6. Kapitel

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Taylor P.O.V.

Das muss ein Traum sein.

Ich sage ihren Namen diesmal lauter, aber es klingt immer noch wie ein Frage.

„Junebug?"

Sie steht ein paar Meter von mir entfernt, sie sieht mich nur an, sagt kein Wort.

Fuck. Sie ist schöner als je zu vor. Ihr langes Haar ist jetzt blond und hat sie zu einem Zopf geflochten, der ihre locker über ihre Schulter fällt. Ihr weißes Kleid weht im Wind. Sie sieht aus, wie ein verdammter Engel.

Ich nehme jeden Zentimeter von ihr, in mir auf. Nur für den Fall, das ich träume. Denn, dann will ich sie genau so, in Erinnerung behalten.

Sie soll etwas sagen, ich will ihre Stimme hören, doch es bleibt still.

Langsam kommt sie auf mich zu, den Blick hat sie jetzt auf das Meer gerichtet. Doch als sie sich neben mich in den Sand fallen lässt, sind ihre Augen wieder auf mich gerichtet.

Ihre Augen glänzen leicht und ich weiß, dass ich mich sofort wieder in dieser Tiefe verlieren werde. Ihre vollen Lippen öffne sich leicht, als würde sie etwas sagen wollen, doch es kommt kein Ton heraus.

Wie oft habe ich mir diese Lippen in den letzten Jahren vorgestellt, wie sie meinen Namen sagen, wie sie zu einem lächeln verzogen werden, wie sie eine Flasche Schnaps berühren, wie aus ihnen Rauch geblasen wird oder wie sie die Worte Fuck sagen, was sie viel zu oft tut.

Langsam hebe ich meine Hand und lege sie an ihre Wange. Ich streiche mit meinen Daumen über ihre Unterlippe, als eine Träne über ihre Wange läuft.

Viel zu schnell steht June auf, dreht sich um und rennt davon.

Ich bin wie gelähmt, von dieser plötzlichen intimen Berührung die mein Unterbewusstsein kontrolliert hat, dass ich keine Kraft finde, ihr hinterher zu laufen.

__________

Ich weiß nicht wie viel Zeit vergeht, bis ich aufstehe, mein Shirt überziehe und zu meinem Auto laufe.

Mit zitternden Händen hole ich das Handy hervor. Fuck, ich brauche jetzt dringend einen Scheiß Drink.

„Taylor?", meldet sich mein Vater
„Dad, ich..., ich habe June gesehen. Ich glaube es zu mindestens. Und jetzt sag nicht, ich habe zu viel getrunken. Ich bin bedauerlicherweise noch viel zu nüchtern!"

Es war verdächtig still am anderen Ende der Leitung.

„Dad?"

„Mein Sohn, June ist hier im Heathcliff, aber .."

Den Rest hörte ich gar nicht mehr, so schnell lege ich auf.

Ich steige ins Auto und fahre los.
Natürlich ist sie im Heathcliff, sie hatte schon immer ein Faible für Sturmhöhe.

Meine Gedanken überschlagen sich.

Die Fahrt dauert nicht lange und schon stehe ich auf dem Hotelparkplatz.
Doch was habe ich eigentlich vor? Das ist eine dämliche Idee, mich nüchtern der ganzen Scheiße zustellen.

Seit der Eröffnung war ich nicht mehr in diesem Hotel gewesen. Ich konnte es nicht ertragen. June und Ich hätten es gemeinsam führen sollen. Mein Vater wollte sie damit überraschen, aber bevor er es konnte, ist sie einfach verschwunden.

Der Portier öffnet die Tür, „Guten Abend, Sir.", begrüßt er mich freundlich.

„Ja, Guten Abend. Sagen Sie, wo ist hier die Bar?"

Er zeigt durch die Lobby, „Am Ende einfach nach rechts und dann sehen Sie es schon."

Ich gehe schnellen Schrittes durch die Lobby ohne mich zu bedanken. Als ich um die Ecke biege und durch eine Flügeltür trete, komme ich in einem großen in blau gehaltenen Raum. Auf der linken Seite ist eine Bühne auf der ein Flügel steht und am Ende des Raumes ein großer Tresen, hinter denen viele verschiedene Flaschen stehen.

Ich laufe nach vorne und setze mich an den Tresen.

Unwillkürlich muss ich daran denken, dass June mich immer zwang, mich mit ihr an den Tresen zu setzen. Sie meinte man würde dort viel schneller seine Getränke bekommen. Natürlich hatte Sie, wie mit so vielen, Recht.

Der Barkeeper gibt ein Zeichen, dass er gleich bei mir ist.

Ich nicke.

„Was darf ich ihnen bringen?", fragt er freundlich.

Ich schaue auf und muss wieder an June denken. Sie würde meinen, der Barkeeper sein wunderschön und sie würden ihren Kopf auf meine Schulter legen und ihn anschmachten. Bei dem Gedanken muss ich lächeln.

„Vodka auf Eis."

Er schaut mich mit einem komischen Blick an, den ich nicht deuten kann und schiebt mir nach kurzer Zeit meinen Drink zu.

Bevor ich ihn runterkippe, sage ich, „Noch einen."

Plötzlich lacht er laut, „Du willst mich doch verarschen oder?"

Ich kippe den Vodka runter und spüre das vertraute Brennen.

„Bitte?", frage ich irritiert.

„Schon gut, du erinnerst mich nur an jemanden", lacht er mich an. 

Ich lege mein Gesicht in die Hände und murmele „Oh, June.."

Ich hätte es wissen müssen. Natürlich war sie in dieser Bar und natürlich hatte sie schon Bekanntschaft mit dem Barkeeper gemacht.

Mir wird ein neues Glas Vodka zu geschoben.

„Taylor oder?"

Ich beiße mir auf die Lippe und schließe die Augen.
Ich antworte nicht sondern leere mein Glas.

Der Barkeeper schiebt mir seine Hand zu und als er sie hochhebt, sehe ich darunter eine Schlüsselkarte.

„Etage 12, gleich das erste Zimmer!", sagt er auf meinem fragenden Blick.

Ich greife nach der Schlüsselkarte und sage „Danke", während ich vom Hocker steige.

__________

Leise öffne ich die Zimmertür.

„Junebug?", rufe ich, doch es kommt keine Antwort.

Ich gehe durch eine offene Tür und stehe im Schlafzimmer. Der Raum riecht stark nach Alkohol. Mitten auf dem großen Bett liegt June.

Ich setzte mich zu ihr auf die Bettkante und beobachte sie eine Weile während sie schläft.

Ich frage mich wie der Barkeeper an ihre zweite Schlüsselkarte kommt? Ist sie schon länger hier? Ist er vielleicht ihr fester Freund? Nein, June hatte keine festen Freunde. Naja, zumindest die June, die ich glaube zu kennen.

Plötzlich werde ich sauer. Was zum Teufel mache ich hier? Sie ist vor drei Jahren einfach abgehauen und hat mich alleine gelassen, obwohl wir uns geschworen hatten, beste Freunde, Geschwister für immer zu sein! Und jetzt renne ich ihr hinterher, wie ein treu doofer Welpe? Sie hat sich nicht ein mal gemeldet. Das zeigt doch, dass ich ihr nichts bedeutet habe. Ich muss hier raus...

Auf dem Nachtschrank steht eine fast leere Flasche teurer Vodka. Ich stehe auf, nehme die Decke die auf dem Boden liegt und decke June damit zu. Dann öffne ich ein Fenster, gehe zur Tür und verlasse das Zimmer.

Junebug - nicht beendet - Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt