Kennenlernen

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  • Gewidmet Meiner Mutter
                                    

Mia war unterdessen zu Hause angekommen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals als sie die Tür zur Wohnung aufschloss in der sie mit André lebte. Sie wusste dass sie ihm einiges erklären musste, schliesslich war sie mehrere Tage verschwunden ohne eine Nachricht oder ein Lebenszeichen zu geben. Sie trat leise ein. "Schatz? Mia? Bist du das?" André kam mit schnellen Schritten aus der Küche, er sah übernächtigt aus. Als er sie erblickte liefen ihm Tränen übers Gesicht. Er schloss sie sofort in seine Arme und flüsterte ihr unentwegt ins Ohr wie glücklich er war dass sie wieder da war. Mia löste sich ein wenig aus der Umarmung, sie bekam fast keine Luft mehr. Auch sie weinte, schluchzte regelrecht. Sie merkte erst jetzt, wie sehr sie seine Nähe vermisst hatte. "André, es tut mir so leid... Ich erzähle dir alles, sofort. Ich hatte mein Handy unterwegs verloren, deshalb konnte ich mich nicht melden." "Schon gut, meine Liebe, mein Engel, ich bin im Moment einfach nur erleichtert dass du wohlauf und hier bist. Komm setzen wir uns, Kaffee?"

Mia war ebenfalls erleichtert. Sie hatte immer gewusst dass André ein toller, verständnisvoller Mann war. Anders als andere Männer war er nicht krankhaft eifersüchtig, kontrollierte sie nicht und hörte ihr immer aufmerksam zu. Er bildete sich stets seine eigene Meinung. Von Dingen über die er nichts wusste, informierte er sich zuerst eingehend bevor er sich dazu äusserte. Ja, er ist ein echter Traummann, dachte Mia, betrachtete dabei sein ebenmässiges, hübsches Gesicht. Sie war so verliebt wie am ersten Tag.. "Mia, bitte, ich bin echt gespannt was passiert ist. Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Niemand wusste wo du warst. Die Polizei fand dich nicht, zum Glück auch keine Leiche..."

"Ich möchte zuerst dass du mir versprichst, egal was ich erzähle, glaube mir bitte. Und verurteile mich nicht, ich wollte es wäre anders..." André nickte, obwohl ihm unwohl wurde, beim Gedanken daran was wohl passiert war. "Nun gut, ich war im Wald spazieren so wie ich das öfters mache. Ich ging immer weiter, wie von etwas geleitet. Plötzlich stand ich im Wald, keine Ahnung mehr wo..." Mia erzählte ihm die Geschichte bis zum Treffen mit Gobler, bevor sie wieder zu Sakrina wurde änderte sie die Story leicht. Er würde es nicht verstehen. Sie war nicht mal sicher ob er das verstanden hatte was sie ihm bis jetzt erzählt hatte.. Sie begann von ihrer Rückkehr zu berichten und erzählte dass sie tatsächlich ihren Bruder traf. "Bruder? Mia, du hast nie etwas von ihm erzählt! Wieso wusste ich nicht dass es ihn gibt?" André war sauer. Klar, sie hatten nie "wirklich" Geheimnisse voreinander. Mia versuchte ihn zu beruhigen; "Schatz, ich hab nicht gewusst dass er noch lebt! Er war schon lange verschwunden. Mit 17 ging er nach Asien, seit dem gab es keine Lebenszeichen mehr von ihm! Er war wie vom Erdboden verschluckt. Ich hab nun herausgefunden dass er sein Name änderte, durch eine Adoption von der Familie Raptore. Ich wusste nichts! Der Schmerz über seinen Verlust war zu gross als dass ich darüber hätte sprechen können. Ich vergass ihn einfach, so war es erträglich.."

André und Mia sprachen noch lange über die vergangenen Tage. Mia erfuhr dass er sie Krank gemeldet hatte bei der Arbeit, dafür war sie ihm unglaublich dankbar. Sie hatte nicht gewusst was sie dort erzählen hätte sollen. Auch ihre "Eltern" wimmelte er so ab. Er wollte nicht dass sie sich sorgten. Bei der Polizei bat er um Stillschweigen, nur den engeren Bekannten sagte er die Wahrheit. Schliesslich hoffte er es wisse jemand über den Verbleib von Mia. Sie umarmte ihn innig, war froh, wie umsichtig er gehandelt hatte. Innerlich war sie betrübt ihm nicht die ganze Wahrheit offenbaren zu können, er wäre der Erste in der ganzen Zeit, dem sie alles anvertrauen würde. Sie liebte ihn, aufrichtig, mehr als sie je zugegeben hätte. Als Mia, aber auch als Sakrina, ihr Herz gehörte ihm.

Mia fragte sich wie es wohl ihrem Bruder unterdessen ergangen war. Sie hoffte dass er sich zurechtfand in dem neuen Körper und dem Leben dass damit zusammenhing. Am nächsten Morgen machte sie sich auf den Weg zum Hotel indem sie Henry untergebracht hatte. André hatte sie nur ungern alleine gehen lassen, aber sie musste ihren Bruder zuerst alleine sehen. Sie versprach ihm, ihren Bruder mitzubringen damit sie sich kennenlernen konnten. Ihr war noch nicht sehr wohl dabei ihren Bruder jetzt schon mit anderen Menschen zu konfrontieren die ein Interesse daran hatten seine Vergangenheit unter die Lupe zu nehmen. Mia hatte keine andere Möglichkeit, das wusste sie. André würde nicht lockerlassen bis er ihren ominösen Bruder gesehen hatte. Seufzend öffnete sie die Tür zum Hotel und fragte bei der Reception nach dem Zimmer.

Henry wartete unterdessen ungeduldig auf seine Schwester. Sie hatte doch versprochen sich so schnell wie möglich um ihn zu kümmern. Er war mittlerweile fertig mit der Erkundung seines Zimmers. Der Kühlschrank und der Fernseher hatten es ihm besonders angetan. Dass es ein Schrank gab der im Innern gekühlt war, faszinierte ihn. Und der Fernseher! Er brauchte einige Zeit um herauszufinden wie der Kasten funktionierte, war dann aber begeistert Bilder zu sehen von der Welt. Der ganzen Welt! Er war aber auch erschüttert, wieviel Krieg es gab. Scheinbar hatten die Menschen nichts besseres zu tun als sich gegenseitig das Leben zur Hölle zu machen. Er sah Waffen die ganze Städte zerstörten, bisher glaubte er nur die Natur wäre dazu fähig... Ihm wurde bewusst dass er sich zu wenig um den Fortschritt der Welt gekümmert hatte, Mia sich wohl zuviel...

Es klopfte. Henry öffnete, und schloss seine Schwester in die Arme. Sie weinte. Er hielt sie eine Weile fest, löste sich dann aus der Umarmung und sah Mia fest an. "Schwester, was ist denn passiert?" Sie antwortete nicht sofort. "Henry, ich hab viele Fehler gemacht. Mehr als ich dachte. Mein Leben als Mia ist so real. Ich liebe André mehr als ich je zugeben wollte. Für ihn würde ich alles, wirklich ALLES aufgeben, nur um immer bei ihm zu sein..." Henry sah seine Schwester an, liebevoll und voller Verständnis für ihre Situation. Er wusste das schon länger als sie glaubte. Ihre Aura hatte sich derart verändert dass er es im ersten Moment spürte als sie sich vereint hatten. "Mia, Sakrina, liebste Schwester, du darfst lieben. Es ist dir gegeben zu lieben, geniesse es. Aber nun will ich endlich aus diesem Zimmer und gern den Mann kennenlernen den du so liebst." Sie verliessen das Hotel und gingen zu Mia's Wohnung wo André gespannt wartete.

Zum Erstaunen von Mia verstanden sich die Zwei auf Anhieb. Sie lachten und scherzten miteinander als wären sie alte Kumpels die sich lange nicht gesehen hatten. Erleichtert über diese Entwicklung zog sie sich etwas zurück und brütete darüber wie sie die Menschen ins Licht führen konnte. Mutter hatte es gewünscht, sie musste eine Lösung finden, hatte aber keine Ahnung wie sie das tun sollte. Henry stand plötzlich neben ihr. "Schwesterchen, denk doch nicht so viel. Dein hübscher Kopf hält das bestimmt nicht lange aus..." Er zwinkerte ihr zu, zog sie an der Hand wieder Richtung Balkon. André wartete dort auf sie, Kerzen brannten auf dem Tisch. Sie bemerkte nicht wie Henry sich aus dem Staub machte, sah nur ihre Liebe. Mutter erschien in ihr und lächelte sie an; "Liebste Tochter, geh, liebe und führe das Licht das in dir wachsen wird. Es ist Zeit dich gehen zu lassen. Ich liebe dich und vertraue dir." André stand ganz nah vor ihr, küsste sie. In dem Moment vereinten Sakrina und Mia sich und wurden eins. Es gab nur noch Mia.

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