Am nächsten Tag trafen sich Sam und Betty zum Reiten auf dem Springplatz. Betty ritt sehr sanft und Freedom war schon deutlich besser. Als er auch angaloppierte ohne zu zögern, fiel die Anspannung von Betty schon ein wenig ab. ,,Hey, er läuft ja tatsächlich wieder! Richtig cool!", rief Sam Betty zu. Er galoppierte seinen Holsteinerwallach Celebration gerade an und ritt über einige Cavalettis. Auch Betty galoppierte wieder an und als sie auf einen Steilsprung zuritt und merkte, dass Freedom wieder von selbst hinzog, atmete sie erleichtert aus. Wie vorher sprangen sie in bester Manier über die Sprünge. ,,Sag mal, Sam. Darf man eigentlich die Geländestrecken benutzen?", fragte sie ihn, als sie ihre Pferde später trockenritten. ,,Ja, das kannst du, aber nur außerhalb der Trainingszeiten oder wenn die Reiter auf Turnier sind. Bist du schonmal Vielseitigkeit geritten? " , ,,Ja, früher auch turniermäßig, aber seit ich im Kader bin, bleibt dafür keine Zeit mehr." Mit einem sehnsuchtsvollen Blick schaute sie einem jungen Reiter zu, der gerade mit seinem Schecken den Wall einer Geländestrecke hinaufgaloppierte. ,,Na dann, probier es doch! Wenn Paul und Susan zurück sind, wird das Training für die EM losgehen und auch wenn noch nicht feststeht, wer dort reiten wird, muss jeder von euch dran glauben." Sam sah sie aufmerksam an. ,,Vielleicht hast du Recht. Ich werde es übermorgen probieren. Morgen mach ich mal wieder ein bisschen verstärkte Dressurarbeit... Außerdem ist sowieso klar, dass du auf die EM fährst." Betty war immer leiser geworden und murmelte die letzten Worte fast nur : ,,Es gibt einfach niemanden, der dieser Aufgabe besser gerecht werden würde..." Ihre Wangen liefen rötlich an und auch wenn sie merkte, dass Sam sie ansah, hielt sie ihren Blick gesenkt. Sie atmete tief durch und lockerte dann Freedoms Sattelgurt, bevor sie Richtung Stall ritt und Sam ohne ein weiteres Wort auf dem Reitplatz zurückließ.
Das Wetter war an diesem Tag nicht so beständig, deshalb ließ Betty ihre Pferde nicht allzu lange auf die Koppel. Am Abend telefonierte sie noch mit ihrer Familie. Besonders Nils Stimme zu hören, versetzte ihr einen Stich ins Herz. Auch wenn sie es an der Akademie liebte, so vermisste sie trotzdem ihr eigentliches Zuhause. ,,Ich wünschte, du wärst hier. Barney ist wirklich gut drauf momentan, und wir könnten endlich mal wieder zusammen ausreiten. Wie läuft es denn bei dir so?", fragte er und Betty atmete tief durch bevor sie antwortete: ,,Ja eigentlich alles gut, aber es ist ziemlich anstrengend. Meine Trainer sind auf einer Fortbildung, das heißt ich habe sozusagen Urlaub. Aber in drei Wochen ist das erste Turnier der EM-Qualifikation. Ich bin schon ziemlich aufgeregt..." Sie machte eine kurze Pause. ,,Es ist anders, wenn ihr nicht da seit, weißt du..." , ,,Ja, ich wäre auch froh, wir könnten uns mal wieder sehen. Nächsten Monat darf ich zur Sichtung für den Nationalen Nachwuchspreis der Ponyspringreiter. Mit Barney." , erzählte Nils, und es kam Betty so vor, als könnte sie seine Aufregung fast durch das Telefon hören. Sie lächelte. ,,Das ist cool, wirklich cool. Schick mir ganz viele Bilder, okay? Und sag Dad, er soll deinen Ritt filmen!" , ,,Ja, mach ich und sag mir auch wie es gelaufen ist auf der ersten Qualifikation, okay? Und bei allen anderen." Betty schluckte und antwortete dann leise: ,,Mach ich. Ich hab dich lieb." Sie spürte, wie ihr die Tränen kamen und atmete tief durch. ,,Ich vermisse dich , Betty. Du fehlst hier."
Sie beendeten das Telefonat und Betty wischte sich ihre Tränen weg. Barney war immer ihr Pony gewesen und es hatte ihr so viel bedeutet, ihn ihrem Bruder zu geben. Und jetzt konnte sie nicht mal dabei sein, wenn sie ihr erstes großes Turnier zusammen ritten. Sie war so traurig, dass sie schließlich zu Amy ging und ihr alles erzählte. Die beiden Mädchen saßen auf Amys Bett und Betty ließ ihren Tränen freien Lauf. reden, denn ihr ging es genauso. Erst als sich beide wieder beruhigt hatten, ging Betty zurück in ihr Zimmer und schlief irgendwann ein.Schon im Morgengrauen hatte Betty Freedom gesattelt und ihm das Vorderzeug angezogen. Außer einem Reiter, der auf dem Dressurplatz trainierte, waren nur einige Pfleger unterwegs, als Betty sich auf den Weg zur Geländestrecke machte. Sie hatte sich im Plan eine geeignete Strecke ausgesucht, die ihr für den Anfang gut erschien. Freedom schnaubte und sein Atem stieg in kleinen Wölkchen in den Himmel. Auf der Trainingswiese machten sie sich zunächst warm und Freedom hatte einen Riesenspaß über die Baumstämme zu springen. Als Betty sich sicher war, dass sie beide es noch konnten, atmete sie tief ein und parierte zum Schritt durch. Als sie am Beginn der Geländestrecke angekommen waren, sagte sie leise : ,,Also dann mein Schatz, zeig mal, was du noch kannst." Und es schien, als hätte er sie verstanden, denn als sie angaloppierten, stürmte er los, so dass sie dachte, er würde nach der Hälfte der Strecke erledigt sein. Doch so war es nicht: Sie sprangen über Baumstämme, Gräben, Dächer und galoppierten durch Wassergräben. Betty fand die Strecke atemberaubend schön und auch Freedom hatte die Ohren aufmerksam gespitzt, während er in der rötlichen Morgensonne über die Felder donnerte.
Als Betty von ihrem Geländeritt zurückkehrte, war bereits reges Treiben auf dem Hof. Sie sah Amy auf dem Dressurplatz und ihr fiel auf, dass sie ihr schon lange nicht mehr beim Reiten zugesehen hatte. Betty staunte nicht schlecht über die Fortschritte des Paares. Boss schien nur so über den Platz zu schweben und Amy saß wie festgeklebt im Sattel und folgte den Bewegungen ihres Pferdes. Immer wieder ritt sie Traversalen, die, wie Betty zugeben musste, richtig professionell aussahen und es schien, als sei Reiten das Leichteste der Welt. Eine Weile lang sah sie noch zu, dann machte sie sich auf den Weg in den Stall, wo sie das verschwitzte Fell ihres Pferdes striegelte, bis es glänzte. Dann stellte sie ihn in die Box und machte Explosion fertig. Er mochte feste Hindernisse nicht so gerne, daher ging sie mit ihm zum Dressurplatz. Ein Vorteil der Akademie war, dass es viele Reitplätze gab und man fast immer allein war. Sie ritt Explosion warm, jedoch machte er es ihr nicht leicht. Unmotiviert lief er über den Platz und Betty war von dem vielen Treiben schon nach kürzer Zeit klatschnass geschwitzt. Noch ein letztes Mal galoppierte sie ihn an und ritt mit aller Kraft, bis er wenigstens halbwegs ordentlich galoppierte. Danach machte sie Schluss und beschloss am Nachmittag nochmal ins Gelände zu gehen, damit er sich noch bewegte.
Im Stall war Amy dabei, Boss zu putzen und auch die beiden sahen ziemlich fertig aus. ,,Hey, na?", meinte Amy, während sie sich die feuchten Haare aus dem Gesicht strich. ,,Uff, ich bin total erledigt. Er hat heute gar keine Lust." Mit rotem Kopf stieg Betty ab und band Explosion an der dafür vorgesehenen Halterung an. ,,Und bei dir? Ihr seit echt gut geworden, ich habe euch eben zugeguckt.", sagte sie, während sie den Reithelm absetzte. ,,Danke, wir haben wirklich viel geübt. Ich bin auch total erledigt. Gehen wir was essen?", fragte Amy lächelnd. Betty sah auf die Uhr. Es war tatsachlich schon zwölf Uhr und als Antwort brummte ihr Bauch. ,,Ja, das ist gut, machen wir. Ich hab um zwei Uhr Theorie und danach wollte ich noch ins Gelände. Hast du villeicht Lust mitzukommen." Instandig hoffte sie, dass Amy mitkommen würde, doch diese antwortete: ,,Nein sorry, ich habe heute Mittag mit Boss einen Termin zum Impfen." Verschwörerisch sah sie zu Betty: ,,Aber ich weiß, wer ganz bestimmt mit dir gehen würde." Sie zwinkerte und es hätte absurder nicht sein können, als plötzlich Sam durch die Scheunentür kam. ,,Ich geh dann schonmal vor... Hallo Sam." Mit diesen Worten verließ Amy die Stallungen und auf einmal wurde Betty unsäglich heiß. Sam sah sie an und lächelte. Ein kleines Lächeln, aber in diesem Moment brachte es ihren Puls zum rasen. ,,Hey...", Betty wollte eigentlich mehr sagen, aber innerhalb von einer Sekunde war Sam bei ihr und küsste sie. Erst sanft und dann immer forderder, bis Betty dachte, sie würde den Boden unter den Füßen verlieren. Als sie sich voneinander lösten, lächelte sie ihn an. Vielmehr grinste sie, als sie schließlich fragte: ,,Gehen wir nacher zusammen ausreiten?"
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Body Of Glass
Teen FictionEs ist nicht nur ein Sport für sie. Nachdem sich Betty dazu entschieden hat, ihr Abitur um drei Jahre zu verschieben, damit sie ihr Leben dem Reitsport widmen kann, richtet sich alles in ihr auf die Europameisterschaften. Gemeinsam mit Freedom, ihre...