Bitch und so

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Kaum hatten wir die Mädchen-umkleide betreten, wandte sich Jessica mit einem zornigem Blick zu mir: "Hab ich dir gesagt oder hab ich dir gesagt dass du dich nicht mit Morgan Masters anlegen sollst?!"
Ouh.
"Du hast's mir gesagt. Das war Morgan Masters?"
Scheise. Scheise. Scheise. Scheiseee! Ich bin einen knappen Tag an der Schule, kenne die Schulchefs, habe eine Begleiterin namens Jessica irgendwas, die glaub ich in der letzten Stunde beschlossen hat, meine neue beste Freundin zu werden und bin schon gegen die (modelmäßige) Schulchefin geraten.
Neihein!
"Naja, ich hab dich gewarnt. Es ist wirklich wirklich nicht mit ihr zu spaßen. Guck mal", sie reichte mir ihr Handy.
Auf einer öffentlichen Seite war dort ein Bild von einer großen, rundlichen Brünette gepostet, die freundlich in die Kamera lächelte. Die Bildunterschrift lautete: Gleich Eis essen mit den Mädels♡

Und dann stach es mir ins Auge:
Ein Kommentar, dass von einer gewissen Prihate geschrieben wurde, und lautete:
Fettchen, wenn ich SO aussehen würde, würde ich aufs Eis mal ECHT verzichten. Weißt du, Magersucht ist ja eigentlich echt nicht so witzig, aber ohne Spaß: du solltest dir schleunigst eine zulegen, Klops. Bitte sehr schnell, Fat-Fat. Und nur so: Welche Mädels? Seit wann hast DU denn Freunde??

Das war so fies, dass ich den Post erst mal einfach nur anstarren konnte. So eine Bitch (sorry), aber echt! Seit wann darf man denn so ne Scheise machen. In mir kochte blanke Wut.
"Weißt irgendwie nur du, dass diese Morgan Masters das hier geschrieben hat, oder so?"
"Nein, jeder weiß es. Warum?"
Und genau in diesem Moment wusste ich, dass Jessica und ich NIEMALS aller beste Freundinnen sein würden.
"Na ja, nur weil: WARUM ZUM TEUFEL macht denn niemand etwas?! Dinge wie dieses Hatekommentar sind nicht nur sehr fies und verletzend, sondern können dem Selbstwertgefühl des Mädels auch aufs drastische schaden. Was ist, wenn sie ihre Figur bis da hin voll in Ordnung gefunden hat, und jetzt tatsächlich magersüchtig wird? Hm? Damit ist nicht zu spaßen! Und ihre Freunde durch solche Kommentare von ihr fernhalten wollen... das ist... das ist so- so BILLIG! Verdammte Kacke!"
Ich versuchte mühsam, mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Aber ich wusste, wie es ist, etwas fieses gesagt zu bekommen, und es dann sofort zu glauben.
Ich war früher noch viiiel viiel kleiner, hatte eine Zahnspange und meinen Babyspeck hatte ich tatsächlich erst im Alter von neun Jahren so langsam losbekommen.
Ich rieb mir die Schläfe.
In einer Schule, von der mich meine Mutter nach dem Vorfall sofort abgemeldet hatte, war ich gehänselt worden und das Innere der Jungsklos dort könnte ich euch auch beschreiben. Ich wandte mich wieder Jessica zu. Einer sehr geschockten Jessica. Einer sehr sehr geschockten Jessica. "Findest du nicht, dass du übertreibst?" fragte sie schließlich zaghaft.
Ich starrte sie ungläubig an.
Dann drehte ich mich auf dem Absatz um und lies sie alleine in der Umkleide stehen. War das ihr Ernst? 

Wahrscheinlich ist sie einfach nur ein feiges Kaninchen, sie wagt es nicht, sich gegen die Allgemeinheit der Schule, und vorallem gegen die Schulchefin zu stellen. Ihr Beliebtheitsgrad würde drastisch sinken!

"Sofern sie einen hat.", brummte ich.
Im Gehen binde ich mir die Haare zu einem Pferdeschwanz, was sich als schwierig erweist, weil zwischen meinen Haaren und mir mal wieder ein Weltkrieg ausgebrochen ist. Als ich endlich die letzte Locke unter mein Haargummi gezerrt habe, bin ich auch schon in der Turnhalle angekommen.
Ich reiche dem breiten, unter Haarausfall leidenden Turnlehrer kurz die Hand, die echt schwitzig war, und stelle mich vor. Als ich hinter ihm in die Halle latsche, wische ich mir die Hand verstohlen am Hosenbein ab. Der Kerl, der unsere Turnstunden leitet, Mr Sloth (der Arme *HIHI* Haben hier irgendwie alle so komische Namen?) lässt uns erst einmal drei Runden einlaufen.
Ich beobachte amüsiert, wie sich drei Mädels aus meiner Klasse die Brüste während des Laufens halten müssen, damit sie nicht wie Wackelpuddingbälle (?) auf und ab hopsen.
Dieses Problem habe ich nicht, auch wenn das wohl einer der sehr wenigen Vorteile einer ziemlich flachen Oberweite ist. Dann sollen wir uns in Partnern aufstellen.
Ich ignoriere Jessica, die mich bittend ansieht, und wende mich einem kleinen schüchternen Mädchen mit Brille zu.
Als ich sie frage, ob sie mit mir zusammen turnen möchte, starrt sie mich einige Sekunden lang an, bevor sie verlegen den Kopf senkt und nickt.
Mr Sloth bittet uns, uns hintereinander aufzustellen. Und dann kommt der Witz. Wir sollen Bockspringen. BOCKSPRINGEN!
Das hab ich das letzte Mal im Kindergarten oder so gemacht.
Aber Mr Sloth meint, wir sollen uns nicht so anstellen. Das Ziel sei es, so oft wie man es schafft, über seinen Partner zu springen - in einer Minute. Das Brillenmädel und ich stellten uns hintereinander auf.
Als der Sportlehrer in eine rote Plastikpfeife röchelte, sprangen wir los. Und um ehrlich zu sein: So viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr.
Über das Brillenmädel, das zwar sehr klein war, aber ich war ja auch winzig, drüberzuspringen hört sich einfacher an als es ist, weil ich es ihr nicht zutraue, dass sie mein Körpergewicht aushält, wenn ich mich an ihren Schulterblättern abstütze, bereit zum Sprung. Deswegen stolperte ich praktisch jedesmal nur so über sie. Sie hingegen entpuppte sich als superelegant und leichtfüßig und schien praktisch jedesmal über mich drüber zu fliegen.
Als die eine Minute endlich um war, warf ich mich lachend auf den Boden. Mannometer, ich wollte gar nicht wissen, wie ich ausgesehen hatte. Wie eine Ente, die versucht gleichzeitig Hochsprung zu machen und zu twerken? Wahrscheinlich so ungefähr. Als ich mich wieder beruhigt hatte, setzte ich mich wieder auf und klopfte mir den Schmutz vom Shirt. Dann wandte ich meinen Blick nach rechts wo- Ach du scheise!- wo vier Hello Kittys ...-und nein, ich weiß auch nicht, wie ich auf den Namen gekommen bin-   ...standen (auch die Bitchcrew oder Schulcheffinen genannt)  und sich, nach Schlampenmanier kaputtlachten. Wenn man es so nennen kann. Denn, bitte aufgepasst,um nach  Schlampenmanier zu lachen, befolgt bitte folgende Anweisungen:
-lege deinen Kopf leicht schief
-richte deinen Blick nach oben
-spiele mit einer deiner Strähnchen
-öffne den Mund, aber pass auf, dass dir der Kaugummi, nicht rausfällt (das würde wahrscheinlich mir passieren)
-wenn du dann noch deine Brüste rauspresst oder mit deinem Ärschle wackelst, hast du dein Ziel erreicht.
Ich bemerkte auch, dass einige Sportler, die drüben auf dem Feld Football spielten, zu ihnen rüberstarrten. Um die Bitches zu ärgern, äffte ich ihre Bewegungen übertrieben nach, bis mir jemand eine große kalte Hand auf die Schulter. Ertappt zuckte ich zusammen und drehte mich langsam um. Vor mir stand Cole.
"Hey...?" Sagte ich zaghaft und bemerkte wie mir das Blut in die Wangen schoss. Immerhin hatte er mich gerade bei einer ziemlich peinlichen Aktion beobachtet. "Hey." Er grinste.
"Ich kann nichts dafür! Es war peinlich aber die Hello Kittys waren nervig. Guck die - wo sind sie denn hin?" Ich drehte meinen Kopf suchend nach ihnen um. "Hello Kittys?"prustete Cole los. Um ihn abzulenken fragte ich ihn: "Ahem... wie alt bist du?"

SEHR GUT! Gott, Mädel, was war dass denn für ein Ablenkungsmanöver! Okay, reiß dich zusammen, ich suche derweil dein Gehirn, okay?

Nerv nicht Joe. Mist. Aber er hat Recht. Cole zog zwar verwirrt die Augenbrauen hoch, sagte aber bereitwillig: "18"
Jetzt war ich doch etwas verdutzt.
"Aber du bist doch in der gleichen Klasse wie ich. Und ich bin erst 17 geworden." Er grinste lässig. "Tja, Nerdie, dass kann passieren, wenn man nie in der Schule ist. Da muss man eben mal ein Jahr wiederholen."
"Ach so. Und nenn mich nicht nicht Nerdie, Arschloch."
"Alles klar. Dann eben Kratzbürste."
"Penner"
"Mieze"
"Barbie!"
"Barbie?"
"Barbie!"
"Okayyy...?" Beendete er unsere ziemlich behinderte Unterhaltung.
"Cole-Baby!" Ach hier waren die Hello Kittys abgeblieben. Morgan Master schubste mich zur Seite und schmiss sich an Coles Brust. Langsam fuhr sie mit ihren Krallennägeln seine Brust entlang. "Wollen wir vielleicht noch zu dir nach Hause, Baby?" Schnurrte sie. "Später, Morgan, später.  Hey, warte mal, Ana!"
Er folgte mir, als ich unauffällig verschwinden wollte.
"Was Cole?"
"Hast du heute schon was vor?"
Ich überlegte einen Moment. Mein Bett würde mich schmerzlich vermissen. Ich warf einen Blick über meine Schulter zu Morgan, die uns, ganz unHello-Kittyhaft anstarrte, mit böse zusammengezogenen Augenbrauen. Ich musste zusagen, alleine schon um ihr eins auszuwischen. "Nein, noch nicht." Für einen Moment sah er erleichtert aus. "Gut. Wollen wir am Nachmittag zusammen was trinken gehen?"
"Geht klar. Bis später dann."
"Tschau."
Er hob die Hand zum Gruß und ich verschwand vom Sportplatz in der Umkleide. Es hatte schon längst zur nächsten Stunde geläutet, weshalb ich auch erwartete, niemanden mehr zu treffen.
Aber in der Umkleide wartete noch jemand auf mich: Jessica.
"Hey." sagte sie leise. Ich nickte ihr knapp zu und drehte mich mit dem Rücken zu ihr hin, während ich mich umzog.
 "Anabel!"
"Was, Jessica, Was?"
"Anabel, ich bin ein Feigling, weißt du. Ich- Ich schwimme mit der Masse, ich lache über Dinge, über die alle lachen, ich hasse diejenigen, die alle hassen. Ich finde Leute dumm, die andere als blöd bezeichnen. Verstehst du? Ich bin einfach nicht mutig genug, um mich gegen die Allgemeinheit zu stellen. Das war schon mein ganzes Leben lang so. Und dann kommst du, freundest dich in einem HALBEN TAG mit dem heißesten Typ der Schule an, verspaßt es dir  mit der Schulbitch, und du würdest jetzt schon ohne zu zögern jemanden wie Fat-Fat vor der ganzen Schule verteidigen. Und das ist zwar super dämlich, aber auch mega mutig. Es tut mir leid. Vielleicht sollte ich auch lernen, gegen den Strom zu schwimmen."
Ich stand einen Moment da.
Stumm.
Und starrte sie einfach nur an.
Ich war noch nie gut darin, jemanden lange böse zu sein, weshalb ich mit zwei schnellen Schritten bei ihr war, und sie  an mich zog.
"Danke." Sagte sie erleichtert und drückte mich.
Vielleicht würden wir doch beste Freundinnen sein können.

BabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt