwommen, laut und in seiner eigenen Art und Weise bedrohlich und herzerwärmend hell zugleich.

Als die Zeit vergeht, die Sonne immer heller um ihn scheint und ihn umhüllt in ihrer Wärme schmelzen die kristallenen Scherben um ihn herum. Nun liegt er auf seinem Rücken,die Augen verschlossen, Tränen aus seinen Augenwinkeln kullernd. Eingeflügeltes Wesen fliegt auf ihn zu, setzt sich auf seine Nase und flattert mehrmals mit seinen Flügeln bis der namenlose Junge die Augen öffnet und bemerkt, dass im selben Moment um ihn herum lauter gelbe und orangefarbene Ringelblumen zu blühen beginnen. Sie fangen an seinen kompletten Körper zu umhüllen, der gezeichnet ist von blauen Flecken und tiefen Schnittwunden.

Sein Gefühl sagt ihm, dass alles in Ordnung ist, er fühlt sich sicher, befreit von den Ängsten und seiner Einsamkeit. Der Gedanke verloren zu sein in einer befremdlichen Welt schleicht sich langsam hinfort, wird ersetzt durch die Wärme der Sonne und der Linderung seiner Schmerzen durch die heilende Wirkung der Blumen.

Der Falter fliegt fort, der Junge schließt erneut die Augen, lässt sich fallen in die Sicherheit die ihm sein Umfeld bietet und schläft beruhigt ein.

Als sein Verstand erwacht bleibt er noch eine Weile liegen, die Gedankengänge so schnell, dass er sie nicht zu fassen wagt. Langsam setzt er sich auf, sitzt im Schneidersitz da und betrachtet die Sonne wie sie untergeht und einen von Rottönen benetzten Horizont hinterlässt, der sich immer mehr in Dunkelheit verwandelt. Nicht die Dunkelheit, die ihn in diesem schattenreichen Wald empfangen hatte. Eine Dunkelheit funkelnd mit aufblitzenden kleinen Lichtern und einem kugelrunden,vollen, hell aufleuchtenden Mond, der wie ein einzelner Strahl auf ihn gerichtet scheint und einen weg beleuchtet, der wirkt als würde er vor seinen Füßen beginnen. Eine Weile später steht er auf, erstaunt von dem Glänzen des Mondstrahls das ihn auf eine magische Art an der Hand zuführen beginnt. Er läuft los, erst langsam und behutsam, sein Kopf sich in alle Richtungen drehend und auf eine irritierte Art suchend,dann immer schneller. Sein Herz pocht laut wie ein regelmäßiges Donnern des Himmels und seine Füße werden immer flinker und schneller. Er rennt, hört dabei immer lauteres Flüstern um ihn herum, aber versteht die Worte nicht. Es wirkt gar so als würde erschwebend rennen. Mit jedem seiner Schritte blühen die verspieltesten Blumen in seinen Abdrücken, doch er hat keine Zeit das zu bemerken. Seine Gedanken rasen, hasten fast so schnell wie er.Doch er ist um einiges schneller, immer eiliger. Sein Lächeln immer breiter und seine Augen immer leuchtender. Erstaunt über den Rausch der Geschwindigkeit bemerkt er nicht einmal, dass das Licht ihn in den Himmel gehoben hatte. Gleiten?Schweben? Fliegen! Er fliegt,fliegt im Lichte des Mondes geleitet von seiner Intuition an ein Ziel das ihm eigentlich in diesen Umständen wirklich egal ist. Er setzt zur Landung an, an einem klaren See der den Mond spiegelt, als wären sie alte Freunde die sich Nachts gegenseitig betrachten ohne das Worte von Nöten seien.

Er landet, direkt mit den Füßen am Rande des Sees, blickt hinunter und erkennt nicht was er da vor sich sieht.

Die Gestalt das ihn aus dem Wasser heraus anschaut hat kurzes, blondes Haar, mit grünen Blättern die sich wie Schmuck spielerisch um seinen Kopf wickeln. Es hat spitze Ohren und warme, blaue Augen. Neugierig blickt es ihn an.

Er bückt sich vorsichtig herunter,seine Fingerspitzen ertasten das Gesicht im Wasser, doch es schlägt kleine Wellen und die Kuppen seiner Finger werden nass.

Im selben Augenblick bemerkt er eine Veränderung an sich. Es scheint etwas zu geschehen, dass jegliche Fasern in seinem Körper zum Beben bringt.

Sein ganzer Körper verändert sich. Er betrachtet seine Hände, sie werden größer. Alles an ihm scheint zuwachsen, geführt von stechendem Schmerz am kompletten Körper, der seine Sinne betäubt und ihm den Atem raubt. Er spurt die Ohnmacht kommen und fällt zur Seite um.

Eine Weile später erwacht er, der Blick auf ein faszinierendes Wesen das seinen Kopf auf ihrem Schoß trägt und ihn über seinem Gesicht anblickt. Eine Gestalt das so hell scheint wie der Mond selbst.

„ Habe bitte keine Furcht. Du bist endlich zuhause angekommen.", spricht die Stimme mit einem solch sanftem Ton der tiefes Vertrauen in ihm weckt.

Er richtet sich auf, bemerkt die Tränen die sich in seinen Augen ansammeln. Seine Tränen kommen begleitet von einem Lächeln der den Weg auf sein Gesicht gefunden hat.

Das bezaubernde Wesen legt ihre Hand auf seine Wange, wischt ihm die Tränen fort und lächelt ihn mit all der Liebe die diese Welt zu bieten hat an.

Dort stehen sie, minutenlang, schauen sich an ohne ein Wort, ohne jegliche Regung, so wie der Mond und der See. Doch dann spricht sie erneut „ Mein fabelhafter Sohn, mein Krieger, mein Held. Nachdem wir dich verloren hatten..," Sie seufzte und musste kurz schlucken, denn ihre Stimme zerbrach unter ihren Tränen und der Trauer die nun von ihr herab fiel. „ Hat dich das Licht uns wiedergebracht. Du bist heimgekehrt aus den Hallen der Götter. Das Land hat seinen König wieder und ich mein einziges Kind!"

Ihre Worte weckten all seine Erinnerungen: Er ist Azariel, der Sohn der Herren des Waldes, der Hüter der Natur und der Krieger des Lichtes. Er ist tödlich getroffen worden im Kampf gegen die Gestalten der Moore, die ihren Abschaum in die Wälder führten und nur Blutvergießen in ihren Adern trugen. Er kann sich nicht erinnern was danach passiert ist.Bloße Angst im Eis, die Dunkelheit im Wald und die Einsamkeit in ihm sind seine neuesten Erinnerungen. Doch nun ist er zurückgekehrt. Im Land seiner Vorfahren und in der Obhut seines Volkes.

„Königin Eilidiel, geliebte Mutter,ich bin bereit zu kämpfen, für den Sieg über die Dunkelheit, ich bin bereit!"

So zieht er in die letzte Schlacht, mit Zehntausend Mann hinter ihm, gestärkt von der Liebe zu seinen Wurzeln, gestärkt vom Schmerz des Eises und mit dem Wissen, dass die Götter über ihn wachen.Er bringt das pure Leben wieder in die Wälder und es flackert neue Hoffnung in den Herzen des Volkes..


Die Gestaden einer sterbenden WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt