1

269 6 1
                                    

Ich spürte den prasselnden Regen meine Kleidung durchnässen, während ich durch die verdreckten Straßen Kölns lief. Es ist ein relativ warmer Wintertag gewesen, der in einem Unwetter endete. Das hätte man sich auch denken können, belehrte mich meine innere Stimme, und trotzdem hatte es mich nicht davon abhalten können, raus zu gehen.

Ich war nicht die einzige Person, die bei diesem schlechten Wetter, wobei schlecht eine Untertreibung war, die glorreiche Idee hatte sich draußen aufzuhalten. Ich sah einen Mann an einer Laterne lehnen. Er wirkte schlaksig. Groß. Dünn. Ich überlegte, ob ich ihn ansprechen sollte, entschied mich jedoch dagegen. Er vermittelte nicht den Eindruck, als ob er mit irgendwem kommunizieren wolle. Wobei ich ihm wahrscheinlich sofort meine gesamte Lebensgeschichte erzählt hätte, wenn er danach fragte. Vielleicht würde ich sie ihm auch erzählen, wenn er nicht danach fragen würde. Je nachdem in welcher Stimmung ich war erzählte ich oft fremden Menschen irgendwelche Dinge aus meinem Leben, wenn mein bester Freund mal nicht erreichbar war. Ich war teilweise schon ziemlich dumm. Mit wildfremden Leuten teilte ich mehr persönliche Geschichten von mir als mit guten Bekannten. Einfach weil ich wusste, dass ich sie nie wieder sehen würde. Und meinem besten Freund erzählte ich sowieso fast jede Kleinigkeit aus meinem Leben, obwohl ich jetzt in Köln wohnte. Er in Berlin. Ich hatte versucht Klaas zu überreden mit mir nach Köln zu gehen, aber das war wegen seines Jobs natürlich nicht möglich. Irgendwie hatte ich mein Leben mit meinen 23 Jahre nicht wirklich im Griff. Auch wenn ich Klaas nicht mehr 24/7 um mich hatte, seitdem ich nach Köln gezogen bin, war ich noch weit davon entfernt selbstständig zu sein.

Ich war mittlerweile stehen geblieben und beobachtete den an der Laterne lehnenden Mann aus etwa zehn Metern Entfernung. Er hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, so dass man nicht viel von diesem erkennen konnte. Man konnte aufgrund des beschissenen Wetters sowieso nicht viel erkennen.
Nachdem der Mann auch noch nach fünf Minuten dort stand, kam ich zu dem Entschluss, dass er auf jemanden wartete. Warum sonst sollte man freiwillig bei strömendem Regen draußen sein? Okay, die Frage sollte ich mir selbst jetzt nicht unbedingt stellen, aber egal. Ich hatte mit meiner Vermutung recht. Nur etwa zwei Minuten später, wobei man sich nicht auf mein Zeitgefühl verlassen konnte, näherte sich dem Mann eine Person. Sie war kleiner als er. Einen Kopf oder so. Ihr schien das Wetter kaum etwas auszumachen, da sie zwar eine Regenjacke trug, jedoch auf die Kapuze verzichtete. Deshalb bemerkte ich auch schnell, dass es sich bei der Person um einen Mann handelte. Das auffälligste an diesem war sein Bart. Man konnte ihn als zehn-Tage Bart bezeichnen, da er der Bedeutung eines drei-Tage Bartes schon länger nicht mehr entsprach. Klaas trug auch einen solchen Bart. Schrecklich. Sobald er ihn wieder auf drei-Tage Bart Niveau stutzte, sah er direkt um Welten besser aus. Aber das interessierte ihn leider relativ wenig.

Die beiden Männer begrüßten sich mit einem Handschlag. Dabei fiel der Blick des kleineren auf mich. Auch wenn es durch den Regen schwer erkennbar war, sein Gesicht würde ich unter tausenden erkennen. Klaas. Warum sagte er mir nicht, dass er in Köln war. Und überhaupt. Was machte er hier? Nicht nur ich erkannte Klaas, sondern er auch mich. Er wechselte einige Wörter mit dem Größeren und dann kamen beide auf mich zu. Peinlich. Ich hatte den Größeren bestimmt 'ne viertel Stunde lang beobachtet und bezweiflete, dass er mich nicht bemerkt hatte.

"Josi, was machst du denn hier?" Fragte Klaas mich während er mich umarmte. "Ich wohne hier, falls du es nicht wusstest." Gab ich leicht beleidigt zurück. Wir sahen uns in letzter Zeit nicht sonderlich oft und dann meldete er sich nicht mal, wenn er in Köln war. "Ich wollte heute Abend noch bei dir vorbei schauen, ehrlich, brauch' doch 'ne Übernachtungsmöglichkeit." erwiderte Klaas grinsend, unbeeindruckt von meiner patzigen Antwort zuvor. "Na immerhin bin ich dir dafür noch gut genug." Nun grinste auch ich. Klaas wurde von mir in eine zweite Umarmung gezogen. "Ich hab dich vermisst!" Teilte ich ihm währenddessen leise mit, nicht sicher ob er es überhaupt gehört hatte. "Ich dich auch." Antwortete Klaas ebenso leise; er hatte es also gehört.
Die Szene könnte man problemlos für irgendeinen kitschigen Liebesfilm verwenden. Wiedertreffen im strömenden Regen. Eigentlich total romantisch. Nur Klaas Begleiter passte nicht so ganz in die Szene.

"Das ist übrigens Jan. Jan - Josi. Josi - Jan." Stellte Klaas uns einander vor. "Lass mal irgendwo rein geh'n." Schlug Jan vor. Ein vernünftiger Vorschlag aufgrund des Regens. "Ich wohne gleich um die Ecke, wir können zu mir." Ging ich auf seinen Vorschlag ein. "Dann kann ich auch direkt mein Zeug bei dir hinstellen und muss das nicht noch länger rumschleppen. Ich kann doch bei dir schlafen, oder?" fragte Klaas. Das hatte ich ihm vorhin doch schon bestätigt. "Klar, hab' ich doch eben schon gesagt." beantwortete ich seine Frage. Klaas linker Mundwinkel ging nach oben und er grinste halb. "Wollte nur sichergeh'n" erklärte er sich.

"Habt ihr dann genug geflirtet? Ich würde es bevorzugen mich an einem trockenen Ort aufzuhalten." Dieser Jan schien nicht besonders gute Laune zu haben. Um seine Aussage zu unterstützen zog er seine Kapuze tiefer ins Gesicht, wobei ich den Sinn darin nicht verstand, da er nur eine Sweatshirtjacke trug und somit die Kapuze nicht wasserdicht war. "Wir können ja auch bei mir weiter machen." antwortete ich ihm lächelnd. Darauf erwiderte er nichts und wir gingen zu mir. Währenddessen erzählte ich Klaas jede Menge unnötiges Zeug und ich erfuhr, dass er mit Jan etwas drehen würde.

"Was hattet ihr eigentlich geplant, bevor ihr mich getroffen habt?" fragte ich die beiden, nachdem wir in meiner Wohnung waren. "Arbeiten." Antwortete mir Jan einsilbig. Was hab ich ihm bitte getan, dass er so unfreundlich war? Klaas warf ihm einen strengen Blick zu. "Wir wollten noch was für die Sendung planen", erklärte mir Klaas, "Aber das können wir auch noch morgen machen."
Klaas und ich redeten über alles mögliche und auch Jan sagte manchmal was. Er hatte unverkennbar noch schlechte Laune, jedoch gab er sich Mühe diese nicht an mir auszulassen. "Ich muss jetzt auch, hab' noch 'nen Termin." meinte Jan irgendwann und verabschiedete sich. Irgendwie war er komisch.

Joko, Klaas, Olli & Jan FF (Arbeitstitel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt