Unaufmerksamkeit

5 0 0
                                    

Der Vormittag schien unglaublich langsam zu vergehen. Die Malerei ging bei mir nun auch gar nicht weiter. Ich fühlte mich wahnsinnig verloren mit dem Pinsel in der Hand vor der riesigen, weißen, einfach nur leeren Leinwand. Meine ursprüngliche Morgenmüdigkeit drängte sich etwas in den Hintergrund, dennoch arbeitete ich merklich langsamer als sonst. Selbst die leise Musik im Hintergrund, welche angestrengtes Schweigen verhindern sollte, konnte mich heute nicht inspirieren. Ich konnte mich nicht mal wirklich auf diese konzentrieren. Es war einwenig eine Zeitverschwendung.

Der Vormittag blieb frisch, weshalb dich „Gesprächsrunde" nach drinnen verlegt wurde. In einem nicht unbedingt sehr großen Raum, reihten wir die vorhandenen Stühle in einem Kreis auf, so dass auch jeder im Sichtfeld des Betreuers und der Gruppe saß. Andreas war dabei wie Noah ein Psychologiestudent an unserer Uni, der nun hier seine Praxiszeit einholte. Hin und wieder schaute bei diesen Sitzungen dann auch Dr. Eichner vorbei, um ihrer Kontrollfunktion gerecht zu werden. Sie schien eigentlich ganz nett zu sein und hielt auch ein, zwei Mal mit mir Einzelsitzungen ab. Sie war die erste Ärztin, welche mich bei meinem Eintreffen betreut hatte.

Die Erste aus dem Kreis hob ein Blattpapier hoch. Etwas schwarzes, dass mich an einen dreibeinigen Hasen erinnerte kam dabei zum Vorschein. Wie immer begann das Mädchen zu erzählen. Woran hatte sie beim malen gedacht? Was wollte sie damit ausdrücken? Warum genau dieses Motiv?
Nach ihr folgte ein Junge. Sein Bild war wesentlich bewegter. Die Farben schienen sich gegenseitig verdrängen zu wollen. Auch ohne es großartig zu analysieren konnte man feststellen, dass er erkennbar aufgewühlt war. Er durfte nicht viel jünger gewesen sein, als ich. Soweit ich wusste war er neu in der Anstalt. Wirklich etwas wusste ich nicht über ihn und erstrecht nicht über sein Schicksal. Erfahren würden wir es allerdings sicherlich , da in diesen Gesprächsgruppen nichts lange Geheim bleiben sollte. Keine Information durfte diesen Raum verlassen, so auch kein Geheimnis. Mir war es allerdings wirklich unangenehm über das alles zu sprechen. Ich tat es dennoch in maßen und spielte ihnen wenig wirkliche Information zu. Sie waren immer noch fremde für mich, niemand den ich also wirklich etwas anvertrauen wollte.

Ihm begann man die selben Fragen zu stellen wie dem Mädchen vor ihm. Brav versuchte er zumindest sie zu beantworten. Ich sah wie angespannt er war. Irgendwie waren wir uns ähnlich, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, dass wir auch nur ansatzweise das selbe Trauma erlitten hatten.

Nach ihm kam ein weiterer Junge. Er war entspannter und auch schon vor mir da gewesen. Auf seinem Bild war ein Gesicht zu erkennen. Eine Frau mit langem blonden Haaren.

Genauso wie auch zweimal zuvor, ging es weiter. Normalerweise versuchte ich auch aufzupassen, nur heute begann ich irgendwie abzudriften, eventuell lag es an der Müdigkeit. Generell konnte ich mich in letzter Zeit schlecht konzentrieren. Es mochte wirklich am schlechten Schlaf liegen.
Meine Konzentration schwand weiter und ich bekam gar nicht mehr richtig mit wie die Runde weiter ging. Ich starrte in die Leere. All das war so langweilig. Ich wollte mein altes Leben wieder haben. Noah war leider der verschwindende Rest, der davon übergeblieben war, doch auch er hatte ich nicht ewig die Zeit um sich mit meinen Problemen auseinander zu setzten. Wir beide hatten früher schon neben dem Studium gearbeitet, um möglichst viel Zeit anzuhäufen, da es gut im Lebenslauf aussah und es schadete wohl auch nicht für die Pension. Noah betreib dabei immer wieder Sklavenarbeit für einen Psychologen. Wir sprachen nicht wirklich darüber was er dort tat. Von sich selbst hätte er wohl nie damit angefangen und irgendwie hatte ich mich nicht so recht getraut nachzufragen. Getraut war auch eigentlich nicht das richtige Wort. Ich hatte ja nicht wirklich angst davor gehabt ihn zu fragen, sondern ich dachte es wäre vielleicht nicht wichtig und es kam auch nie wirklich dazu. Es schien einfach der richtige Zeitpunkt kommen zu müssen, damit ich es ansprechen konnte. Irgendwann würde ich das vielleicht noch nachholen, bis dahin vermutete ich aber, dass er Botendienste verrichtete oder langweiligen Papierkram machte. Praktikanten Job halt. Vielleicht sollte ich ihn wirklich wieder mal darauf ansprechen. Von mir gab es im Moment eh nicht soviel zu berichten, bzw. wollte ich nichts erzählen. Hoffentlich würde er mich mal besuchen kommen. Ich würde einfach so gerne mal wieder mit ihm sprechen. Ich wollte Noah so gerne wieder sehen.

„Caroline!" Andreas Stimme riss mich heraus. Alle sahen mich nun an. Mein Herz begann schneller zu klopfen und in meinem Beinen begann es nervös zu zucken. Ich mochte die plötzlich Aufmerksamkeit gar nicht. Andreas schien meine Angst zu bemerken.
„Willst du uns zeigen was du gemalt hast?" Ich holte einmal tief Luft. Einfach durchzuziehen, dann war es vorbei.
„Da gibt es nicht viel zu zeigen...Ich hab heute nichts gemalt." Die letzten Worte kamen mit etwas leiser über die Lippen. Ich war immer noch nervös, doch was sollte ich machen? Heute war mir einfach nichts eingefallen. Andreas sah mich an und schien nicht recht zu wissen, was nun zu tun war mit mir. Man konnte sich ja doch schon irgendwie ganz gut und ich hoffte zumindest, dass er wusste, dass ich nicht faul war. Nach einer kurzen Weile begann er dann sanft mir entgegen zu lächeln. Er musste ja nett sein und versuchen mich nicht zu beruhigen.

„Man kann da wohl nichts machen." Die Runde wurde ohne ein weiteres Kommentar von mir fortgeführt. Immer noch fühlte ich mich nervös und angespannt. All dies war einfach nur merkwürdig. Ich fühlte mich ja nicht verrückt und wollte auch nicht hier sein.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 12, 2016 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Out of order Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt