10

3.1K 257 19
                                    

+Tims Sicht+

Eigentlich war es ja klar, dass Stegi - der mich wach halten sollte, während ich fuhr - einschlief und sich so breit machte, dass die ganze Sitzbank von ihm gefüllt wurde und ich seinen Kopf auf meinem Schoß liegen hatte.
Der Fahrer- und der Beifahrersitz waren zu einer Bank mit einem dritten Sitz zusammengebaut, sodass man, wenn es nötig war, auch darauf schlafen konnte. Sicherlich würde es unangenehm werden und auch nicht gerade dazu beitragen, dass man keine Rückenschmerzen hatte, aber Stegi schien das nicht im geringsten zu interessieren.
Auch wenn ich wusste, dass ich selbst viel zu müde war, um selbstständig wach bleiben zu können, wollte ich den Wuschelkopf nicht wecken. Er war so unausstehlich, wenn er müde war.
So saß ich nun also vor dem Steuer, während alle im Van schliefen und träumten, wie wir zusammen Wurzeln im Bett schlugen, weil uns die Sonne zu sehr genervt hatte. Naja, alle außer ich.
Seufzend fuhr ich mir durch die Haare. Der Stau, in den wir geraten waren, zog sich. Es fühlte sich so an, als ob wir kaum weiter kamen, dabei ging es mir einfach nur nicht schnell genug. Ich wollte auf den Campingplatz kommen, und das auch noch rechtzeitig. Wir hatten nun schon eine Stunde verschwendet und es nervte mich. Diese Stunde war wertvoll gewesen, denn wenn wir unser Zelt noch aufbauen wollten, dann mussten wir das jetzt im Dunkeln tun und nicht, so wie geplant, im Hellen.
Gerade, als mein Gesicht drohte, auf das schwarze Lenkrad vor mir zu fallen, weil ich so müde war, hob sich ein weiterer Kopf und wir stießen zusammen.
Stöhnend rieb ich mir den Kopf und krallte mich mit der freien Hand in das Lenkrad. "Scheiße, verdammt. So ein Dreck!", fluchte der Blonde neben mir und diese Worte brachten mich zum Grinsen. Erst selbst an allem schuld sein und dann fluchen bis zum Umfallen. Das war Stegi - zumindest seine eine Seite. Es gab da nämlich noch viel mehr Seiten, von denen er sich zeigen konnte.
"Freut mich, dass du dich auch mal unter die Lebenden getraut hast, Stegobert.", schmunzelte ich und strich ihm über den Kopf, den er aber viel zu schnell und panisch weg zog und somit gegen die Scheibe krachte.
Wie sollte es auch anders sein: Durch sein Gefluche weckte er die anderen Beiden, die anfingen ihn anzuschnauzen.
So hatte ich mir Urlaub vorgestellt. So und nicht anders.

"Kann ich was dafür, wenn Tim mich erschreckt?!", fauchte Stegi und hielt sich ein Taschentuch an die Stirn. Wahrscheinlich blutete er und fing - da war ich mir zu 100 Prozent sicher - gleich an zu meckern, dass ihm sein Schädel brummte und er unbedingt Essen brauchte. Argumentieren würde er dann, dass sein Professor, der, der nicht an der Uni unterrichtete und ein guter Freund seiner Mutter war, gesagt hatte, dass Essen alle Schmerzen heilen könnte.
Natürlich. Wenn man sieben Jahre alt war, Stegi hieß, klein, naiv und vom Fahrrad gefallen war.
"Gib' nicht immer mit die Schuld, Stegi!" Schnell warf ich ihm einen bösen Blick zu, damit er aufhörte zu kichern und heftete meinen Blick wieder konzentriert auf die Straße. Der Stau verzog sich langsam und zufrieden seufze ich auf, als ich etwas mehr auf das Gas drücken konnte. Natürlich war ich schnelleres als 80 h/km gewöhnt, aber allemale war es besser, als so langsam zu fahren, dass man das Auto schieben konnte und selbst dann noch schneller war. "Endlich... hat ja auch lange genug gedauert." Müsste ich meine Augen nicht auf die Straße gerichtet halten, hätte ich mich umgedreht, wäre sogar aufgestanden und hätte Rafael mit der flachen Hand eine übergezogen. Aber ich durfte mich nur an das Lenkrad krallen und sauer auf das gelbe Auto vor mir starren.

"GELBES AUTO!", lachte mein blonder Beifahrer und ehe ich mich versah, schmerzte meine rechte Schulter. Er hatte mich geschlagen. "So. Wer dafür ist, dass wir Stegi hier absetzen, der hebt die Hand."
Vier Hände gingen in die Höhe. Selbst der, um den es ging, hatte seine Hand in die Höhe gestreckt. Kurz sah ich ihn fragend an. "Ich hab eh keine Lust mehr auf euch, ihr seid doof." Schmollend drehte Stegi sich mit dem Rücken zu mir, aber dennoch konnte ich in der Spiegelung des Fensters sehen, dass er grinste. "Sollen wir dich am KFC oder lieber am McDonalds raus lassen?" Amüsiert strich ich ihm über den Rücken, konnte mich aber nicht so recht auf das Kribbeln in meinen Fingerkuppen konzentrieren, da ich immer noch fahren musste und alle sicher in Barcelona abladen wollte. "Lass mich. Du bist der Doofste, Tim."
"Wenn du mich noch mal doof nennst, darfst du alleine im Zelt vor dem Van schlafen. Ohne Kissen und Decke. Und nackt, Stegi." Meine Stimme klang mahnend und wenn man mich nicht kannte, dann konnte man diesen belustigen Ton in meiner Stimme nicht richtig zuordnen. "Hat man das früher nicht nur mit Hunden gemacht?", schaltete sich nun der Jüngste ein. "Ja, mit Schlosshunden. Man hat die im Winter kahl rasiert. Idiot."
"Ich bin kein Idiot, Tim! Rafael sag was!", empört darüber, dass ich Tobi als Idioten bezeichnet hatte, schmiss er seine Arme in die Luft und vergaß dabei, dass wir in einem Van saßen. "Idiot.", murmelte ich wieder. "Rafael sag doch was!", jammerte Tobias wieder und rieb sich über die Handflächen.

"Zieh mich nicht in den Streit mit rein!", rief Rafael.
"Arschloch." Tobi holte aus und traf seinen Freund am Oberarm.

"Dummkopf."

"Spasti!"

"Hurensohn."

"Leute! Seid leise! Stegi schläft."

Ich hatte absolut keine Lust mehr auf diese Autofahrt, deshalb zog ich Stegis Kopf wieder auf meinen Schoß und strich ihm durch die Haare, wenn ich einmal nicht schalten musste. Verträumt lächelnd sah ich in das zufriedene Gesicht meines Besten Freundes, als ich an einer Ampel stand. Alles um mich herum blendete ich aus und so bekam ich auch nicht mit, dass Rafael und Tobias sich auf der Rückbank einen Kuss schenkten, den Tobi noch nachholen musste, weil er Pflicht gewählt hatte.

Die Nacht von Hetero auf Homo // Stexpert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt