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Tim PoV

Ich kannte diese Momente aus dem Fernsehen, aus den verschiedensten Filmen und sogar aus Büchern – und das, obwohl ich nur eines gelesen hatte und das auch nur zur Hälfte. Es war diese bedrückende Stille, gemischt mit dem bedrückten Gemurmel meines besten Freundes und meiner besorgten Miene.

„Ich weiß nicht, Tim. Ich stehe aber nicht auf Jungs.", fing er an, doch ich unterbrach ihn.

„Weiß ich, aber das war nicht meine Frage."

„Tim, ich glaube, du bist einfach nur eifersüchtig auf meine Freundin, kann das sein? Liebst du mich?"

Ich hörte mich selbst, wie ich nach Luft schnappte und meine Sicht verschwamm. Irgendwie wurde die Luft stickig – ich musste hier raus. Nur dieser Gedanke beschäftigte mich noch. Nicht mehr meine blutende Hand, die mich schwindlig werden ließ. Nicht mehr Stegi, der erst stotterte und dann merkte, dass meine Atmung sich verschnellert hatte, mein Herz raste und ich nur noch nach Luft schnappen konnte. Was genau geschah, wusste ich nicht, aber ich wurde gepackt und aus dem Auto gezogen, in einen Stuhl verfrachtet und jemand strich mir über den Kopf. Ich beruhigte mich, ließ aber meine Augen geschlossen – auf einmal war ich so müde. Ich wusste nicht woran es lag, aber sicher war, dass ich schlafen musste, schlafen wollte. Und gerade war mir egal, was mir Stegi gesagt hatte, dass er mir einen Vorwurf gemacht und gesagt hatte, dass ich schwul war und auf ihn stand (Was stimmte, aber das musste er ja nicht wissen.)

„Timmi, aufwachen. Nicht auf dem Stuhl schlafen. Nicht in der Sonne.", nahm ich die Stimme meines besten Freundes war und hörte sofort auf ihn, schlug meine Augen auf und sah direkt in seine grasgrünen. Sie waren wunderschön. Stegi konnte anscheinend Gedanken lesen, denn er wurde rot und kicherte, ehe er sich von mir abwendete und mir dann eine Cap auf den Kopf setzte.

„Du hast einen Hitzeschlag, Brummbär." Stegi lächelte und ich sah, wie Tobi und Rafael einen Sonnenschirm über mir spannten und der kleinere der Beiden mir eine Flasche Wasser reichte, die ich dankend annahm. Trotz, dass ich alleine trinken konnte, half mir der Blonde und lächelte besorgt weiter, ehe er die beiden Braunhaarigen losschickte, um mir Coolpacks und nasse Handtücher zu bringen.

Stegi kniete zwischen meinen Beinen, strich über meine Hand und beobachtete mich, wie ich müde meine Augen schloss und den kühlen Wind genoss.

„Ich hab mir wirklich Sorgen gemacht, Tim." Er klang besorgt, was klar war – denke ich.

„Ja, tut mir leid. Ich ... Vielleicht war das alles zu viel für mich."

Nun schaltete sich auch Rafael ein, der mir ein nasses Handtuch ins Gesicht warf und deshalb einen bösen Blick von Stegi erntete, der sich dann liebevoll um mich kümmerte und mich in nasse Handtücher wickelte.

„War es sicher. Ich meine, erst reißt du deine Hand auf, dann hast du einen Hitzeschlag ... was kommt als nächstes? Dir wird dein Herz gebrochen?" Rafael lachte, doch als seine Augen meine trafen, verstummte er.

„Komm, Tobi. Lass uns an den Strand. Tim braucht seine Ruhe und Stegi muss Medizin studieren."

So schnell wie sie gekommen waren, waren meine beiden besten Freunde – die, die ich heimlich ein Paar schimpfte und die, auf die ich insgeheim neidisch war, weil sie es so einfach hatten – unten am Strand und genossen den Urlaub.

Alleine mit Stegi zu sein, das war eigentlich immer gut. Eigentlich hatten wir immer Spaß zusammen oder genossen die Stille zwischen uns. Aber jetzt, jetzt konnte ich nichts genießen, denn mein kleiner blonder Kobold sprang um mich herum, bemutterte mich und fasste mich überall an „um die Temperatur zu messen".

Natürlich sah ich seinen Blick und mir entging auch nicht, dass Stegis Hände zu zittern begannen, immer, wenn ich ihn am Handgelenk packte und mich dafür bedankte, dass er sich um mich kümmerte. Ich wusste, dass ihm dieser Urlaub wichtig war, das merkte man, man sah es ihm an.

„Hast du Hunger, Timmi?" Stegi stieg gerade mit eingezogenem Kopf aus dem Wagen und hielt mir eine Banane vor die Nase, in die er biss, als er den Satz beendet hatte.

Ich schüttelte nur den Kopf, doch kaum begann ich damit, ließen mich stechende Kopfschmerzen aufstöhnen. Es fühlte ich an als würde jemand versuchen mir Nägel mit einem Hammer in den Schädel zu rammen – kaum auszuhalten.

Meine persönliche Krankenschwester reichte mir sofort ein Glas Wasser, wendete das Handtuch auf meinem Kopf und versuchte mich, mit Worten und einer tröstenden Hand auf meiner Schulter, zu beruhigen. Aber alles half nichts, ich übergab mich – und das nicht nur einmal an diesem Tag.

Abends ging es mir dann schon ein wenig besser, ich hatte viel getrunken und hatte „den krassesten Wasserbauch der Welt" (so sagte es nun einmal mein blonder Student und wenn er solche Diagnosen stellt, dann hatte er immer recht.) Stegi hatte mir ein Fußbad gemacht, nachdem ich mich in eine Tüte übergeben hatte und kippte nun fleißig seit zwei Stunden immer wieder Eiswürfel ins Wasser, damit es mir schnell wieder besser ging. Das Schönste heute ( das Schönste überhaupt, war eigentlich der richtige Ausdruck) war, dass Stegi zu mir kam, als ich meinen Kopf in den Nacken gelegt, die Füße in der Wasserschale liegen hatte und die Augen entspannt geschlossen, und sich auf meinen Schoss fallen ließ, meine Körperhaltung nachahmte und sich dann noch an meine Brust kuschelte. Wir waren anscheinend eingeschlafen, denn als ich aufwachte, saßen Tobi und Rafael neben uns um die Schale und hatten ihr Bier zu meinen Füßen gelegt, damit es abkühlte. Das war okay, ich brauchte eh nicht so viel Platz und gegen ein kaltes Bier hatte ich schließlich nichts einzuwenden. Also hielt ich Stegi an der Hüfte fest, dass er mir nicht in die Schale fiel, wenn ich nach einer Flasche greifen wollte, und beugte mich dann nach vorne, um mir ein Bier zu schnappen. Und gerade als ich mich zurückgelehnt und die Kopfschmerzen verdrängt hatte, bewegte sich mein Student auf meinem Schoss. Als hätte sein Mutterinstinkt eingesetzt oder so was.

„Nein!", fauchte er und riss mir die kühle Flasche aus der Hand.

„Du darfst keinen Alkohol trinken! Willst du dich umbringen, du Idiot?"

Der Kleine war total in Rage, sodass er unsere Freunde erst im zweiten Moment erkannte und wie von der Tarantel gestochen aufsprang und, im Licht des Feuers, rot wurde.

„Keine Angst, wir haben nicht gesehen wie du von Sex mit Tim geträumt hast." Rafael lachte, Tobi stieg mit ein und mein blonder bester Freund machte sich aus dem Staub. So schnell, dass ich nicht einmal reagieren konnte. Aber dafür konnte ich mir jetzt die zwei anderen vorknöpfen, ohne, dass sie sich wehren konnten, denn ich war der kranke, nicht sie.

„Was soll das?", fing ich also ein wenig zu laut an.

„Ihr wisst genau wie er auf das Thema reagiert!"

Tobi lächelte müde, trank einen Schluck und drehte sich dann zu mir, sodass er mit dem Rücken zu Rafael gedreht war.

„Er muss es langsam einsehen, Tim. Du kannst ihn nicht immer so beschützen, weil du weißt, dass er Angst vor sich selbst hat. Stegi ist alt genug und er weiß, was er für dich fühlt." Mein bester Freund klang so überzeugend, dass ich ihm schon fast glauben musste.

„Tobi, Stegi hat eine Freundin. Er ist hetero und das ist okay für mich. Ich bin gerne der beste Freund mit dem gebrochenen Herzen, solange Stegi damit glücklich ist, ist das okay."

„Du liebst ihn also?", mischte sich Rafael in unser Gespräch mit ein.

„Ja, ich ... ich glaube schon. Ich glaube, ich liebe ihn."

Und seit ich diesen Satz ausgesprochen hatte, fühlte ich mich viel leichter. Unbeschwerter und so, als wäre alle Last, die ich mir jemals aufgeladen hatte, abgefallen – oder ich einfach nur stärker. Bis ich merkte, dass Stegi hinter mir stand. Dann fiel die ganze Last über mir zusammen.

Die Nacht von Hetero auf Homo // Stexpert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt