Das Feuer knisterte, meine Freunde und diese beiden Typen schnarchten und ich hielt Wache. Gott sei Dank, hatte Jack diese kleine Höhle gefunden, die etwas weiter in den Fels ragte, als vorerst gedacht. Wenigstens hatten wir es hier ruhig und trocken. In meinen Gedanken schwelgend, die zum größten Teil über Emily handelten, bemerkte ich im ersten Moment die Gestalt nicht, die sich neben mich ans Feuer setzte. Erschrocken zuckte ich bei dem Klang der Stimme zusammen: „Wie geht es dir?"
„Boah, Jack, man, ich hab mich erschreckt!", flüsterte ich und wickelte mich noch ein bisschen mehr in die Decke ein. „Sorry", grinste er, lehnte seinen Kopf an die kalte Steinwand. „Kannst du nicht schlafen?" Er schüttelte den Kopf und sah zu den anderen. Emily und Kiara lagen dicht neben einander und kuschelten schlafend. „Sie sind stark", stellte Jack fest. „Aber wenn sie schlafen, kommen sie mir vor wie kleine Kinder, die sich an einen anderen Ort wünschen."
„Geht mir genauso." Und das stimmte. „Aber sie werden es schon schaffen, sei es im Schlaf oder beim vollen Bewusstsein."
„Da hast du recht." Kurz Stille. Dann: „Meinst du, Emily steht auf mich?" Erschrocken sah ich Jack an, musterte sein Gesicht von der Seite. „Ähm..."
„Also nicht, dass du mich jetzt falsch verstehst!" Er hob beschwichtigend die Hände. „Aber...ach, ich weiß auch nicht! Manchmal kommt es mir halt so vor und dann ein anderes mal sieht es so aus, als würde sie für dich alles tun, damit du sie beachtest." Ich spürte die Hitze die in mein Gesicht hoch kroch. Aber er war noch nicht fertig: „Sie ist echt nett, intelligent und alles."
„Stehst du etwa auf sie?!" Das ging jetzt wirklich zu weit! „Wie alt bist du überhaupt?"
„19, was dagegen?"
„Nein, schon gut. Du kamst mir irgendwie immer älter vor..."
„Tja, ich hab auch mehr Erfahrungen als ihr Kiddis."
„Danke", krächzte ich ironisch. Danach blieb es wieder für kurze Zeit still. Gedanken kreisten in meinem Kopf, Fragen, die Jack und Emmi betrafen, aber auch Fragen über Alexander. Schließlich riss der Junge neben mir, mich erneut in die Gegenwart zurück: „Weiß du...ich hatte die ganze Zeit das komische Gefühl, dass ihr euch total darüber wundert, warum ich plötzlich da war."
„Das stimmt", flüsterte ich und sah ihn wieder von der Seite an. „Warum?" Er antwortete nicht und ich dachte, er hätte die Frage nicht gehört und wollte sie wiederholen, als er schon weitersprach: „Ich habe euch doch die Geschichte von meiner Freundin erzählt. Wie sie hier gefoltert wurde und so...Ich weiß nicht, ob ich auch erzählt habe, ob ich mich rächen will."
„Doch, hast du. Welche Rache willst du?" Kurz Stille.
„Meiner Meinung nach, hatte Alexander was fieses an ihr angewandt." Jetzt sah er mich an. „Vielleicht wäre es doch ganz nett, wenn wir ihm das gleiche Schicksal bieten, wie ihr. Ein langsamer, qualvoller Tod."
„Aber...wo willst du denn bitte das Gift herkriegen?"
„Gute Frage...Nun ja, irgendwie kriege ich das schon hin. Und wenn ich selber dafür draufgehe."
„Hm..."
„Okay, ich lege mich noch ein wenig hin", sagte er, klopfte mir auf die Schulter. „Bleib nicht zu lange auf, sondern lass dich ablösen."
„Mache ich", flüsterte ich, als er sich zu den anderen legte. Keine zwei Minuten später hörte ich sein regelmäßiges Atmen. Doch bei mir wollte sich die Müdigkeit nicht einstellen, weswegen ich wohl die ganze Nacht da saß und in die roten Flammen starrte.
Gerade, als das erste Licht durch die Öffnungen in der scheinbar Kilometer entfernten Decke schien, wachten die ersten auf. „Hast du die ganze Nacht nicht geschlafen?", flüsterte Kiara und setzte sich neben mich. Ihre Lippen fanden meine Wange. „Nein", antwortete ich, meine Stimme hörte sich verdammt kaputt und müde an. „Wie hast du geschlafen?"
„Na ja, wie es halt so ist, auf einem Steinboden zu schlafen." Kurz lächelte sie. „Weißt du, wo wir hin müssen?"
„Welche Richtung? Kein Plan. Aber wir haben ja die beiden Fratzen, dort drüben." Mein Finger zeigte auf den noch schlafenden Martin und den gähnenden Georg. „Meinst du, wir können ihnen vertrauen?", murmelte Kiara und lehnte sich an meine Schulter.
„Weiß ich nicht. Ich versuche es jedenfalls." Denn, obwohl uns, also besonders mir gesagt wurde, dass wir auf deren Toleranz und deren Zuversicht vertrauen konnten, hatte ich doch meine speziellen Zweifel in Sachen Vertrauen. Martin schien ja ganz nett zu sein, zwar ruhig, aber definitiv ein zäher Brocken. Georg hingegen sah alles zu verbissen und stellte alles in Frage, was sich ihm in den Weg stellte. Was mich beunruhigte, war die Tatsache, dass ich in dieser kurzen Zeit, in der ich die beiden jetzt so ein wenig kennengelernt hatte, sei es auch nur der Name, schon diese Dinge feststellen konnte. Die meisten, die mir damals über den Weg gelaufen waren, waren meistens wie ein offenes Buch gewesen, hatten sich nicht hinter ihrer Fassade versteckt oder auch nur versucht, irgendjemanden sein falsches Ich zu zeigen. Das frustrierte mich auch irgendwie. „Eric?", riss neben mir Kiara mich aus meinen Gedanken. „Ich hab' dich was gefragt."
„Ähm...sorry", flüsterte ich und schüttelte meinen Kopf. „Was wolltest du?"
„Ich habe gefragt, was du machen wirst, wenn du...Alex gegenüber stehst?"
„Natürlich werde ich versuchen, ihn dafür büßen zu lassen, was er getan hat..."
„Also bringst du ihn nicht gleich um?" Vorsichtig sah sie mir in die Augen. In diesem Meer aus Blau konnte ich so etwas wie Erleichterung sehen, aber auch einen leichten Tick des Schockes. „Nein."
„Okay."
„Stört es dich?"
„Was? Wie meinst du das, Eric?" Sie rückte ein Stück von mir ab und sah mich an. „Na ja, ob du dir lieber wünschst, dass ich ihn verschone. Oder halt alle anderen."
„Nein, natürlich nicht!", rief sie frustriert. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass Emily, die auch schon wach war, gespannt zu uns herübersah. „Wie kommst du da bitte drauf?"
„Nun, es kommt manchmal so rüber, als würdest noch..."
„Ja?"
„Noch ein wenig für ihn empfinden." Ihre Augen weiteten sich, das Unglauben stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Du behauptest..."
„Hey, krieg dich ein!", zischte ich und zuckte mit den Schultern. „Es war bloß eine Vermutung. Aber wenn es nicht an dem ist, dann ist ja gut." Ehrlich, mir war es egal, ob sie auf den Typen stand oder nicht. Oder ob sie auf mich stand. Alles egal! Mir war es nur wichtig, dass sie nichts unüberlegtes tat, auch wenn man dieses Verliebtsein dazu zählen konnte. „Ja", flüsterte sie, sah dabei knapp an meinem Kopf vorbei. Ein anderer würde es nicht bemerken, aber ich sah die Angst, die sie mir gegenüber besaß. Warum auch immer. Plötzlich stand sie auf. „Ich werde mal gucken, was der Tag heute für uns bringt", flüsterte Kiara und ging an mir vorbei, Richtung Ausgang. Sonst, vier Monate vorher, hätte ich mir gewünscht, sie würde zurückkommen und mir einen Kuss auf den Mund drücken oder ähnliches. An dem Tag wünschte ich mir aber nur, sie würde irgendwann glücklich sein und nicht in Gefahr schweben. Schon komisch, was so ein Abenteuer mit sich bringt, wie es einen verändert... Schließlich stand auch ich auf, trat die letzten Flämmchen des Feuers weg und begann jeden Gedanken über Kiara bei Seite zu schieben.
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Töte mich langsam, Liebster...
Mystery / ThrillerEs ist Sommer, am Grünberg Internat sind die Lehrer wie immer langweilig. Während die meisten dem Unterricht folgen, stehen Eric und seine Freunde vor einigen Problemen: es verschwinden ständig blonde Schülerinnen, seltsame Botschaften tauchen auf u...