Alles ist neu

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,,Meine Damen und Herren, liebe Reiterinnen und Reiter, ich möchte Sie alle an der National Academy of Horse Riding willkommen heißen. Mein Name ist Janine Adams  und ich bin die Leiterin der Akademie.
Wie jedes Jahr, haben sich auch in diesem Jahr wieder hunderte von jungen Reitern und Reiterinnen beworben, um einen Platz an unserer Akademie zu erhalten. An dieser Stelle möchte ich Ihnen schonmal gratulieren. Sie haben einen von dreißig Plätzen ergattert. Das bedeutet nicht nur, dass Sie unsere Juroren von Ihren reiterlichen Fähigkeiten überzeugt haben, sondern auch, dass Ihr theoretisches Wissen und Ihre psychologischen Testergebnisse überragend waren. Sicherlich haben Sie sich gefragt, wozu wir das brauchten. Das Ziel unserer Akademie ist es, jungen Reitern die nötige Förderung und Unterstützung zu geben, die sie brauchen um im Reitsport auf lange Sicht Erfolg zu haben. Sie sollen auch lernen, dass der Reitsport kein gewöhnlicher Sport ist und auf unserer Anlage noch mehr über Ihren Partner Pferd erfahren. Da Sie mit der Annahme Ihres Platzes an der Akademie die Erlaubnis erhalten, für uns auf nationalen und internationalen Turnieren zu starten, müssen Sie sich dennoch bewusst sein, dass wir eine gewisse Leistung von Ihnen erwarten. Jeder von Ihnen ist mit seinem Pferd in einer Disziplin besonders gut. Wir möchten Sie hier fördern und Sie noch besser machen, jedoch auch besonders an den Problemen arbeiten. Jeder von Ihnen wird einem Trainer in der Disziplin Dressur und Springen zugeteilt. Mit ihnen werden Sie bis zum Ende des Jahres trainieren. Über das Jahr hinweg haben Sie immer wieder Leistungsüberprüfungen. Sie werden davon nichts mitbekommen und sie werden in verschiedenen Formen vorkommen. Hierbei werden nicht nur Erfolge sondern auch charakterliche Eigenschaften bewertet . Fünfzehn Reiter werden ihre Ausbildung im zweiten Lehrjahr fortsetzen dürfen .Am Ende des ersten Jahres werden wir entscheiden, wer von Ihnen bleiben darf und wer uns verlassen muss.
Ihre Stundenpläne finden Sie auf Ihrem Zimmer, zusammen mit einem Plan der Anlage. Falls Sie noch Fragen haben, können Sie sich an Ihre Trainer wenden. Morgen beginnt für Sie das Einführungstraining.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen viel Erfolg an unserer Akademie. "
Mrs. Adams lächelte und verließ die Bühne. Betty stimmte in den Applaus ein und lächelte. Ihr Vater sah sie an und gemeinsam gingen sie aus dem Saal hinaus. Jetzt war also der Moment: Er würde nach Hause fahren. Am Auto wurde Betty kalt. Plötzlich fühlte sie sich alleine. Sie kannte doch niemanden. Richard nahm sie in den Arm und sah sie danach lange an. ,,Du hast so hart gekämpft um hierher zu kommen. Ich hoffe du schaffst, was du dir erhoffst." Betty war den Tränen nahe und umarmte ihn wieder. Irgendwann stieg er ins Auto und Betty stand so lange da, bis sie die Lichter des Autos nicht mehr sehen konnte. Dann atmete sie tief durch und rannte zum Stall. Sie musste jetzt einfach bei ihren Pferden sein.

Nachdem sie noch schnell auf Ihrem Zimmer gewesen war um eine Jacke und kurzerhand auch den Stundenplan mitzunehmen, lief sie zur Sattelkammer um dann mit zwei Karotten zu den beiden Pferden zu gehen. Sie hatten in der Zwischenzeit auf der Weide gestanden und machten einen zufriedenen Eindruck. Beide schnaubten und schienen sich sichtlich zu freuen ihre Reiterin zu sehen. Betty kraulte die beiden lange und ließ sich dann im Stroh gegenüber der Boxen nieder. Eine Zeit lang saß sie einfach nur da und betrachtete die Pferde. Freedom und Explosion hatten eine Box nebeneinander. Neben Freedom stand ein großrahmiger Fuchs mit weißer Blesse. Sie schätzte ihn auf einmeterfünfundsiebzig, war sich aber nicht sicher. Sie stand auf und betrachtete ihn. Seinem Boxenschild nach, war er ein achtjähriger Westfalenhengst, die Besitzerin war Amy Winter. Daneben stand ein etwas frechwirkendes Schimmelpony, das trotzdem sehr edel aussah. Es kaute ein paar Heuhalme und schaute sich dabei andauernd um. Dann hörte Betty die Scheunentür und ein Mädchen in ungefähr ihrem Alter kam herein. Sie war etwas kleiner und wirkte mit ihren langen blonden Haaren sehr zierlich.
,,Hi. Wie ich sehe, hat mein Großer mal wieder jemanden zum Bestechen gefunden." Das Mädchen lächelte und kam auf die beiden zu. Sie kraulte den Fuchs an der Stirn und er schnaubte leise. ,,Ich bin Amy.",sie deutete mit dem Kopf auf Freedom und Explosion. ,,Sind die dir?" , ,,Betty. Ja das sind meine beiden Jungs. Freedom...", sie deutete auf den Rappen. ,,...und Explosion". ,,Wow die sind wirklich hübsch. Ich hab sie eben auf der Koppel laufen sehen. Echt coole Pferde. Du hast es sicher schon gesehen, aber mein Pferd heißt eigentlich nur im Pass ,,Mister Independet", normalerweise nenne ich ihn Boss. Du reitest Springen, oder?", Amy sah sie aufmerksam an. ,,Ehm... Ja, ich bin letztes Jahr mein erstes S-Springen geritten. Und du?", ,,Nein nein, wir sind im Viereck unterwegs. Wir sind bis jetzt noch im L- und M-Bereich unterwegs. Dafür aber auch international. Naja, welche Trainer hast du denn so?"
Betty wusste es nicht und so setzten sie sich ins Stroh und begannen ihren Katalog durchzublättern. Es dauerte einige Zeit, bis Betty das System verstanden hatte. Vorallem die vielen verschiedenen Hallen und Plätze waren trotz der Karte sehr verwirrend. Ihr Stundenplan war für die nächsten drei Wochen. Sie blätterte bis sie den richtigen Tag gefunden hatte und schaute. ,,So, dann lass uns mal schauen. Morgen früh habe ich um halb acht ...halb acht ?!- Wow, das ist schon früh für Training... also um halb acht habe ich mit Freedom Dressur bei Miss Black. Das Training geht bis viertel nach acht. Dann habe ich eine dreiviertel Stunde Zeit um Explosion fertigzumachen und Freedom wegzustellen. Um neun ist dann wieder Dressur, diesmal mit Exe und dann-", Betty schaute auf, denn Amy hatte angefangen laut zu lachen. ,,Echt jetzt? Du nennst ihn Exe? Wie cool!" und brach damit wieder in ein lautes Lachen aus. ,,Ja, sieht so aus...", Betty musste plötzlich selbst lachen. Eigentlich hörte sich das wirklich lustig an. ,,Naja jedenfalls können die beiden um zehn auf die Koppel. Ich habe dann Pause bis um zwei. Da ist dann noch so ein Einführungsseminar im Hauptgebäude. Um vier und um sechs hab ich dann freies Training auf Reitplatz S2. Ein voller Tagesplan." Tatsächlich fühlte sie sich aufeinmal sehr müde. Die Aufregung und die lange Fahrt saßen ihr noch in den Knochen und sie konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. ,,Ja, meiner sieht nicht besonders anders aus, allerdings fange ich erst um halb neun an. Vielleicht schaffe ich es noch, dir mit Freedom zuzusehen. Ich würde ihn gerne mal unter dir sehen. Aber ich glaube für heute ist es genug. Gehen wir morgen zusammen zum Frühstück ?" Amy erhob sich und hielt Betty die Hand hin. Sie nahm sie dankbar an und nickte lächelnd, während sie ihren Pferden zum Abschluss nochmal die Nüstern kraulte.
Die beiden schlossen die Tür der Scheune und liefen im Dunkeln zum Hauptgebäude. Es war schon nach einundzwanzig Uhr und trotzdem hörte man noch immer Hufgeklacker und in einer Reithalle brannte noch Licht.

Amys und Bettys Zimmer waren im selben Stockwerk und nur rund zwanzig Meter von einander entfernt. Die beiden Mädchen verabschiedeten sich und vereinbarten, sich um viertel nach sechs zum Frühstück zu treffen.
Als Betty ihre Zimmertür aufsperrte, fühlte sie eine gewisse Vorfreude in ihrem Bauch. Ihr geräumiges Zimmer enthielt einen großen Schrank für Kleidung, einen Schreibtisch, einen Sessel, zwei Regale, und, was in diesem Moment am einladentsten war: ein weiches Bett. Bevor sie ihre Sachen im Zimmer ausgebreitet und verteilt hatte, hatte es eher wie ein Hotelzimmer gewirkt. Jetzt hatte es wirklich etwas persönliches. Auf den Regalen standen Fotos von ihrer Familie und ihren Pferden. An dem Schreibtisch hatte sie eine Lichterkette angebracht und die Karte, die ihre Freunde ihr zum Abschied gemalt hatten aufgehängt. Der Kleiderschrank war voll mit Kleidung obwohl Betty nur die besten Sachen mitgenommen hatte, oder die, die ihr etwas bedeuteten. Aber allein die sieben Turnierhosen und zwölf Oberteile nahmen ihren Platz ein. Neben vier Jackets und tausenden von Reitstrümpfen, ging der größte Teil des Schranks für alltägliche Reitklamotten drauf. Unzählige Jacken und Hosen türmten sich, von den Oberteilen ganz zu schweigen. Daneben sah der Teil mit normalen Kleidern geradezu mikrig aus.
Im kleinen angenzenden Badezimmer waren auch Bettys Sachen bereits verteilt. Sie nahm noch eine Dusche und kuschelte sich wenig später unter die warme Bettdecke. Müde und erschöpft von diesem Tag, fielen ihr schon nach wenigen Minuten die Augen zu und sie schlief tief und fest.

Body Of GlassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt