Ich falle. Falle tief in den Abgrund über mir. Es vergehen nur wenige Augenblicke, doch für mich sind es Stunden der Zerrissenheit. Ich sehe dieses schwarze Loch vor mir, diesen Schlund. Innerlich will ich schreien, aber kein Wort verlässt meine Lippen. Der harte Griff des Kriegers um meine Beine wird härter. Er lässt nicht los. So endet es also. Ich sterbe als Mörderin in den Armen des Wesens was mir von jeher Angst gemacht hat. Tja, wie ironisch doch mein Leben ist. Jeden Ort der mit Sicherheit gibt zerstört es, egal wie klein er auch ist. Das erinnert mich an eine kleine Geschichte aus meiner Kindheit. Als ich Acht Sonnenzyklen alt war gab es da eine kleine Schaukel, die ich mir aus ein paar Seilen und einem alten Brett gebaut habe. Wir hatten leider keinen Baum oder so etwas ähnliches, deshalb habe ich die Schaukel mit meiner Windmagie betrieben. Saß dort den ganzen Tag auf diesem alten Brett und wippte hin und her. Das erste mal vollkommen glücklich und frei. Aber als mein Vater nach Hause kam, er arbeitete als Dorfschmied, hat er mich angeschrien, was denn gewesen wäre wenn mich jemand gesehen hätte. Er schleuderte mich in meine Kammer. Und aus meinem kleinen Fenster sah ich wie die kleine Schaukel im Garten brannte. In dieser Nacht habe ich nur geweint, so liegt das ich irgendwann keine Tränen mehr hatte. Ja, das war wohl der erste Ort der mir Sicherheit gab, und der erste der zerstört wurde. Und jetzt bin ich hier, im Freien Fall, die Umgebung um mich verschwimmt, alles dreht sich. Unter mir nähert sich ein Fluß. Ein dunkler Hoffnungsschimmer, nähert sich. Wahrscheinlich werde ich nicht sterben,aber wieso? Ich bin verabscheuungswürdig, ein Monster. Ich Kralle mich fester in die kalte Rüstung des Wächters. Ich suche Wärme, Nähe und Geborgenheit vor dem Aufprall. Kein Schrei entfährt meinen Lippen als ich aufschlage. Hart durchbreche ich die Oberfläche des Flusses. Verliere meinen Halt, verliere jeden Lebenswillen. Lasse los und sinke. Der Fluss wird kälter je tiefer ich sinke, und Wasser flutet meine Brust. Das Atmen fällt mir schwer. Bin beraubt meiner magischen Kräfte. Windmagie funktioniert hier nicht. Aber das alles ist sowieso nicht von Bedeutung dann ich wehre mich nicht. Nehme nur die kalte Umarmung des Flusses an. Alle Luft weicht aus meinem Körper und presst ihn zusammen. Wasser. Wasser ist überall, ab einem bestimmten Zeitpunkt bin ich das Wasser, spüre wie meine Lebensenergie mich verlässt und alles schwarz wird. Ich lasse los.
Das erste was ich sehe ist Licht, in der Tiefe war kein Licht, kein Funke. Ich bin geblendet, verwundert und wütend. Ich war kurz vor Gerechtigkeit, Absolution und Erlösung aber jetzt bin ich wieder zurück. Hier, wo auch immer das sein mag. Meine Finger greifen um mich. Das erste was ich spüre ist Matsch. Kalter Matsch, überall an meinem Körper. Wie eine zweite Haut schmiegt er sich an mich. Ich will schreien vor Wut. Ich lebe, weiß nicht was ich damit anfangen soll. Meine neue Chance für den Aufbau einer neuen Existenz einsetzen oder doch wieder in meinem alten Leben festsitzen. Aber das ist eine Entscheidung die ich viel später treffen werde, denn nun ist nur ein einziges Gefühl das gegen die alles verschlingende Leere in mir ankommt, der ausfüllende pure Hass. Die Sucht nach Rache verzerrt mich wie ein Feuer und lässt alle Selbstzweifel wegbrennen. Lässt mich schon fast vergessen was war. Lässt mich eintauchen in eine Welt ohne Regeln. Eine Welt in der ich nur eins bin, frei und heiß. Langsam richte ich mich auf. Betrachte meine Umgebung. Ein Fluss, eine grüne Wiese und er. Der Schatten steht vor mir, seine Purpur leuchtenden Augen mustern mich nachdenklich. Aus den kleinen Öffnungen seiner Rüstung läuft Wasser heraus, sein Anblick überwältigt mich, er wirkt wie ein finsterer Dämon mit seiner Steitaxt in der Hand und dem lila Leuchten aus seinem Helm. Fast schon furchterregend. Dann höre ich ihn. Nicht wie er spricht. Nein, er ist in meinem Kopf. Seine dunkle Stimme. "Endlich bist du wach. Habe mir schon fast Sorgen gemacht. Kleine Mörderin." Die Gelassenheit mit der er diese Worte ausspricht schockiert mich. Tränen wollen wieder aus meinen Augen rollen. Doch ich sage mir das das nicht geht. Also konzentriere ich mich auf ihn. "Wie machst du das? In meinem Kopf aufzutauchen. Bin ich jetzt komplett verrückt geworden?" "Tja, für ein Mädchen das seine beste Freundin umgebracht hat, von den Göttern erwählt wurde und von einem Felsvorsprung gesprungen ist wäre das eigentlich total normal, verrückt zu werden, aber nein, du bist nicht verrückt. Auf jedem Fall nicht in diesem Fall." "Von den Göttern erwählt? Wie meinst du das?" "Schau doch mal auf deine Schulter, für ne Mörderin bist du ganz schön unvorsichtig." "Könntest du das lassen? Und auf meiner Schulter ist nur die Verbrennung von meinem Ritual." "Was soll ich den lassen" ich höre ihn in meinem Kopf kichern. "Mich Mörderin zu nennen, ich finde das überhaupt nicht lustig." " Das sieht die kleine Erdhexe wohl anders." Diese Worte treffen mich wie ein Faustschlag. Das alles wäre vielleicht gar nicht so schlimm wenn ich sein Lachen nicht in meinem Kopf hören würde. Ich starre ihn an. Entgeistert und wütend. Ich denke nach was ich ihm daraufhin nur antworten könnte. Sowas will ich nicht auf mir sitzen lassen. Soll ich ihn bedrohen. Er soll merken das er sowas nicht mit mir machen darf. " Vielleicht werde ich ja Wiederholungstäterin, wenn du mich weiter reizt." Tja, das sollte ihn erstmal ruhig stellen, hoffe ich. Ich versuche meine innere Zerrissenheit nicht nach außen dringen zu lassen, sonder ruhig und bedrohlich auszusehen. "Du bist die wohl die armseligste Mörderin die ich je gesehen habe." Was, Wut steigt in mir auf. Ihm will ich's zeigen. Zur Bestätigung meiner Worte schleudere ich einen Blitz direkt vor seine Füße. Dann drehe ich mich um und gehe seelenruhig zum Fluss. Ich betrachte mein Spiegelbild lange und ausgiebig und werde wütend. Ich kann so nicht weitermachen. Ich brauche etwas Neues, etwas das mich neu darstellt. Fast wie ferngesteuert beschwöre ich einen Dolch herauf. Das ist eigentlich keine sonderlich schwere Formel, wir lernten sie fast als erstes, tja Verteidigung ist immer das wichtigste.Ein schlankes Exemplar mit einem blutrotem Stein auf dem Heft. Dann fallen sie, eine Strähne nach der anderen fallen. Unter mir sammeln sich die braunen Locken an. Ich trauere ihnen nicht nach, ich spreche eine weitere Formel. Ein neuerer Zauber erschaffen von den Anhängern der Liebesgöttin. Schwer fällt es mir die altelfischen Worte über die Lippen zu bringen doch anstatt aufzuhören, bringe ich sie stumm trauernd zu Ende. Langsam wird aus dem Haselnussbraun, Nachtschwarz. Ich betrachte mich eingehend. Keine Ordnung, wildes schwarzes Chaos herrscht auf meinem Kopf. Ich könnte es zähmen, doch stattdessen schüttele ich es einmal kräftig und genieße das Gefühl als die Kurzen Locken gegen meinen Hals peitschen. Im Wasser fällt mir aber noch etwas auf, dort wo vor dem Sprung noch eine Kopfwunde war, ist nur noch feiner Schorf. Ungeduldig wie ich bin kratze ich an der Schutzschicht und Blut kommt auf meine Finger. Kein rubinrotes Blut. Nein, eine hellrote Brühe gemischt mit der Kruste und anderem Zeug. Schnell stecke ich die Hände ins Wasser. Vorsichtig untersuche ich den Rest meines Körper. Keine Spur von weiteren Schnitt oder Schürfwunden. Nur noch an manchen stellen weiße Narben und gerötete Hautflecken. "Wie lange habe ich geschlafen?" Frage ich mich selbst verwirrt. "Oh, das müssten so 12 Umläufe gewesen sein" ich schreie auf als ich bemerke das er wieder hinter mir steht, vor Überraschung entgleitet das kalte Metall des Dolches meinen Händen und er fällt in den See. "Na hat sich das Kätzchen beruhigt?" Die Art wie er das ausspricht klingt fast spöttisch und das macht mich wütend. Trotzdem lächele ich kokett und ignoriere ihn, ich will das er sich verrückt macht. " Wie heißt du eigentlich?" Das ist die erste Frage die ich ihm stelle, sofort will ich die Worte wieder einfangen, wie heißt du? Also wirklich wie blöd klingt das denn. "Jaro, mein Name ist Jaro." Tönt es in meinem Kopf. "Also, Rabenkopf die neue Frisur passt zu dir" sagt er trocken in meinem Kopf. Ich richte meine ganze Aufmerksamkeit wieder auf den See. Ich betrachte meine Verbrennungswunde. Von dem feurigen Rot sehe ich nur noch zartes rosa und goldene Linien. Goldene Linien? Angst gemischt mit Freude durchflutet mich. Ich betrachte das Symbol. Eine Welle der Enttäuschung macht sich in mir breit. Kein Mond, aber auch keine Sonne. Viel eher ist es ein kompliziertes Netz aus Schnörkeln und Linien welches meine ganze Schulter ausfüllt. "Was zur Unterwelt heißt das" frage ich Jaro. "Nun, das ist ein Zeichen eines Gottes, keine Ahnung von welchem." "Wieso? Wieso ich?" Alles in meinem Körper sagt Nein. Ich kriege keine Luft mehr, ich spüre wie mein Herz immer schneller schlägt und bemerke das mir immer schwindeliger wird. Harter Schmerz durchfährt mich als mein Kopf auf dem Boden schlägt und ich fühle wie Kieselsteine gegen meinen Kopf drücken. Langsam rapple ich mich auf. Ich wische den Dreck von meinem Gesicht. Meine Gedanken kreisen einzig und allein um das grazile Netz auf meiner Schulter. Ich schaue es noch einige Zeit an, ehe ich zu Jaro sage " Wo sollen wir hin? Die Inquisition macht bestimmt Jagd auf uns." "Tja, wir werden sehen das musst hauptsächlich du wissen, wo willst du hin?" Verzweiflung macht sich in mir breit ich weiß nicht was ihr soll ich jetzt tuen. " Warten wir erstmal hier, ich muss meditieren und dann sage ich dir wo es hingeht." Ich lasse diese Worte so endgültig klingen, das Widerworte ausgeschlossen sind. Dann drehe ich mich um und gehe.
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Mondleuchten
FantasyNovizin, Hexe, Mörderin. Levana war viel in ihrem Leben, nur noch nie Retterin, Heldin oder Glückskind. Doch als eine große Bedrohung ihre Welt zerstört, muss sie sich fragen ob sie sich verändern kann, um andere Welten zu retten.