Was wäre wenn...

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Was wäre, wenn ich da gewesen wäre? 

Die letzten zwei Wochen ging es mir immer wieder durch den Kopf, die Tat ereignete sich eindeutig zur falschen Zeit. Warum war ich nicht da? 

Immer wenn ich daran dachte legte sich mir dieses erdrückende Gefühl um die Brust, ein Schuldgefühl, das ich ohnehin nicht hätte vermeiden können. Als ich an diesem Tag an der Uni ankam, das Wetter war der Stimmung entsprechend düster und erschreckend kalt für Mitte Frühling, versperrten schier abertausende Einsatzkräfte den Treppenaufgang. Vereinzelt rannten panische und von blanker Angst und instinktivem Überlebenswillen getriebene Menschen aus dem Eingang und stürzten über das Universitätsgelände geradewegs in die Sicherheit der Beamten, die das Gelände absicherten. 

Wo alle anderen rausrannten um zu fliehen, entschied ich ,ohne einen vernünftigen Gedanken zu fassen, dort hinein zu laufen. Mein Puls schnellte in die Höhe, ich wollte vor allem dieses eine Leben aus diesem Gebäude schützen, was auch immer da drin vor sich ging. Polizisten versuchten mich zu fassen, packten und zerrten an meiner Kleidung aus der ich mich am liebsten herausgewunden hätte um weiter laufen zu können. Ich vernahm hallende Schüsse den Gang entlang donnern, das Schreien der Studenten, der Polizisten und mein eigener erstickter Schrei, der mir aus der Kehle drang vor Verzweiflung. 

Ich schlug wild um mich, schmerzhaftes Stechen durchzuckte meinen sonst völlig tauben Körper als ich im nächsten Augenblick stürzte und unsanft zu Boden gedrückt wurde. 

„Hören Sie verdammt nochmal auf sich zu wehren! Es geht hier um Ihre Sicherheit.", brüllte mich einer der uniformierten Männer an. Im selben Moment ereignete sich der letzte Schusswechsel, dann war es plötzlich still. Totenstill. Nur das wilde Hämmern meines Herzens, dass sich anfühlte als würde es vor Spannung bersten, und meine hektischen unregelmäßigen Atemzüge dröhnten mir in den Ohren. Erst Stunden später erfuhr ich, dass sich ein Amoklauf zugetragen hatte und noch dazu der Täter entkommen war. Jonathan. Ein erstsemester Student, ich kannte ihn nicht persönlich und war demnach auch nicht sonderlich auffällig für mich. Ein Durchschnittstyp, so kannten ihn laut Aussagen auch seine engsten Kollegen. Den restlichen Tag verbrachte ich schweigend auf dem Polizeirevier, voller Ungewissheit ob sie noch lebte und wo sie war. Ich vergrub mein vor Kummer rötlich angelaufenes Gesicht in den Handflächen und murmelte mit schwacher, rauer Stimme: „Caro..."

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