1.Kapitel

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"Pflock"
Treffer! Der Pfeil hatte den Hirsch direkt ins Herz getroffen. Dem Tier entging noch ein leises Röcheln, bevor es zusammen brach und der Körper auf dem Laubboden aufschlug. Lautlos glitt Daemon zu ihm hin und zog den Pfeil aus dem Kadaver. Er säuberte ihn an einem Farn, der direkt neben dem toten Tier aus der Erde spross. Es war seine erste gute Beute seit Monaten. Seine Familie würde begeistert sein, denn von diesem großen Fang konnten sie bestimmt eine lange Zeit leben. Seine Mutter würde endlich wieder etwas anderes kochen können als den ekelhaften Grünrinden Eintopf, den es nun schon seit Wochen jeden Tag zum Essen gab.
Unter lautem Ächzen und Stöhnen schulterte er das schwere Tier und lief los. Er betrachtete die Schönheit des Waldes, der ihn umgab. Ballach Coille wurde er von seinem Volk genannt. Es bedeutete so viel wie "Bunter Wald". Überall sprossen Pflanzen: Blütenkelche, farbenfroh und in allen möglichen Formen. Der Großteil von ihnen war giftig und führte zu einem raschen Tod. Der Rest von ihnen war ebenfalls tödlich, allerdings zog es sich hin. Man weste vor sich hin, unter starken Leiden bis man schließlich den raschen Tod beneidete.

Er wusste noch genau, wie er einmal als kleiner Junge im Wald eine dieser Blüten gepflückt hatte. Seine Mutter hatte ihn geschickt um Kräuter und Blumen für seine Schwester zu sammeln. Gia war zu dieser Zeit erst 4 und sehr schwach und kränklich. Also hatte er angeboten den weiten Weg in den Ballach Coille auf sich zu nehmen um der Schwester zu helfen. Er war tagelang auf der Suche gewesen und hatte die Pflanzen, die sie benötigte auch schließlich gefunden. Doch er fand auch diese Blume. Er pflückte sie, berauscht von ihrer Schönheit. Auf dem Rückweg legte er eine Pause ein und legte sich nahe einer Höhle aus der ein Bach floss hin, um zu schlafen, während er die Pflanzen neben sich legte. Als er wenige Stunden später wieder aufwachte blickte er in die Augen eines Wildschweins. Zu Tode erschreckt sprang er auf und zückte sein Messer. Doch das Wildschwein bewegte sich nicht, es atmete auch nicht mehr. Verwundert betrachtete er den Rest der Kräuter, die dem toten Tier aus dem weit aufgerissenen Schlund hingen. Die Kräuter waren in Rot getränkt. Zu den Füßen des Wildtiers lag die Blume in einer roten Pfütze. Schlagartig wurde es ihm klar: Sie hatte ihren giftigen, blutroten Saft auf den Kräutern verteilt, welche dem Wildschwein zum Verhängnis geworden waren. Schlimmer noch: Hätter er keine Pause eingelegt, sondern hätte er sich direkt auf den Weg ins Dorf gemacht wäre es nun nicht das Wildschwein, welches ihn aus toten Augen anstarrte. Es wäre Gia gewesen und er wäre schuld an ihrem Tod gewesen.

In Gedanken versunken ging er weiter und schmunzelte. Heute war Gia bei weitem nicht mehr das unschuldige, kleine, kränkliche Kind. Nein, Gia war das hübscheste Mädchen im Dorf und verdrehte den Jungs die Köpfe.
Nach diesem Vorfall hatte er niemals mehr ansatzweise eine der Pflanzen berührt.

Nach weiteren 2h Wandern trat er aus dem Wald und sah sie. Die weiße Mauer erstreckte sich weit bis in den Himmel. Er fand, dass sie auf grausame Weise schön war. Nirgends in den Gormen gab es eine solche Makellosigkeit. Die Mauer war einfach nur Weiß. Keine andere Farbe. Immer wieder hatte er sich gefragt, was wohl hinter der Mauer liegen würde. Eines Abends hatte er den Ältesten des Dorfes darauf angesprochen. "Hinter der Mauer leben die Aeonen, mein Sohn" hatte ihm der Greis erzählt. "Was sind Aeonen?" - "Grausame Geschöpfe mit unheimlichen Kräften. Ihr oberstes Gebot ist das Verbieten von Gefühlen. Liebe, Freundschaft...diese Dinge gibt es nicht im Leben eines Aeon. Schon früh werden die Kinder auf brutale Weise geschult. Sie werden zu brutalen Kriegern aufgezogen die nicht fühlen, sondern berechnen. Ich sage dir Kleiner, wenn die Aeonen jemals den Einfall haben werden uns anzugreifen werden wir keine Chance haben. Leider stimmt es mich etwas traurig, dass die einzige Chance einen Aeon zu sehen höchstwahrscheinlich meinen nahen Tod bedeutet."

Seitdem hatte Daemon immer wieder davon geträumt einem Aeon zu begnegen. Er war wie besessen von ihnen. Immer wieder stand er dort, so er im Momenr auch stand und betrachtete die Mauer. Niemals hatte er gedacht, dass ihn seien Besessenheit so weit treiben würde.
Er ging zu der geheimen Stelle im Schutz eines Riesenfarns. Er legte den Hirsch ab und entfernte den Dreck und das Laub welches er über der Eingangsklappe verteilt hatte. Ein letztes Mal blickte er um sich, dann öffnete er sie und sprang in das gähnende, schwarze Loch, was unter ihm gähnte.

Aeon - BreakoutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt