Kapitel 3 (Luzifer)

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Es gibt einige Freundschaften,

die im Himmel beschlossen

und auf Erden vollzogen werden.

- Matthias Claudius


Sieben Tage, sieben gottverdammte Tage, war ich nun schon in der Welt der Menschen. Mein Verdacht hatte sich bestätigt, haushoch. Innerhalb der letzten Jahrhunderte hatte sich das gesamte Leben auf der Erde verändert. Erfindungen wurden gemacht, Sachen entdeckt und weiterentwickelt. Städte entstanden wie aus dem Nichts, die Gebäude strebten dem Himmel entgegen, wollten sich in Größe und Aussehen immer wieder übertrumpfen. Wundersame Maschinen, Autos genannt, fuhren zuhauf durch die überfüllten Straßen. Alles war laut, hektisch und aufregend.

Glück im Unglück war es für mich, dass Kyra mich gefunden hatte, ohne ihre Hilfe wäre ich wahrscheinlich innerhalb von Minuten unter den Rädern eines Autos gelandet.

Kyra hatte mich tatsächlich, nach unserem - mir mehr als peinlichen - ersten Treffen, bei sich Zuhause aufgenommen und auch ihre Freundin hatte mich sofort herzlich empfangen. Zusammen hatten sie mich über alles Mögliche aufgeklärt, was die heutige Zeit betraf. Dennoch hatte ich immer noch einige Schwierigkeiten bei den verschiedesnten Dingen. Vor allem das Essen erwies sich als recht kompliziert. Auch wenn ich mich bei den meisten Dingen ziemlich dämlich anstellte, akzeptierten Kyra und Hannah es vorbehaltlos und halfen mir, wo sie konnten. Keine der Beiden stellte mir Fragen zu meiner Unwissenheit und Unsicherheit. Auch wenn sie mir gegenüber so taten, als wüssten sie nichts über mich, so beschlich mich immer wieder die Vermutung, dass sie zumindest etwas über meine Herkunft ahnten. Bereits bei der ersten Begegnung mit Hannah fiel es mir auf. Auf den ersten Blick hatte ich bemerkt, dass sie blind war und doch schien sie mich auf eigentümliche Weise zu mustern. Nach einigen Momenten hatte sie schließlich glücklich gelächelt und mich mit einem „Willkommen Luzifer" umarmt. Erst viel später war mir aufgefallen, dass sie zu diesem Zeitpunkt meinen Namen noch gar nicht gekannt haben konnte, da Kyra mich noch nicht vorgestellt hatte. Da aber keiner der beiden das Thema anschnitt, beschloss auch ich, dass es besser wäre nichts dazu zu sagen. Es war eine stille Übereinkunft zwischen uns, sich zu dem Thema meines überraschenden Auftauchens nicht zu äußern. Darüber war ich sehr froh, da ich möglichst wenig Aufmerksamkeit darauf lenken wollte, woher ich kam und warum ich hier war.

Besonders fasziniert war ich von ihrer Beziehung. Sie lebten als gleichgeschlechtliches Paar zusammen. Vor sechshundert Jahren wäre dies noch unmöglich gewesen, da die Menschen zu viel Angst davor hatten, dass die anderen Leute und vor allem Gott es nicht akzeptieren würden. Heutzutage schien sich da Einiges geändert zu haben. Mir wurde mitgeteilt, dass es tatsächlich keine Seltenheit mehr war, denn anscheinend war auch Lukas – mein Arbeitspartner – homosexuell. Und eben Genannter war nun, Tage später, bei uns zum Sontagsfrühstück. Nach dem eher peinlichen Abendessen, hatte ich ihn sonst nur im Kindergarten bei der Arbeit gesehen. Es war recht deutlich, dass er nicht wirklich begeistert von mir war, auch wenn ich nicht verstand aus welchem Grund er sich so verhielt.

Das Frühstück war schon beendet und ich saß alleine in dem Esszimmer, die anderen Drei waren kurz zuvor zum Abwaschen in die Küche verschwunden. Relativ klar war mir, dass sie dort nicht bloß zum Abwaschen hin verschwunden waren. Lukas' Missfallen mir gegenüber, war nicht zu übersehen, und Hannah hatte sich deswegen schon oft über ihn beklagt. Da ich nun wirklich verstehen wollte, was genau sein Problem sei, kam es, dass ich mich vor der geschlossenen Küchentür wiederfand und lauschte.

"Lukas, bitte versuch es doch einfach. Ihr hab wie lange jetzt zusammen gearbeitet? Fünf Tage!" Ein Seufzen war zu hören.

"Ich weiß, Kyra. Aber diese fünf Tage waren genug, um mir zu zeigen, dass ich definitiv nicht mit ihm arbeiten kann!"

Limbus InfantiumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt