Kapitel 9

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Ich weiß nicht mehr was ich machen soll. Ich will die Scheidungspapiere nicht unterschreiben, doch kann ich ihm nicht die Zukunft verbauen. Offensichtlich ist er beziehungstechnisch wieder glücklich und will von mir nie wieder was hören. Sonst würde er mir nicht die Papiere schicken. Um mir Rat zu holen rufe ich Meri an. Nach langem Hin und Her haben wir ausgemacht, dass sie herkommt. Sophia probiert unterdessen ihre soeben gewonnen Mobilität aus und krabbelt in jede ihr zugängliche Ecke. Langsam sollte ich mir die Zeit nehmen und die Gegenstände die nichts für ihre kleine Patschhände sind, in die Höhe räumen. Ich mache mich aber gerade wieder auf die Suche nach ihr und finde sie in der dunkelsten Ecke des Wohnzimmers, wo sie die Kiste mit den gemeinsamen Sachen von Florian und mir gefunden hat und den Deckel irgendwie abgenommen hat. Gerade will sie sich aufrichten, als es an der Türe klingelt. Ich schnappe sie mir und setze sie in ihren Gehwagen mit dem sie seit geraumer Zeit schon durch die Gegend düst. So auch jetzt. Kaum bin ich an der Tür steht sie mit ihrem Auto schon hinter mir und quiekt. An der Tür steht, wie nicht anders erwartet, Meri. Ich schiebe Sophia wieder zurück und Meri folgt mir. "Schön hast du es hier." "Komm setz dich." Meri geht zum Tisch und ich hole Sophia aus dem Auto und setze sie in das Laufgitter, da ich keine Lust habe, sie überall zu suchen. Mal wieder denke ich mir wie viel Platz meine Sachen in diesem Raum einnehmen und wie viel Platz die von Sophia einnehmen. Sie hat eindeutig gewonnen. Ich lege ihr noch ihre Rasseln und ihre Bücher hinein und setze mich dann zu Meri. Die schaut gebannt auf die Kleine. Sie ist die einzige außerhalb der Familie die weiß was vorgefallen ist und deshalb auch die Patentante von Sophia. "Was hast du denn auf dem Herzen?" Damit holt sie mich wieder aus meiner Gedankenwelt heraus. "Also, es ist so. Wie soll ich das sagen?" "Wie wäre es damit? Du sagst es einfach so wie es ist?" Eigentlich ist mir nicht danach zu mute, aber ich muss trotzdem lachen. Wortlos lege ich ihr den Brief vor. Meri liest ihn konzentriert und kann sich einen Ausruf nicht verheben. Sophia schaut erschrocken auf und schaut ihre Patentante ganz entgeistert an. "Was soll nur machen?" Schon wieder kommen mir die Tränen. Ich will das nicht mehr, aber ich kann ihn nicht loslassen. "Natürlich unterschreibst du die Papiere. Es hat keinen Sinn mehr. Er will offensichtlich nichts mehr von dir wissen." Zitternd nehme ich den Zettel aus dem Umschlag und unterschreibe. Danach rufe ich meinen Anwalt an um ihm die Unterlagen vorbeizubringen. So kommt es, dass ich Sophia dick eingepackt in den Kinderwagen setze und mit Meri zu meinem Anwalt spaziere der zum Glück ganz in der Nähe wohnt. Ich gebe ihm die Unterlagen und er verspricht mich sofort zu benachrichtigen falls wir geschieden sind.

Als ich am Abend alleine auf der Couch liege und wahllos durch das Programm zappe, denke ich an unsere gemeinsame Zeit zurück. Sieben Jahre lang sind wir glücklich gewesen und seine Liebe ist die schönste gewesen, die ich jemals gespürt habe. Ich kann es nicht leugnen, ich liebe ihn immer noch. Aber seit Sophia auf der Welt ist, ist es schlimmer geworden. Ich heule mich regelmäßig in den Schlaf, doch am Tag lasse ich mir nie etwas ansehen. Auch nicht auf der Bühne. Aber, wenn ich erst einmal geschieden bin, werde ich ihn vergessen und dann wieder lernen, wie sich Glück anfühlt. Einen ganz kleine Schritt hat meine Tochter heute schon beigetragen. Sie ist das erste Mal gekrabbelt und hat sich an der Kiste aufgezogen um zu stehen. Sie lernt mit jedem Tag mehr. Ich bin so stolz auf sie auch, wenn sie sich nicht gerade die beste Kiste ausgesucht hat, aber sie kann es ja nicht wissen. Dafür ist sie dann doch noch zu klein. Nachdem ich alle Programme durchgezappt habe. Lange bin ich auf dem Schlagersender hängen geblieben, wo eine Wiederholung der Show "Das Adventsfest der 100.000 Lichter" gelaufen ist. Das ist jene Show 2015 gewesen, wo ich noch bereitwillig Fragen beantwortet habe. Ich gehe mich bettfertig machen und lege mich dann heulend in das große Ehebett. Seitdem er weg ist, kommt es mir viel zu groß und es ist so leer. Früher hat am Morgen noch Sophia bei mir geschlafen, aber die wacht jetzt auch immer nach mir auf. Das Fernsehen ist eindeutig die falsche Entscheidung gewesen, denn ich beginne schon wieder zu heulen und es beginnt das gleich Spiel wie so oft in der Nacht. Irgendwann muss ich aber doch eingeschlafen sein...

Ich lebe jetzt - Meine Tage mit Florian SilbereisenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt