Vergiftete Seelen

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Da sitzt sie. Tiefes Leid und ein schwerer Kopf, der mehr Fragen aufbringt als er beantworten kann. Musste er sterben? War das der einzige Weg für ihn Frieden zu finden? Was würde nun mit ihr geschehen? Ihre Trauer fing an sie zu zerfressen, erschüttert in allem wobei sie sich doch so felsenfest sicher war. Erschlagen von der Realität und der Tatsache, dass er wegen ihm gefallen ist. Er hatte sie verraten, sie den Feinden vor die Füße geworfen, um sich selbst zu retten. Ihr bleibt die Trauer über seinen Verlust, der sie mit jedem Atemzug ersticht. War das der Held, den sie stets bewunderte? All der Stolz den sie spürte wenn sie ihn sah musste nun Platz schaffen für pure Wut über sich selbst, ihre Naivität und ihrem Schmerz. " Ich kann es mir nicht verzeihen. Es war einzig und allein mein Fehler, mein Verschulden. Ich habe mich selbst in diese Situation gebracht." Sie lächelt mit einem Schnaufen, dem ein hysterisches Lachen folgt." In unserer Welt hätte ich nichts so leichtsinnig glauben sollen. Helden von heute hören auf die Menschen zu schätzen, sobald sie ihr Ziel erreicht haben. Um dieses Ziel zu erreichen ist jedes Opfer recht. Selbst wenn das bedeuted ihre Verbündeten vor die Hunde zu werfen." Ihre Gedanken würden bestimmt absurd klingen, wenn sie doch bloß nicht so wahr wären. "Jeder ist sich selbst der Nächste. Komm damit zurecht. Entferne dich, lass die Helden Helden sein und lerne endlich dazu." In all den Jahren hatte sie für seine Wünsche gekämpft. Die Wünsche des Königs, ihrem Königs. Sich selbst zu verlieren war nie beabsichtigt und doch ist es im Laufe der Zeit wohl dazu gekommen, ohne dass sie das Anschleichen der Katastrophe auch bloß hätte erahnen können. Sie wurde zu seinem Werkzeug, geführt von seinen Worten, seinen Lügen und seinem falschen Lächeln, welches ihr abermals neue Hoffnung gab. Hoffnung auf eine Welt voller Licht. Das Licht, dass er versprach, das Licht das er in die dunklen Wälder zurückbringen wollte. Sicherheit. Nach all den Verlusten, die sie durch die endlose Kälte erlitten hatte. Ihre Familie, ihre Eltern, ihr Mann, ihr Kind. Alle tot, abgeschlachtet wie Vieh von der Dunkelheit die über das Land gezogen ist und seine Spuren hinterlassen hat. Spuren voller Opfer, rot gefärbt vom Blut der Unschuldigen, der Krieger. Ein Kampf, der nur Verlierer hinterlassen hatte. Nun sitzt sie an ihrem Feuer, in einer winzigen Höhle mit nichts außer ihrer Trinkflasche,ihrem Schwert und dem von Narben und Wunden gezeichneten Körper.

"War das der Preis den ich zahlen musste für den kleinen funken Hoffnung, wenn doch das genaue Gegenteil ein besseres Ende hätte versprechen können? "

Das Gesicht ihres Sohnes, eingebrannt in ihren Verstand. Der Ausdruck seines Gesichts, als er die Worte sprach " Mami, mach , dass die bösen Männer gehen. Ich habe angst, Mami. Lass nicht zu ,dass sie uns wehtun." Kurz darauf wurden sie schon überfallen, 10:1. Sie hatten keine Chance. Und doch überlebte sie, ihr Junge vor ihren Augen ermordet, während sie sich an ihr begnüget. Nichts was sie ihr antun konnten war so schlimm wie die Schuld des Königs. Sie zurücklassen als Köder inmitten der Nacht, mit einem jungen der doch erst 4 war. Alles was sie seither wollte war Rache, um dann in Frieden sterben zu können. Nun sitzt sie da, weint bitterlich und hat keine Kraft. Sie streift seit einer Ewigkeit herum, ohne Zeitgefühl, ohne Familie, mit einem klaren Ziel. "Dieser elende Mann, das Leben meines Kindes um dem Volk einen Erfolg von 10 toten Monstern beweisen zu können. Wie er uns ausnutzte, das interessiert keinen solange die Ergebnisse stimmen.

"Das Leben meines Jungen für das Ego eines Soziopathen mit Macht."

Bei Tag schlief sie so gut sie konnte, hoch auf Bäumen und in Höhlen, die auf ihrem Weg lagen. Bei Nacht bewegte sie sich Vorwärts, ohne ein genaues Ziel vor Augen zu haben.
Getrieben von dem Hass und dem Schmerz, dessen Schuld sie im ach so weisen König sieht.
Ein verlogener Mann, der Kinderseelen mit seinen Taten in den Tod verbannt.
Nach einigen Wochen führt es sie durch ein kleines Dorf. Die Spuren der Verwüstung schienen frisch zu sein. Verbrannte Häuser, die immer noch schwarz rauchten . Berge von Toten, die auf einander geworfen wurden, als seien diese nicht mehr als Abfall.
Der Gestank des Blutes wehte noch frisch in der Luft, man konnte die Anwesenheit des Todes mit jedem Schritt spüren.
Hildur schwor sich innerlich, dass sie alles tun würde, um dieses sinnlose Blut vergießen zu beenden. Jede Führungsperson, die Kämpfen lässt, aber nicht selbst kämpft, sollte dafür büßen.
Es wurde immer stiller. Nur das Knistern der ausgehenden Brände in einer Symphonie mit dem leisen Pfeifen des Windes. Hildurs Herz brannte vor Rage, ihre Fäuste so fest geballt, dass ihre Haut einige Grade farbloser wurde.
Inmitten des Traueraktes stand sie nun, nicht mehr fähig auch nur eine Träne zu vergießen, als sie ein leises Flüstern vernahm.
Mit der Hand am Griff ihres Schwertes,  jeden Moment bereit zur Verteidigung, folgte sie dem Flüstern. Ihre Schritte führten sie zu einem 5 Meter hohen Leichenhaufen. Je klarer die Stimme wurde, desto nervöser wurden auch Hildurs Hände.
Sie kletterte über die erstarrten Körper, die immer mehr an Wärme verloren. Der Übergriff konnte also wirklich nicht lange her sein. Und dort hörte sie es, das gurgelnde Läuten einer Stimme, die dabei war zu versagen. Sie räumte den Weg frei, bis ihre Blicke auf das Gesicht eines Jungen fiel. Dieser trug den Schmerz einer Nation in seinen Augen. Seine eine Hand fest an seine Seite drückend, die andere nach Hildur greifend, erweckte er in ihr Emotionen, die sie versuchte zu betäuben.
In kompletter Starre kniete sie nun vor ihm, kaum atmend und erschüttert. Die Finger des Jungen griffen nach ihrem Arm..er versuchte zu sprechen, scheitert jedoch. Man hörte bloß das Gurgeln seines Blutes in seinem Hals. Jedes seiner  Atemzüge fühlten sich an wie lodernde Flammen, die seinen ganzen Körper benetzten. Sein einziger Gedanke beinhaltete die Hoffnung, dass es bald vorbei sein würde.

Hildur trug ihn hinab und legte ihn sanft auf den selben Boden auf dem sein ganzes Dorf vor einigen Stunden erlischt wurde. Sachte griff sie seine Hand um den Blick auf seine Verletzung freizustellen. Hildur ertastete die Tiefe des Stiches und in ihr lodert Hoffnung auf. Eilig griff sie ihre Wasserflasche, riss sie auf und schüttet klares, kaltes Wasser über den Einstich. "Bleib wach, bleib wach, gib nicht auf!" wiederholte sie abermals wie Mantra.Ihre Hände arbeiteten so schnell sie konnten, Stofffetzen ihrer Kleidung in das blutende Loch steckend und zitternd vom Adrenalin, dass durch ihr Körper ströhmte.Sie blickte suchend in alle Richtungen, bis ihre Augen sich fixierten und sie loshetzte. Hildur eilte zum abgebrannten Haus hinter sich, steckte die Spitze ihres Schwertes in eine noch glühende Stelle. Als es feuerrot erleuchtete führte sie es zurück zum Knaben, der in einer kleinen Pfütze Blut-Wassergemisch lag. Hildur wurf sich auf ihre Knie neben ihm, riss ihren Ledergürtel aus und schiebte diesen zusammengerollt  ihm vorsichtig zwischen die Zähne. "Tief einatmen, das wird schmerzhaft" hörte er sie noch sagen, als die Guht bereits sein Fleisch einnahm. Jukka gröhlte schmerzentbrannt, seine Hände am Boden zerrend, um dann nach einigen Sekunden das Bewusstsein zu verlieren.
Hildur überprüfte seinen Herzschlag, schwach aber er war da. Augenblicklich erleichtert lief sie Richtung Wald, um nach Kräutern zu suchen. Als sie alles zusammengetragen hatte lief sie zurück, um nach dem unbekannten Patienten zu schauen. Dieser lag noch immer ohne Bewusstsein da, sein Puls noch immer schwach.
Suchend schreitete sie über das Dorf, ausschau haltend nach Überlebende Utensilien die ihr nützlich sein könnten.
Einige Gefäße mit Weinbrandt, mehrere metallene Krüge und Teller, ebenso wie ein Hahn, der immer noch aufgeregt herumlief.
Jukka noch immer nicht wach, bemerkt nichts von alldem.
Sie zerkleinerte die medizinischen Kräuter und verarbeitete diese mit einem Stein auf dem Teller zu einer cremigeren Masse. Die Wunde hatte nicht nachgeblutet und ist auch nicht aufgegangen.Um die Entzündungsgefahr zu reduzieren  tränkte sie Stoff in dem gefunden Alkohol und tupfte damit die verschlossene Wundöffnung ab. Ihr Hände waren nach all der Zeit geschickt geblieben. Diese eingeübten Bewegungen erinnerten sie an ihre Herkunft, ihre Arbeit und frühere Bestimmung. Einst war sie eine begabte Heilerin, die ihre Kunst beherrschte wie niemand andere. Mutter, Tochter,Ehefrau, die Frau an der Seite des Königs. Nun war sie niemand mehr und komplett allein auf dieser Erde. Dieser Gedanke riss sie so schnell aus den Gedanken wie er kam. Nun war die Wunde bereits versalbt und abgedeckt. Es blieb nichts übrig als abzuwarten bis Jukka aufwachte. Diese Zeit wurde genutzt um den Hahn zu fangen, zu schlachten und aus ihm eine Suppe zu kochen.
Als dies getan war, erklang fast gleichzeitig eine Stimme, rau und trocken, von der Seite. "Wasser..Wasser" gefolgt von einem Husten und einem schmerzerfüllten laut. Als er sie erblickte, dachte er sie sei ein Trick seiner Sinne, ein Fiebertraum. Hildur setzte sich zu ihm, seinen Kopf stützend führte sie das Trinkgefäss an seinen Mund. Jukka trank mit solch einer hasst, dass sie fürchtete er emverschlucke sich gleich daran. "Danke, ich danke dir" räusperte er. Sie erwiderte lächelnd, aber doch wortlos. "Du musst etwas essen, du hast viel Blut verloren" sprach sie,  während ihre Hand einen Teller mit Suppe füllte. Jukka versuchte sich ein wenig aufzurichten, doch ganz so klappte es nicht auf Anhieb, bis er doch die nötige Kraft fand. Immernoch lächelnd sass sie sich zu ihm,führte den Löffel zu seinem Mund und find mit zerbrochener Stimme zu sprechen "Ich bin Hildur. Ich habe dich gefunden, lebend. Das ist schon beinahe ein Wunder, dass jemand diese Katastrophe überstehen konnte. Du musst ein besonderer Junge sein".
Jukkas Augen füllten sich immer mehr mit salzigen Wasser, die Hildur wieder lächelnd wegwischte. "Es passierte so plötzlich, meine Mama..!!"sprach er laut um erschüttert sein letztes Wort zu wiederholen "Mama..".
"Du musst essen, um zu Kräften zu kommen, bitte iss.Du warst heute so tapfer und stark. Iss,schlafe und werde gesund."
So aß er, benommen und mit abwesendem Blick , um dann weinend in einen Traum zu versinken.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 08, 2016 ⏰

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