Schmerz. Dunkelheit. Das taube Gefühl, nicht zu wissen, ob man lebt oder tot ist, das Gefühl nicht zu wissen, wo man ist in einer vollkommenen Stille. Dumpf und langsam drangen Geräusche durch die Wand, die bis eben noch alle Reize von außen abwehrte und mit den Geräuschen kam die Kälte und die Nässe, der Atem, die Luft. Der Mann zitterte, die Kälte hatte gesiegt und mit dem Zittern kam das Leben zurück. Konzentriere dich, dachte er, versuchte seine Sinne zu fokussieren. All sein Streben, all seine Kraft durfte er nur auf diese eine Mission legen. Er durfte nicht versagen, durfte sie nicht enttäuschen. Zu viele Leben hangen von ihm ab.
Ein Hustenanfall überkam ihm, nahm ihm die so wichtige Kraft und dann spürte er den Regen. Kalt, eisig und gnadenlos. Wo war er? Langsam blickte er sich um, eine Gasse, dunkel und einsam. Immerhin war der Platz gut gewählt und vorsichtig steckte er die Hand in seine Manteltasche. Er seufzte erleichtert, beides war noch da. Seine Finger umschmeichelten das kleine Gerät, welches beinahe eiförmig sicher in an seinem Platz lag. Es war sein Ticket nach Hause. Vorsichtig holte er es hervor, drückte kurz an eine Stelle und schloss die Augen. Ein paar Sekunden geschah nichts, dann erklang ein doppeltes Piepen und die nächste Erleichterung breitete sich in ihm aus, brachte Wärme und Ruhe mit. Es funktionierte also noch. Langsam öffnete er wieder die Augen, noch ein kompletter Zyklus. Das war nicht viel Zeit, aber mehr als er hoffte zu benötigen.
Mühsam rappelte er sich auf, blickte sich um und liess den eiförmigen Gegenstand in die Innentasche seines Mantels gleiten, dort war es sicher, sicher an seinem Herzen. Nur nicht versagen, sagte er zu sich selbst und torkelte ein wenig in eine beliebige Richtung. Die Orientierung war noch nicht wieder da, aber das hatte er erwartet. Sie hatten ihn vorgewarnt, und es mit ihm so gut es geht trainiert, aber die Realität war schlimmer als jedes Training. Übelkeit breitete sich aus, sein Magen krampfte und zwang ihn stehen zu bleiben. Mit aller Macht kämpfte er das Gefühl zurück, versuchte sich zu beherrschen, doch der Würgegriff des Magens war stärker. Er spürte die saure Magenflüssigkeit bereits im Mund, spürte das Zusammenziehen im Unterleib und keuchte, er übergab sich auf der Strasse, hustete und spuckte auf seine Körperflüssigkeit. Verdammt, dachte er, DNA. Wut und Ärger übertünchten nun die Übelkeit, ändern konnte er es jetzt nicht mehr. "Kann ich ihnen helfen?" Er blickte sich um, als die helle Stimme einer Frau zu ihm drang. Glück muss man haben, dachte er bei sich und hustete abermals. "Ich hab mich nur verschluckt!", dabei verfiel er wieder in einen Anfall von Keuchen, glitt dabei mit der Hand wieder in die Tasche seines Mantels, spürte den kalten Stahl, den mit Leder umwickelten Griff des Dolches.
Schritte kamen in seine Richtung, das helle Klackern von modernen Schuhen und er blickte ihr entgegen. Das Alter war unmöglich zu schätzen nach allem was er über diese Welt wusste, konnte sie 20, aber auch 40 sein. Sie trug einen eng anliegendenden Regenoverall. Ein spezielles Material, dachte er, denn sie schien nich zu frieren. Die Frau war schlank, hatte eine ausgesprägte Taille, wundervolle weibliche Kurven, dachte er. Der Mantel schien wie eine zweite Haut zu sitzen und so umspannte dieser auch ihre Brüste, liessen mehr erahnen, als er versteckte. Das Gesicht war makelos und jung, tiefblaue Augen, umrahmt von schwarzen Haaren, die ihr bis zum Kinn gingen wurden vollendet von einem sinnlichen Mund. "Sind sie sicher, dass ich ihnen nicht helfen soll?", fragte sie leise und der Mann nickte. "Wohnen sie hier in der Nähe? Ich bringe sie eben.", bot sie an und der Mann rappelte sich auf und nickte dankbar. "Nur keine Umstände."
Die Frau winkte ab. "Unsinn, ich habe eh Zeit. Nun, wo lang?" Der Kerl deutete in die andere Richtung der Gasse und sie hakte sich bei ihm ein. "Sehen sie, so schwer war es doch nicht, oder?" Sie hatte etwas unschuldiges, warmes an sich und er genoss die Nähe der Frau durchaus, nur an den Auftrag denken, rief er sich ins Bewusstsein. "Wie heissen sie?" Sie lächelte. "Monika.", antwortete sie, "Und ihr Name?" Sie lächelte und die weissen Zähne blitzten durch den grauen Schleier des Regens. "Es tut mir leid!", sprach der Kerl leise. "Was denn? Ich verstehe nicht!" Die Augen blickte sanft fragend hinüber und erschraken, als sie bemerkte was geschah. Stets hatte er gedacht, dieser Moment wäre der Schwierigste, würde ihm die meiste Überwindung kosten, aber hier und jetzt war es leichter. Die Klinge durchdrang den dünnen Stoff, bahnte sich ihren Weg in ihre Seite. Sein Blick war ruhig, beinahe kalt und der Schrecken in ihren Augen wurde langsam zur Angst und Panik. "Was?" Man konnte förmlich spüren, dass sie es nicht verstand und wie sollte sie auch.
Er riss die Klinge aus dem Leib der jungen Frau. Monika blickte an sich herab, fühlte die Seite und hob die Finger vor ihr Gesicht. Blut rann die schlanken Finger hinab, zog leichte Fäden, verschmierte die weisse, weiche Haut. Sie schluckte und sie war nicht fähig sich zu wehren, als er ihren Mund zuhielt und die Klinge abermals in sie stiess. Er arbeitete wie eine Maschine, kalt und berechnend. Der Auftrag zählte und nicht das Leben der jungen Frau mit dem Namen Monika. Gezielt fuhr die Klinge über ihren Hals, öffnete die Schlagader und langsam sackte der Körper zusammen, röchelnd hauchte sie ihren letzten Atemzug aus. Es war getan.
Ruhig wurde die Klinge in die Manteltasche zurückgeschoben und das Ei hervorgeholt. Ein zehntel Zyklus noch, dann hatte er es geschafft. Tief in seinem Herzen hoffte er nur, dass all dies nicht umsonst war. Ein letzer Blick auf die tote Monika. "Gehe über in das nächste Leben!", sprach er noch, dann verschwand er in einer der Nischen und wartete, das der Zyklus endete und er endlich wieder daheim war.
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Alpha und Omega
Fiksi IlmiahDer Tod ist besiegt, Verbrechen, Gewalt gehören der Vergangenheit an. Bis zu diesem Abend, als Dreller angerufen wird. Eine Reihe von Morden beginnt, es gibt keine Spuren und die Frage nach dem Motiv ist noch unklarer. Eine Geschichte über die Natür...