~Twicegirl~

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Es fühlt sich an als gäbe es zwei Michs. Zum einen das Ich, das alle Menschen sehen. Das äußere Ich. Das Ich, das weint, wenn Tränen seine Wangen hinabfließen und es in sich zusammensinkt. Das Ich, das lacht, wenn ein Lächeln auf seinen Lippen liegt und es in sehr kurzen Abständen immer abwechselnd ausatmet und die Luft anhält. Das Ich, das wütend ist, wenn seine Augenbrauen tiefer geschwungen sind als sonst und die Stirn in Falten liegt. Das Ich, das ängstlich ist, wenn Augen und Mund dieselbe Form annehmen und die Hände wie verrückt zu zittern beginnen. Und nicht immer sehen sie dabei dasselbe Mädchen. Manchmal trägt das äußere Ich andere Kleider oder die Haare auf eine andere Art und Weise. Mit den Jahren verändern sich auch Körperform und das Haar. Nie gibt es ein bleibendes Bild,  aber immer eine gesicherte Kopie des letzten.

Zum anderen das Ich, das nur ich selbst sehe. Das innere Ich. Das Ich, das weint, wenn der Schmerz nicht mehr auszuhalten ist und der Druck auf der Brust mich zu ersticken droht. Das Ich, das lacht, wenn der kühle Atem des Lebens durch ihre Adern fließt und sie das Gefühl von Freiheit und Glück für einen Augenblick spüren kann. Das Ich, das wütend ist, wenn das Feuer in ihrer Seele so unerträglich brennt, dass es sie fast zerreißt. Das Ich, das ängstlich ist, wenn das tonnenschwere Klopfen ihres Herzens ihren gelähmten Körper kontrolliert. Und immer sieht sie dabei dasselbe Mädchen. Das innere Ich besteht aus einem warmen dunklen Nebel, ausfüllend und voller Energie. In diesem Nebel steckt das Bewusstsein des Mädchens, die Sicherheit ihrer Existenz. Ihr Fühlen, ihr Handeln und ihr Denken, das immer präsent und unheimlich ausgeprägt ist.

Diese zwei Michs könnten unterschiedlicher gar nicht sein, denn die Hülle fungiert wie ein Schutzschild meiner Gefühle. Der Kern kann die Entscheidung treffen, ob er die Energie in mir, ganz gleich wie sie sich auswirkt, nach draußen lassen möchte, damit Dus bemerken können wie es meinem inneren Ich geht. Das geschieht immer dann, wenn der Körper den Heilungsprozess nicht alleine vollziehen kann oder die Emotionen so stark sind, dass nicht einmal die körperinterne Schutzmauer sie aufhalten kann. Das Mich besteht also aus zwei Schichten, zwei Gesichtern, zwei Lebensweisen, zwei gegensätzlichen Teilen, die einander brauchen, um perfekt zu funktionieren. Und auch wenn ich mich als ganzer, unperfekter Mensch noch entwickeln kann und werde, bleibe ich tief in mir drin immer ein lebendiges Wesen, das perfekt geschaffen wurde und alles hat, was es braucht, um glücklich zu sein.

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