Kapitel 10

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Am nächsten Morgen küsste mich Leo wach. Ich fühlte seine warmen und weichen Lippen auf meiner Stirn, meiner Wange, meiner Nase, meinen Lippen, meinem Hals und meiner Schulter. Ich öffnete meine Augen und blickte direkt in sein lächelndes Gesicht.

,,Es ist zu früh", gähnte ich heraus und streckte mich über das ganze Bett.

Leo legte seine Hand auf meine Hüfte und drehte mich auf seinen Körper, daraufhin legte ich meine Stirn auf seine und mit meinen Hände fasste ich um seinen Hals. Wir blickten uns minutenlang stillschweigend tief in die Augen. Das Zimmer war kaum beleuchtet, seine Augen waren dennoch deutlich zu erkennen. Ich liebte diese Augen. Immer wenn ich ihm in die Augen blickte, sah ich den Ozean unter dem babyblauen Himmel. Leos Augen waren ungewöhnlich Blau. Man musste sie selbst gesehen haben. Seine Augen waren einmalig Eisblau. Doch ein auffällig schwarzer Ring umgab seine sonst hellen Augen und bildete einen faszinierenden Kontrast. Je nach Lichteinwirkung leuchteten sie in einem anderen Farbton.

,,Wir müssen zur Uni", hauchte er mir ins Ohr, während er meinen Hals mit seinen Küssen beglückte.

,,Lass uns liegen bleiben!", verlangte ich von ihm.

,,Hmm..." Er blickte nachdenklich auf die Wand. ,,OK!" schlagartig drehte er mich wieder auf den Rücken und legte sich mit seinem Gewicht auf mich drauf.

,,Runter! Du bist mir zu schwer", kreischte ich durchs Raum. Er presste seine Lippen auf meine, um mich vom Gekreische abzuhalten. Um mich zu widersetzen, biss ich ihm stark in die Zunge und er wälzte sich jammernd auf seine Bettseite.

Ich schnappte mir mein Handy um Ashaya bescheid zu geben. Auf dem Display war zu sehen, dass ich 4 verpasste Anrufe hatte - von Marcel. Ich schrieb ihm, dass ich mich später bei ihm melden werde. Leutrim beobachtete mich dabei und schmunzelte.

,,Schau nicht so!", verlangte ich.

,,Böses Mädchen", lachte er und ich stupste ihn leicht.

,,Und Du glaubst, Du wärst ein Heiliger?! Hey, du bist der Verlobte."

,,Ich gehöre nur dir", stöhnte er mich an und legte seine Hand auf mein Bauch. ,,Und du gehörst nur mir", fügte er hinzu.

Er schob mein Top hoch bis zu meiner Brust und strich über mein Bauch. Mir lief ein wohliger Schauer über den Rücken. Erst küsste er meine Wangen, dann widmete er sich meinem Hals und küsste sich runter bis zu meiner Schulter. Er war so zärtlich und jeder seiner Berührungen machte mich komplett wahnsinnig. Ich schloss meine Augen und genoß diesen Moment. Während er sich weiter zur Brustmitte küsste, wurden seine Streicheleien immer leidenschaftlicher und intensiver. Seine Finger schob er immer wieder ein Stück weiter runter. Er gab sich so viel Mühe, obwohl er wusste, dass ich das nicht zulassen werde. Ich fing an zu lachen und ruinierte damit den Moment. Auch er fing an zu lachen und biss mir leicht in den Hals.

,,Komm schon, Selma!", bettelte er mich an, doch ich ließ mich nicht auf seine schnorrenden Augen ein. ,,Spielverderberin."

,,Du musst mir Zeit lassen!"

,,Ich lass Dir alle Zeit der Welt."

,,Merke ich", sagte ich ironisch und schmunzelte ein wenig. Leutrim begab sich zur Bettkante und streckte sich aus. Ich drehte mich zu ihm und starrte begeistert auf seinen prachtvollen Körper. Er küsste meine Stirn und verließ sein Zimmer.

,,Bleib liegen. Ich mache uns Frühstück", rief er mir noch zu, ehe er hinter der Tür verschwand.

Ich blickte verträumt ins nirgendwo und dachte über die Geschehnisse der letzten Nacht nach. Ich fühlte mich einerseits elend, andererseits so glücklich. Die Tatsache, dass ich Marcel betrügte, verschaffte mir ein Kloß im Hals. Doch dachte ich wieder an Leutrim, formten sich meine Lippen zu einem Lächeln. Ich machte mich im Badezimmer frisch und gesellte mich danach zu Leo in die Küche.

,,Weshalb bist du aufgestanden? Ich hätte Dir das Frühstück ans Bett gebracht." Leo stand oben ohne vor dem Herd und bereitete Spiegeleier vor. Ich stellte mich hinter seinem Rücken und legte meine Arme um ihn herum. Während ich ihm beim Zubereiten der Spiegeleier beobachtete, küsste ich seine Schulter.

Nachdem er die Herdplatte ausschaltete, drehte er sich mit dem Gesicht zu mir und umschlang meinen Körper. Wenige Minuten danach stand Leos kleiner Bruder Luan mit seiner Freundin vor der Küchentür.

,,Nehmt euch ein Zimmer", versuchte er uns genervt zu befehlen.

,,Hey, Aylin!", begrüßte Leo die Freundin von Luan freundlich.

,,Hey, ihr beiden", sagte sie.

,,Selma, das ist Aylin. Luans Freundin. Und Aylin, das ist Selma..." Er hielt kurz inne, blickte mir tief in die Augen und lächelte verträumt. ,,...Meine Frau", fügte er stolz hinzu und brachte mich zum grinsen.

,,Deine Frau?", fragte Luan gereizt.

,,Ja, meine Frau. Spricht was dagegen?"

,,Ja, die Tatsache, dass sie Serbin ist." Erneut stritten sich dich beiden.

,,Halt dein Maul, Luan. Sie kann nichts für ihre dreckigen Landesmänner!", schimpfte Leo. Seine Worte enttäuschten mich zutiefst. Ich war in dem Moment fassungslos.

,,Eh... Moment mal Leo! Meine Familie und ich sind stolz auf unser Heimatland und..." Plötzlich entfernte er sich von mir und unterbrach mich.

,,Stolz? Worauf denn stolz? ... Darüber, dass sie meinem Land und meinen Landesleuten das Leben zur Hölle gemacht haben?" Er wurde ziemlich laut und seine Stimme zitterte vor Wut.

In dieser Situation wurde mir bewusst, wie sehr er Serben und Serbien hasste. Wie kann ich einen Mann lieben, der meine Nationalität verachtet? Ich war so sauer und sagte Dinge, die ich hätte lieber nicht sagen sollen und hätte ich die Macht dazu, Worte zurückzuziehen, dann hätte ich diese Macht sofort genutzt.

,,Vielleicht habt ihr es nicht anders verdient!", sagte ich selbstsicher und beobachtete Leo's und Luans Reaktion. Natürlich haben sie es nicht verdient. Ich pflegte eine ganz andere Beziehung zu Kosovo Albanien, als so manch anderer Serbe. Ich hatte überhaupt kein Verständnis für diese sinnlosen Konflikte und verachtete Serben, aber auch Albaner für den Hass, den sie gegenseitig empfunden.

Leo und Luan reagierten gleich. Sie sahen sich mit hochgezogener Augenbraue an und die Kinnlade fiel ihnen bis zum Grunde des Bodens hinunter. Wieder sah Leo mich an. Ich merkte ihm an, dass er Worte aussprechen wollte, doch ihm verging die Sprache. Beide liefen wutgeladen rot an.

,,Verpiss dich hier ehe ich mich vergesse", brüllte Luan durch das ganze Haus und ich befolgte dem. Mich hält hier gar nichts mehr auf. Ich blickte ein letztes Mal in Leo's Augen.

,,Entweder Du nimmst mich so wie ich bin, und zwar mit meinem Stolz zu meinem Vaterland oder gar nicht. Serbisches Blut fließt durch meine Adern und daran wird sich nichts ändern, egal wie sehr du dir das wünschst", schimpfte ich Leo an.

,,Wäre dein Drecksland nicht, dann würden meine Großeltern noch leben und wir hätten niemals gehen müssen. Wäre deine Nation nicht, dann würden die ganzen Kinder, die in Armut leben nicht so ein drecksleben erleiden müssen. Serbien hat mein Land zerstört. Ich werde niemals vergessen. Ich werde niemals ein Fuß in dein Land setzen und ich werde Serben niemals akzeptieren."

,,Inshallah, Bruder!", rief ihm Luan unnötig zu.

,,Merk Dir das, Selma", sagte Leo. Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln. Sich ein Sündenbock zu suchen, ist immer einfach.

,,Gut zu wissen!" Mit schnellen und großen Schritten verließ ich das Haus und eilte zur SBahn. Ich fuhr in die Stadt, um mein Auto abzuholen. Im Auto weinte ich minutenlang, denn mir wurde bewusst, dass ich beide verloren habe. Leo und Marcel.

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