Kapitel 6

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Adam sah mich lange an. Er schaute lange in mein Gesicht, in meine Augen, auf meine Lippen. Er musterte jedes Detail, um sicher zu gehen, dass ich auch wirklich da war, dass das, was ich gesagt hatte auch tatsächlich Wirklichkeit war und keine Einbildung. Er musterte auch meinen Bauch.

“Wie lange?“ Seine Stimme war schwach, fast tot.

“Hm?“

“Wie lange bist du schon schwanger?“ seine Stimme wurde energischer.

“Ich weiß nicht. Zwei, vielleicht drei Wochen. Aber ist das wichtig?“ Ich fühlte mich klein, dumm und naiv. Und schwanger. Ich wollte heulen und gleichzeitig freute ich mich, es endlich laut gesagt zu haben.

Adam schob mich von seinem Schoß. Er stapfte in den Flur und ich konnte hören, wie er sich seine Zigaretten und die Schlüssel von der alten Kommode schnappte und die Haustür hinter sich zuzog. Aber ich konnte nicht hören, dass er die Treppen hinunter lief.

Das hieß er lief nicht vor seinen Problemen weg, sondern schob sie nur auf.

Ich wollte ihm hinterher rennen. Wollte zu ihm und mit ihm reden. Aber meine Beine bewegten sich nicht. So wie immer. Noch nie hatte ich meine Beine bewegen können, wenn es wichtig war. Ich stand wie festbetoniert, mitten in der Küche mit der tickenden Uhr, die mich immer zur Weißglut getrieben hatte.

Ich tat genau das, was ich mir vorher fest vorgenommen hatte nicht zu tun. Und ich schämte mich dafür. Ich schämte mich für meine Feigheit. Für die Feigheit, Adam allein zu lassen, für die Feigheit, nicht mit ihm zu reden und für die Feigheit, mich in der schmutzigen und sicheren Küche zu verkriechen.

Ich hatte zugelassen, dass wir unser Leben ruinierten. Ich hätte abtreiben können. Dann hätte Adam nie etwas davon erfahren müssen. Ich hätte ihn verlassen können, dann hätte er sein Leben weiterleben können. Ich hätte es tun können. Adam tat nach außen hin immer stark, aber wir beide wussten, dass es jetzt für eine Abtreibung zu spät war. Nicht aus rechtlichen Gründen, sondern wegen Adam. Er war nicht stark genug, um sein eigenes Kind zu töten. Das würde ihn zerstören.

Wir zwei saßen jetzt tief in der Scheiße. Und ich egozentrische Kuh hatte ihn mit hinein gezogen. Aber er könnte mir immer noch sagen, dass er nichts mit dem Kind zu tun haben will.

Ich sehnte mich so sehr danach endlich meinen Gefühlen freien Lauf lassen zu können. Ich sehnte mich so sehr nach Tränen. Und nach Adam.

Die paar Minuten, die Adam weg war, kamen mir vor wie tausend Minuten, Stunden oder Jahre. Ich verlor jegliches Zeitgefühl.

Und als ich endlich den Schlüssel im Schloss hörte, verspürte ich keinerlei Erleichterung. Es war nackte Angst. Von den nächsten paar Augenblicken hing meine Zukunft und die des Kindes ab.

Ich hörte seine Schritte im Flur. Hörte, wie er die Zigarettenpackung und die Schlüssel ablegte. Ich bildete mir sogar ein, zu hören, wie die Staubkörner von der Kommode aufwirbelten und in der Luft tanzten.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals und meine Brust bebte. Ich glaubte sogar, die Angst des stecknadelkopfgroßen Etwas in mir zu spüren.

Adam betrat die Küche mit schnellen Schritten. Er blieb nicht stehen, ging direkt auf mich zu und nahm mich in seine Arme, um mich zu küssen. Der Kuss war intensiv und sofort verflüchtigten sich alle Ängste, er würde gehen. Er würde bleiben. Für mich und für das Kind. Für uns.

“Mae, niemals werde ich gehen. Niemas. Wir schaffen das. Zusammen.“

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Adam und Mae - Und die unüberwindbaren Probleme ihres LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt