Zischend lag das Fleisch in der Pfanne. Ich zwang mich, meine Augen wieder zu öffnen und hob leicht den Kopf. Vor meinen Augen flimmerte es leicht. Es war eine schlechte Idee gewesen, den ganzen Tag auf Nahrung zu verzichten. Dazu noch der kleine Nervenzusammenbruch eben - Beides zerrte an meinen Kräften.
Ich beobachtete mit einem schwachen Lächeln Franco, der hochkonzentriert am Herd stand und auf die Pfanne starrte. Er gab sich sehr große Mühe, das konnte ich sehen. Ich nahm meine Kraft zusammen und richtete mich langsam auf. Er warf mir kurz einen Blick zu: "Charleen, setz dich bitte wieder. Ich bekomme das hier schon irgendwie hin." Eilig drehte er das Fleisch und sprang kurz danach einen kleinen Schritt zurück: "Au! Heißes Fett auf dem Arm ist unangenehm..." Ich musste schmunzeln: "Schatz, lass mich das machen. Du verbrennst dich noch." Ich ging langsam zu ihm. Er trat wieder dichter an den Herd und wirkte sofort wieder hochkonzentriert. Ich lächelte. Er sah hochkonzentriert wirklich zu süß aus!
Ich legte meine Hand auf seine Schulter und warf einen Blick auf das Fleisch: "Franco... Das Fleisch ist durch..." Er schüttelte den Kopf: "Nein, es muss noch." Ich seufzte leise: "Lass gut sein, sonst ist es gleich eine Schuhsohle. Bitte, ich mag keine Schuhsohlen zum Abendessen." Er seufzte resigniert und legte das Fleisch auf einen Teller. Dann führte er mich sanft aber bestimmt zum Tisch zurück: "Ich habe doch gesagt, du sollst sitzen bleiben. Hör doch einmal auf mich." Ich zupfte schuldbewusst an der Tischdecke: "Entschuldige bitte... das... ist eine Angewohnheit..." Wieder flammten Erinnerungen in mir auf, die ich mit aller Kraft zu bändigen versuchte. Das, was damals geschehen war, das... Ich konnte meine Gefühle dafür nicht beschreiben! Bis heute hatte ich es nicht wirklich komplett verkraften können.
Plötzlich kam mir ein Gedanke. Ich musste dringend mal wieder Constanze anrufen! Der letzte Anruf lag schon so einige Zeit zurück, unser Kontakt schlief langsam ein. Das galt es zu verhindern!
Franco holte mich aus den Gedanken, indem er mir das Fleisch auf den Tisch stellte und neben mir Platz nahm: "Hier, Charleen... Ich hoffe, es schmeckt dir. Auch wenn ich kein Sternekoch bin..." Ich nahm spontan seine Hand: "Allein der Versuch macht es schon zu etwas besonderem! Ich danke dir..." Dann begannen wir zu essen und eine unheimliche Stille ergriff den Raum, die nur durch das stetige Ticken der Uhr gestört wurde...
Etwas später schlenderte ich zum Telefon, während Franco den Abwasch erledigte. Hoffentlich ging es Constanze gut! Ich wählte ihre Nummer und schon nach dem zweiten Klingeln nahm jemand ab: "Johnson?" "Hallo, Dwight, hier ist...", ich senkte die Stimme, "... Irene. Ist Constanze da?" "Ja. Warte einen kleinen Moment." Mit einem leichten Grinsen erinnerte ich mich an Dwight Johnson. Er war der beste Freund von Steven McLaren gewesen. Und nach dessen Ableben hatte er sich mit Constanze anfreunden können. Mein Grinsen wurde breiter, als Constanze von ihrem ersten Date erzählt hatte. Anfangs hatte sie nicht viel für Dwight übrig. Doch am Ende stellte sich heraus, dass er ein richtiger Kavalier sein konnte und damit imponierte er der lieben Constanze natürlich sehr.
Ich bekam mit, wie das Telefon weitergereicht wurde und hörte kurz darauf die Stimme meiner besten Freundin: "Hallo? Irene? Bist du es wirklich?" Ich seufzte leise: "Hey, Conni..." Sie wurde etwas lauter. Sie schien erwachsen geworden zu sein, denn sie kreischte nicht mehr so sehr wie damals: "Meine süße Irene! Wie geht es dir? Ist Florenz immer noch so wunderschön?" "So wunderschön wie eh und je. Mir geht es... soweit ganz gut. Und dir?" Kurz war es still. Dann: "Dir geht es nicht gut, das höre ich. Was ist los? Ist etwas passiert? Ist etwas mit Franco?" Ich seufzte leise: "Nein, alles in Ordnung. Ich hatte vorhin nur, na ja... eine Panikattacke." Constanze schwieg: "... Wegen ihm?" Ich nickte. Als ich merkte, dass sie das nicht sehen konnte, murmelte ich etwas zustimmendes und kniff vor Schmerz die Augen zusammen. Unwillkürlich begann ich erneut zu zittern: "Irene, dir wird nichts passieren! Er weiß nicht, dass du in Florenz lebst! Und er wird dich nicht finden, da du deinen Namen geändert hast. Außerdem steckt er in der Anstalt und wird da drin für immer bleiben." "Bist du dir sicher?" "Natürlich! Es ist mehr als nur unwahrscheinlich, dass ihm ein Ausbruch gelingt. Und selbst wenn, dann hat er erst einmal andere Dinge in Kopf, als dich zu suchen." Das nahm mir meine Angst nicht, im Gegenteil - Beim dem Gedanken, dass er ausbrechen könnte, wurde mir schlecht: "Conni... Wenn er es schafft... ich will nicht, dass Franco etwas passiert! Du weißt, was mit Steven passiert ist! Er wird ihn umbringen und dann..." Ich schüttelte mich. Constanzes Stimme wurde noch fester: "Das wird nicht passieren! Jetzt beruhige dich! Franco geht es gut, hast du gesagt. Weiß er mittlerweile von...?" "Nein, ich habe es ihm nicht erzählt." "Dann lass dir deine Angst nicht anmerken. Es wird nichts passieren, Irene, hörst du?" "Ja... Danke, Conni..." "Kein Problem, Süße!", erwiderte sie...
Nach zwei Stunden gingen Franco und ich zu Bett. In diesen zwei Stunden hatte ich noch mit Constanze telefoniert und sie hatte mir sehr viel von Dwight und deren gemeinsamen Urlaub vorgeschwärmt. Daraufhin hatte ich die beiden spontan eingeladen, uns auch mal wieder so bald wie möglich besuchen zu kommen und sie hatte lachend eingewilligt.
Franco lag bereits im Bett, als ich aus dem Badezimmer schlich und unter die Decke kroch. Sanft nahm er mich in den Arm und ich kuschelte mich an ihn: "Ist wirklich wieder alles in Ordnung, mia Belezza?" "Ja, Franco. Ich danke dir nochmal." Ich spürte seine Lippen kurz auf meiner Schläfe: "Gern geschehen. Jetzt ruh' dich aus - Morgen hast du wieder viele Patienten, um die du dich kümmern musst. Aber zwischendurch isst du bitte auch mal was." Ich brummelte nur noch etwas, schloss die Augen und schlief dann erschöpft an seiner Seite ein...
DU LIEST GERADE
Firenze di Notte - Shadows of the past
Fiksi PenggemarZehn Jahre sind vergangen. Zehn Jahre, in denen Irene Pawlow, mittlerweile 35, viel erlebt hat. Sie dachte, dass eine neue Heimat ihr gut tun würde. Sie dachte, in Italien endlich die ersehnte seelische Ruhe zu finden. Doch dieser Frieden hält nicht...