Kapitel 2

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Als wir an der Bushaltestelle ankamen, hatte es zu nieseln begonnen. Und aus dem Nieselregen, war bald ein richtiger Regen geworden. Adam hatte seine Kapuze aufgesetzt und starrte nun das Gras zwischen den verdreckten Pflastersteinen an. Meine Jacke besaß keine Kapuze, was die Regentropfen also ungehindert meine Haare durchnässen ließ.

Bald schon lief mehr Wasser aus meinen glatt herab hängenden Haaren hinaus, als aus den Wolken.

Aber Adam machte keine Anstalten mir zu helfen. Er war komplett in sich vertieft. Ich wusste nicht, was an den Grashalmen so neu war, dass er es die ganze Zeit anstarren musste. Aber ich ließ ihn in Ruhe und beschäftigte mich weiter mit mir.

Ich spürte die Tropfen auf meinem Kopf, die Rinnsale an meinem Rücken und die Bäche in meinen Schuhen. Ich spürte alles. Außer Adam.

Der Bus kam und die Türen öffneten sich. Adam ergriff meine Hand und zog mich nach drinnen. Das Innere des Busses war stickig und es roch ein wenig nach Erbrochenem. Es war leer. Außer einem alten Ehepaar in der ersten Reihe, saß niemand sonst in diesem stinkendem, fahrendem Etwas.

Adam zog mich in die letzte Reihe. Er setzte sich ans Fenster und zog mich neben sich. Ich saß auf der Ritze zwischen unseren beiden Stühlen, an ihn angelehnt. Ich war ihm heute zum ersten Mal so nah. Er legte seinen Arm um mich und hüllte mich in seinen Duft. Er roch nach Kaffee und Zigaretten. So wie immer. Ich wollte schon immer wissen, wonach ich roch, aber das wusste wohl nur er. Genauso, wie er nicht wusste, wonach er selbst roch.

Wir mussten nicht lange fahren, bis zu Adams Wohnung. Sie lag nahe der Uni und ich fragte mich jeden Tag, warum wir überhaupt mit dem Bus fuhren. Sie war klein und lag ganz oben in einem alten, baufälligem Haus. Die Treppen knarzten bei jedem Schritt. Manchmal dachte man, es sei eine Katze, die gerade sterben würde.

Wir stiegen aus dem Bus aus. Es regnete noch immer, aber die Haltestelle war direkt vor der Haustür. Wir rannten schnell durch den Regen, ehe Adam die Haustür aufschloss. Diese gab beim Aufschwingen ein schmatzendes Geräusch von sich.

Im Flur fand man in jeder Ecke Schimmel. Er zog sich in den verschiedensten Grüntönen in allen Formen und Mustern über die alten Wände. Man konnte die verschiedensten Dinge erkennen. Am Liebsten war mir das verschrumpelte Herz, das im dritten Stockwerk über der Klingel von dem Punker klebte, der jeden Morgen auf seinem Balkon stand. Zu Anfang hatte ich gedacht, er wäre einer von den Menschen, die morgens frische Luft bräuchten. Aber Adam hatte mir gezeigt, dass wenn man aus dem richtigen Winkel auf die Wiese unter den Balkonen schaute, man der hübschen Buddhistin beim Yoga zusehen konnte. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, woher Adam das wusste.

Seine Wohnung war im siebten Stock. Ganz oben. Und wir waren gerade mal im dritten, vor der Tür des Punkers mit dem Schimmelherz.

Wir erklommen auch die Treppen bis zum fünften Stock. Hier ging Adam jedes Mal ein bisschen langsamer, um sein liebstes Kunstwerk zu begutachten. Bis hier oben war der Schimmel noch nicht gekommen, daher hatten wir eines Tagen betrunken beschlossen, den Flur selbst ein wenig zu verzieren. Daher befanden sich jetzt im fünften Stock, zwischen Wohnung 5.04 und 5.05 kleine Schriftzüge und Skizzen aus Edding. Es störte niemanden, der hier wohnte, daher hatten Adam und ich keine Beschwerden bekommen. Obwohl es offensichtlich war, von wem diese Kritzeleien stammten.

Adam liebte am meisten das schiefe Herz in dem Unsere Initialien standen. A und M. Er hatte es damals selbst gemalt und hatte mich direkt darauf geküsst.

Denn er liebte mich auch. Heimlich, und wenn keiner hin sah.

Adam und Mae - Und die unüberwindbaren Probleme ihres LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt