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Entschuldigt, dass ihr so lange habt warten müssen.


Tims Sicht


Als ich am nächsten Morgen aufwachte und die Sonne in mein Zimmer schien, hätte ich mich am liebsten wieder zur Seite gedreht und weiter geschlafen. Kaum hatte ich meine Augen geöffnet, schossen mir tausende Gedanken durch den Kopf. Millionen kleine Bilder traten vor mir in Erscheinung. Überall auf diesen Bildern war Stegi zu erkennen. Wieso war dieser Junge überall? Dass ich an einer gut befahrenen Straße wohnte, konnte ich seit neuster Zeit auch ausblenden und konnte sogar, wenn ich mich nicht in diesem Zimmer befand, das Fenster öffnen und für ein paar Minuten offen lassen, ehe ich das laute Hupen, den Gestank und besonders das Geräusch der brummenden Motoren wieder wahrnahm.

Ich hatte heute nicht soderlich viel vor, ich musste nur ein bisschen aufräumen, aber das konnte warten, lieber schob ich es auf und traf mich mit Veni im Ts.

"Na mein Lieber?" Ich lachte auf. "Na Venicraft?" Wir lachten viel und ich konnte für einen kleinen Moment Stegi aus meinen Gedanken verdrängen, dennoch spürte ich, dass etwas fehlte.

"Hast du eigentlich etwas von Stegi gehört? Er schottet sich in letzter Zeit sehr ab." "Ganz ehrlich, Veni. Ich hab keine Ahnung, was im Moment mit ihm los ist, er meldet sich auch nur, wenn man ihn darauf aufmerksam macht und er verschwindet auch öfters einfach so aus dem Ts." "Ruf ihn doch mal an, Tim." In Rafaels Stimme konnte man heraushören, dass er sich  Sorgen machte. Widerwillig stimmte ich seinem Vorschlag zu, unter dem Vorwand, dass ich den Lautsprecher anmachen und er zuhören sollte. "Okay. Dann mach mal." Ich griff nach meinem Handy, es fühlte sich kalt an, als ich es in der Hand hatte. Der Sperrbildschirm leuchtete mir entgegen und vier grinsende Menschen ebenfalls. Tobi, Rafael, ich und Stegi. Das war unser erstes Treffen gewesen. Die Gamescom 2012 musste einer der besten Tage in meinem Leben gewesen sein. Ein zufriedenes Seufzten entwich mir, worauf mich Veni nur mit einem "Was ist denn?" nervte. "Ich denk nur an die Gamescom, vor vier Jahren. Ich hätte gern noch so einen  tollen Tag, ich vermisse das irgendwie." "Dieses Jahr sehen wir uns sicherlich. Ich komme auf jeden Fall und Tobi hat gesagt, dass er auch kommt." Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen, bis mir eine Nachricht ins Auge sprang. "Rafi?" Von ihm erhielt ich nur ein zustimmendes Brummen. "Stegi hat mir geschrieben." Ich konnte nicht genau beschreiben, wie es sich anfühlte, als mein Herz in tausende Teile zersprang, aber es war verdammt schmerzhaft. "Ist doch super!" Etwas ungläubig hob ich meinen Kopf und starrte auf den Homescreen von Minecraft. "Nichts ist super, Rafael!" Ich sprang auf, meine Stimme zitterte. "Nichts ist super!", wiederholte ich mich. "Wie? Was hat er denn geschrieben?", hakte Veni nach. Der Griff um mein Handy lockerte sich wieder und ich ließ mich wieder auf meinen Stuhl sinken, der quietschend unter meinem Gewicht ein bisschen nachgab. "Er hat eine Freundin." Die Verzweiflung in meiner Stimme war kaum zu überhören und wenn mein Gegenüber eins und eins zusammenzählen konnte, wusste er, was Sache war. "Achso.", gab er nur von sich. "Achso?", wiederholte ich ihn, vielleicht hatte ich ihn nicht richtig verstanden. "Ja. Achso." "Hm." Ich wusste nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte, Veni anscheinend genauso wenig. Einige Minuten blieb es still, bis Rafael sich räusperte und anfing zu reden. "Er hat eine Freundin. Vielleicht war er deswegen so komisch. Vielleicht hatte er Angst vor unserer Reaktion." Überzeugend klang Veni nicht, er war nicht sonderlich begeistert, das konnte man spüren. "Möglich wär's.", hauchte ich nur und meine Gedanken fingen wieder an mit mir zu spielen, bis der Österreicher sie wieder unterbrach. "Bist du schwul?" Als hätte ich gerade etwas getrunken und mich dann verschluckt, so brannte es in meiner Kehle, ich fing an zu husten, versuchte das Problem los zu werden. "Jo. Stirb nicht gleich, war nur ne normale Frage." "Jaja.", gab ich von mir, als ich meinen Anfall unter Kontrolle gebracht hatte. "Ja bin ich." Ich machte eine kurze Pause und überlegte, ob ich wirklich wollte, dass einer meiner besten Freunde wusste, dass ich schwul war. "Denke ich." Ja, das war eine gute Antwort, ich war mir einfach nicht sicher, obwohl ich es war. "Okay.", gab nun eine weitere Stimme von sich. Ich hatte nicht bemerkt, wie Tobi dazu gekommen war. "Schon gut, Tim. Wir sagen niemandem, dass du auf Stegi stehst." Leichte Röte stieg mir ins Gesicht und das erste Mal in meinem Leben war ich froh, hinter meinem PC sitzen zu können. "Ich steh nicht auf Stegi!" Überzeugend klang ich dabei nicht, obwohl ich mir auch wirklich nicht mehr sicher war, was genau mit mir los war. Ich verließ einfach den Ts, vergruß meine Hände in meinem Gesicht, fuhr mir durch die Haare. Ich war schon wie Stegi geworden und es passte mir überhaupt nicht, dass Stegi eine Freundin hatte.


Die Nacht von Hetero auf Homo // Stexpert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt