4. Kapitel

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„Captain?" Die Stimme kam dumpf aus der Dunkelheit und hallte schmerzhaft in seinem Kopf wieder.
„Captain, können Sie mich hören?" Die Stimme wurde langsam klarer, kam Jake Freeman aber keineswegs bekannt vor.
Er fing an andere Stimmen wahrzunehmen, die hektisch im Hintergrund diskutierten. Jake versuchte die Augen aufzuschlagen, was ihm auch gelang, aber er sah immer noch nichts weiter als Dunkelheit.
„Captain Freeman?"
Plötzlich wurde er von einem gleißend hellen Licht geblendet.
Er blinzelte. Langsam wurde sein Blickfeld scharf.
Ein Mann mit schwarzen Haaren und perfekt symmetrischen Gesicht schaute mit in Falten gelegte Stirn auf ihn herunter.
Jake schreckte auf, als er in das ihm unbekannte Gesicht schaute, wobei er beinahe mit diesem zusammenstieß.
Sofort schoss ihm ein stechender Schmerz in den Kopf. Er stöhnte auf und ließ sich zurück auf die Liege fallen.
„Wer sind Sie?", presste er hervor.
Der Mann verdrehte die Augen. „Ich bin das Medizinisch Holographische Notfallprogramm."
„Hatten Sie gestern nicht noch blonde Haare, als wir sie aktiviert hatten?" Jake runzelte verwirrt die Stirn und vergaß für einen Moment die Kopfschmerzen.
„Sie haben mich gestern nicht aktiviert."
„Aber-"
„Das war das andere MHN."
„Wir haben zwei MHN?" Er versuchte sich erneut aufzurichten, das MHN hielt ihn jedoch auf.
„Sie haben eine Gehirnerschütterung und müssen liegen bleiben."
„Einen Teufel werde ich tun. Ich bin der Captain und Sie werden mich hier garantiert nicht festhalten!" Der Captain schob das Hologramm beiseite und richtete sich auf.
„Natürlich! Warum auf mich hören? Ich habe ja nur die gesamte medizinische Datenbank intus!", schimpfte das MHN, hielt ihn jedoch nicht weiter auf.

Nachdem Jake zunächst den Gang entlang geschwankt war, konnte er wieder einigermaßen normal und gerade laufen, als er auf der Brücke ankam.
Fähnrich Wayne und der Pilot waren verschwunden und durch andere Sloboda ersetzt worden.
„Bericht." Er war froh, als sich endlich in seinem Sessel niederlassen konnte.
„Wir haben Hüllenbrüche auf den Decks dreizehn und siebzehn, die wir aber mit Kraftfeldern schützen konnten. Außerdem mehrere Verletzte und achtzehn Tote bisher. Der zweite Warpkern, die Waffen, die Traktorstrahlen und alle Transporter sind offline. Die Deflektorschlüssel hat nur wenig abbekommen und wird gerade repariert. Schilde liegen bei 81 %. Lebenserhaltung ist fast vollfunktionsfähig", ratterte der eine von ihnen herunter.
„Sind wir imstande das alles zu reparieren?"
„Bedaure das sagen zu müssen, Captain, aber uns fehlen einige Ersatzteil von denen wir nur ein Bruchteil replizieren können", war die Antwort.
Jake Freeman fluchte innerlich. Das Schiff war gerade neu und schon hatten sie einige Crewmitglieder verloren und es beschädigt.
„Wo befinden wir uns?", fragte er.
„Einen Moment."
„Sie wissen es nicht? Warum haben sie nicht gleich danach gesehen?"
„Wir waren mit den Reparaturen beschäftigt, Captain, und-" Der Mann stockte.
„Was ist los?", wollte Captain Freeman wissen.
„Irgendetwas scheint mit der Sensorenanzeige nicht zu stimmen. Sie liefert mir Werte die unmöglich stimmen können.", antwortete der Crewman.
Jake stand auf und ging zu dessen Konsole. „Wie meinen Sie das?"
„Ich lasse ein Diagnoseprogramm darüber laufen."
Jake war mit dieser „Antwort" nicht zufrieden und war kurz davor etwas Aufbrausend zu sagen, als er die Werte sah. Entsetzt starrte er sie an. Es schien tatsächlich etwas mit den Sensoren nicht zu stimmen.
„Diagnoseprogramm abgeschlossen. Es wurden keine Probleme gefunden."
Die Werte hatten sich noch immer nicht geändert.
„Heißt das, dass wir...", murmelte der Captain fassungslos.
„Ganz recht, Captain. Laut diesen Werten befinden wir uns in einer anderen Galaxie. Weit entfernt von der Milchstraße und dem Alphaquadranten."

„Wie ist das möglich?", stammelte Victoria Bennett.
„Die einzig logische Erklärung, die mir im Moment einfällt ist, dass die Sensoren beschädigt sind. Aber laut dem Diagnoseprogramm ist das nicht der Fall. Allerdings... Vielleicht hat uns diese Anomalie hierher transportiert", mutmaßte Lieutenant Chase.
„Das scheint mir im Moment das Wahrscheinlichste." Captain Bennett versuchte ihre Panik nicht zum Ausdruck zu bringen und damit ihre Crew noch weiter zu beunruhigen. „Suchen Sie die Umgebung mit den Weitstreckensensoren ab. Vielleicht sind noch andere Föderationsschiffe hier gelandet, die uns helfen könnten."
Aiden Chase nickte und fing an auf der Konsole herumzutippen.
Victoria wandte sich zu Lieutenant Dawson, die von der Krankenstation zurückgekehrt war und ihre Arbeit an der Taktikstation fortgesetzt hatte. „Sie informieren die anderen über unsere Lage und versuchen mit dem Maschinenraum eine Lösung für einen geringeren Energieverbrauch zu finden. Versuchen Sie ebenfalls Leute zu finden, die die Lebenserhaltung soweit wieder voll funktionsfähig machen können. Vergessen Sie nicht: Sie sind jetzt mein erster Offizier."
Scarlett Dawson schien im ersten Moment etwas überfordert, fasste sich jedoch wieder und verließ eilig die Brücke.
„Die Sensoren haben ein anderes Schiff erfasst.", meldete sich Chase zu Wort.
„Geht das etwas genauer?!" Victoria zuckte ebenfalls bei ihrem gereizten Ton zusammen. Sie versuchte ihre Anspannung zu unterdrücken.
„Es ist... Moment mal... Was?! Laut Anzeige scheint es die U.S.S. Hemlis zu sein, Ma'am." Verwirrt runzelte Aiden Chase die Stirn.
„Da wir jetzt wissen, dass die Sensoren einwandfrei funktionieren, nehme ich mal an, dass das stimmt. Nachdem wir uns jetzt hier befinden wundert mich ehrlich gesagt gar nichts mehr. Vielleicht haben sie sogar etwas damit zu tun, dass wir uns hier befinden und das war gar keine natürliche Anomalie." Victoria seufzte.
„Oder sie sind auf denselben Weg hierhergekommen wie wir."
„Öffnen Sie einen Kanal", forderte Captain Bennett Lieutenant Chase auf.
„Bei allem Respekt, Captain, aber wollten sie nicht Energie sparen?", entgegnete dieser jedoch.
„Haben Sie noch andere Schiffe erfasst, Lieutenant?"
„Nun... Nein."
„Dann ist das vielleicht unsere einzige Rettung. Sollte wir die Lebenserhaltungssysteme nicht reparieren können, dann wird uns schon bald die Luft ausgehen."
„Sie haben Recht. Kanal ist offen."
„Hier ist Captain Victoria Bennett vom Föderationsraumschiff Argentum. Benötigen Sie Hilfe?"
Verwirrt und fragend schaute Lieutenant Chase sie bei der letzten Frage an, aber Victoria schüttelte nur mit dem Kopf.
„Sie antworten."
„Auf den Schirm." Captain Bennett lief zur Mitte der Brücke.
Vor ihr auf dem Bildschirm erschien ein kräftig gebauter Mann mit schwarzen Haaren. Sein Gesicht war mit Ruß verdreckt und seine Haare standen in alle Richtungen von seinem Kopf ab. Mürrisch musterte er Victoria mit intensiven grünen Augen.
„Nein, danke, Sternenflotte." Er spuckte dieses Wort aus wie eine Beleidigung.
„Sind Sie sicher? Wir haben mit den Sensoren große Schäden an Ihrem Schiff festgestellt." Victoria fühlte einen weiteren verwirrten Blick von Chase in ihrem Rücken. Aber sie hatte noch einen schnellen Blick auf die Sensorenanzeige werfen können und gesehen, dass der Schaden an der U.S.S. Hemlis zwar nicht so groß wie der an der U.S.S. Argentum war, aber dennoch beträchtlich. Es schienen einige Ersatzteile zu fehlen, die nicht replizieren werden konnten. Ersatzteile, die sie besaßen.
Auch wenn es ihr widerstrebte diesem Mann jegliche „Hilfe" anzubieten, schien es ihr der einzige Weg aus ihrer misslichen Lage. Er hatte eine solch negative Ausstrahlung, dass es beim seinem bloßen Anblick in ihr anfing zu brodeln. Und das sah ihr überhaupt nicht ähnlich.
Desto mehr sie über ihre Idee nachdachte, desto weniger gefiel sie ihr.
„Ich denke, dass Sie eher Hilfe benötigen als wir." Ungeduldig wippte er auf und ab. „Sonst noch was?"
„Wer sind Sie?" In Victoria Bennett keimte ein Verdacht, den sie jedoch erst bestätigt haben wollte.
„Einer der Sloboda. Blöde Frage. Oder dachten Sie, dass sich das MHN aktiviert und das Schiff zurückerobert hat?"
Sie überging die Stichelei.
„Ihren Namen."
„Der geht Sie gar nichts an. Lassen Sie uns in Ruhe."
„Soweit ich das sehe, benötigen Sie einige Ersatzteile, die Sie nicht replizieren können und die gibt es nur auf unserem Schiff." Ihr kam eine neue Idee, die ihr noch weniger gefiel. Jedenfalls solange die Sloboda geschweige denn dieser unsympathische Kerl etwas damit zu tun hatten.
„Soweit ich das sehe, haben Sie zu wenig Energie, um die Lebenserhaltungssysteme zu versorgen. Für uns heißt das also warten und dann können wir uns an ihrem Schrottschiff bedienen wie es uns beliebt. Wie Sie merken ist die Kooperation mit Ihnen also völlig unnötig." Das Gesicht des Mannes verzog sich zu einem überlegenen Grinsen und die Transmission brach ab.
„Lieutenant, sind ihre Transporter einsatzbereit?"
„Negativ", antwortete Aiden Chase nach wenigen Sekunden.
„Rufen Sie sie erneut."
„Keine Antwort."
„Dann schicken wir Ihnen doch eine Übertragung, die ihnen zeigen wird, dass sich die Kooperation mit uns sehr wohl lohnt." Victoria grinste unwillkürlich, denn Sie freute sich schon auf die Reaktion des offensichtlich neuen Captains der U.S.S. Hemlis.
„Aufnahme läuft."
„Ich sehe das anders, Captain. Wie Sie sich sicherlich eingestehen müssen, haben Sie nicht bedacht, dass wir ganz einfach die Selbstzerstörung initiieren können, was uns das Protokoll ja auch vorschreibt. Sie haben die Wahl: Kooperation oder der Zerstörung ihrer benötigten Ersatzteile." Sie versuchte möglichst nebensächlich hinzuzufügen: „Wir haben da übrigens jemanden, der Sie interessieren könnte an Bord. Oh, aber sie haben ja keine funktionierenden Transporter... Dann können Sie ja sowieso nicht verhindern, dass diese Person mit uns sterben werden wird." Sie nickte Lieutenant Chase zu, als Zeichen die Übertragung zu beenden.
Es dauerte nicht mal fünf Sekunden bis Chase sagte: „Sie antworten."
„Auf den Schirm", lächelte Victoria.
Der Schwarzhaarige erschien mit einem wütenden Blick auf dem Bildschirm. Bei genauerem Hinsehen erkannt man jedoch auch Sorge und Nervosität in seinen Augen.
„Wen meinen Sie?" Seine Stimme war rau, was ihn zu stören schien, denn er räusperte sich verlegen.
„Ich denke, das wissen Sie."
„Hmpf."
„Es ist ganz Ihre Entscheidung. Wir könnten sie mit uns zusammen auf ihr Schiff beamen und zusammenarbeiten oder sie wird hierbleiben, bis sie entweder erstickt oder in die Luft gesprengt wird. Oder überlassen Sie ihre Leute immer dem Schicksal?"
„Na schön. Beamen Sie sich zusammen mit ihr und den Ersatzteilen in die Frachträume auf den Decks neun und achtzehn." Dem Mann schien die Zusammenarbeit genauso wenig zu gefallen wie Victoria.
„Woher soll ich wissen, ob wir Ihnen vertrauen können? Vielleicht legen Sie uns ja herein und beamen uns, sobald sie die Ersatzteile haben, zurück auf unser Schiff und lassen uns sterben?", warf sie ein.
„Da müssen Sie uns wohl vertrauen." Er grinste hämisch.
Einen Sloboda vertrauen. Alles nur nicht das, dachte Captain Bennett.
„Ich plädiere auf einen Deal", schlug sie vor. „Wir beamen uns mit den Ersatzteilen für den Transporter in ihre Frachträume, nachdem ich die Selbstzerstörung aktiviert habe."
Er wollte protestieren, doch sie winkte ab.
„Ich nehme einen Transmitter mit, mit dem ich die Selbstzerstörung deaktivieren kann. Nur ich kenne den Code, der dafür nötig ist. Ich werde die Selbstzerstörung aber nur deaktivieren, wenn ich sicher gegangen bin, dass sie uns nicht hintergehen. Dann können Sie ihre Transporter reparieren und die restlichen Ersatzteile hinüberbeamen. Sobald ich merke, dass sie uns nur ausnutzen, kann ich die Selbstzerstörung mit einem einzigen Knopfdruck reaktivieren. Verstanden?"
Der Captain blickte grimmig drein, nickte jedoch zögerlich.
„Bis gleich."
Lieutenant Chase beendete die Transmission.
Victoria aktivierte ihren Kommunikator. „Captain an alle. Bitte finden Sie sich umgehend in den Frachträumen ein. Alle, denen es möglich ist, helfen die Verletzten und die Toten mit dorthin zu tragen. Fähnrich Smith, bleiben Sie bitte im Transporterraum. Ich bin gleich bei Ihnen."
Während dieser Ansage hatte sie sich gefolgt von Chase in den Turbolift begeben und war bereits in dem Gang, der zum Transporterraum führte.
„Fähnrich Smith, haben wir genug Energie, um die gesamte Crew und ein paar Ersatzteile auf die U.S.S. Hemlis zu beamen?", fragte Victoria Bennett.
„Nur wenn wir alle anderen Systeme abschalten, auch die Lebenserhaltung, Captain", antwortete sie.
„Die benötigen wir dann sowieso nicht mehr und der Sauerstoff wird für diese kurze Zeit reichen. Bereiten Sie alles dafür vor." Victoria betätigte erneut ihren Kommunikator.
„Captain an alle. Bereiten Sie sich auf den Transport auf die U.S.S. Hemlis vor. Ich weiß, die Sloboda sind eigentlich unsere Feinde, aber aufgrund unserer Lage bleibt uns leider nichts anderes übrig. Benutzen Sie ihre Waffen nur als Verteidigung. Und ich meine wirklich Verteidigung. Wir sehen uns auf der anderen Seite."
„Alles ist bereit, Captain", sagte Fähnrich Smith.
„Begeben Sie sich in den Frachtraum, Fähnrich. Ich mache das hier und komme gleich nach."
„Aber, Captain..."
„Der Captain verlässt als Letztes sein sinkendes Schiff", lächelte Victoria.
Der Fähnrich verließ schweigend den Transporterraum. Nachdem die Sensoren dessen Anwesenheit im Frachtraum bestätigt hatten, beamte Victoria erst die Crew und dann die Ersatzteile in de Frachträume der U.S.S. Hemlis.
„Warnung! Lebenserhaltung ist offline", verkündete der Computer.
Victoria lief schnell noch einmal ins Quartier und holte den Transmitter und einen Speicherkristall. Kaum war sie wieder im Transporterraum angelangt, glaubte sie, dass ihr langsam die Luft ausging, wobei sie nicht sicher war, ob das Ganze nicht vielleicht nur Einbildung war.
Schnell gab sie den Befehl ein, der sie auf das andere Raumschiff beamen sollte, nachdem sie die Selbstzerstörung aktiviert hatte.
Sie spürte ein Kribbeln am ganzen Körper und ein Ziehen in der Magengegend, bis sie sich einen Wimpernschlag später auf der U.S.S. Hemlis materialisierte.
Nur kurz sah sie einige Personen, ehe sie einen stechenden Schmerz spürte und alles um sie herum schwarz wurde. Ihr blieb nicht einmal Zeit, um in Gedanken zu fluchen.

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