02 | Say you'll never leave

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Nachdem ich mit Tim das Zimmer verlassen habe, schiebe ich ihn zum Fahrstuhl. „Wo gehen wir denn eigentlich hin?", fragt er als ich den Knopf zum Erdgeschoss betätigt habe. „Einfach nur raus. Vielleicht fühlst du dich dann ja frei.", lächle ich ihn an und schiebe ihn aus dem Fahrstuhl. Als wir uns ein paar Meter vom Krankenhauseingang entfernt haben, bleibe ich zweifelnd stehen. „Gefällt es dir denn?" „Oh ja, und wie! Das Krankenhaus hat mich, ironischerweise, so krank gemacht... Gibt es irgendwelche schönen Plätze in der Nähe, hier in...?", er sieht mich fragend an. „Essen", antworte ich grinsend und gehe schon einmal den Weg, der uns zur Straße bringt. „Essen... Das ist ein komischer Name für einen Ort. Kommt es nicht komisch zu sagen Ich wohne in Essen? Wobei... das wäre doch eigentlich voll das Paradies! Im Fernsehen lief letztens so ein Film, da ist einfach Essen vom Himmel gefallen." „Du meint Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen?" „Ja, irgendwie so hieß der. Wäre es nicht toll im Essen zu leben? Natürlich ohne dass es aggressiv wird! Tut mir leid, dass ich dich so zulabere..." Ich schmunzle. „Es ist alles gut, keine Sorge. Sonst würde ich mich schon beschweren.", zwinkere ich. „Und im Essen zu leben wäre halt schon sehr pornös..." „Aber gibt es hier denn gute Plätze in der Nähe?" „Ja, wir können zum Kaiser-Wilhelm-Park gehen." „Wie weit ist das von hier?" „Weiß nicht... Vielleicht zwei Kilometer?" „Ok" Während wir auf dem Weg zu besagtem Park sind, reden wir nicht miteinander. Tim scheint zu begeistert vom Park davon zu sein, dass er endlich mal außerhalb des Krankenhauses sein durfte, da will ich ihn nicht stören. Nach einem Fußweg von ungefähr einer halben Stunde kommen wir schließlich bei der Parkanlage an. Prinzipiell ist der Park der Traum schlechthin. Es ist eine Rasenfläche, auf der viele Bäume wachsen, unter anderem Trauerweiden und Eichen. Neben einigen Spiel- und Sportanlagen ist auch ein riesiger Teich aufzufinden, in dem sich mehrere Enten befinden. Nicht nur deswegen finde ich den Park sehr schön, nein. Er hat auch Geschichte geschrieben, aber das interessiert jetzt nicht. In der Mitte des Teiches befindet sich eine Wasserfontäne, die dafür zuständig ist die Wasserqualität zu verbessern. Um dem Kahnteich herum stehen viele Bäume, überwiegend Eichen.

„Ich glaube Essen ist auch ohne die vielen Nahrungsmittel ein Paradies.", gibt Tim nach einiger Zeit zu bedenken. „Gefällt dir der Park?" „Ja" „Sollen wir uns irgendwo hinsetzen oder sollen wir im Park spazieren?" „Spazieren, bitte." Also bewege ich mich langsamen Schrittes fort, schiebe Tim vor mich her und genieße ebenfalls die Aussicht. „Danke, dass du mir das zeigst." „Dafür brauchst du dich nicht bedanken, Tim. Es freut mich, dass es dir gefällt." Während wir uns durch den Park fortbewegen, kommen wir an einem Spielplatz vorbei und an einem Steinkunstwerk. Es besteht aus zwei Steinsäulen zwischen denen sich viele kleine Steine befinden. Rund herum liegen mittelgroße, grau-weiße Steine. „Können wir etwas essen?" „Gab es im Krankenhaus nicht erst vor drei Stunden Mittag?" „Doch, aber ich habe nichts gegessen." Ich seufze und schlage die entgegengesetzte Richtung ein, dann können wir nach dem Essen auch gleich wieder zum Krankenhaus zurückgehen. „Tut mir leid." „Was tut dir leid?" „Dass ich dir so sehr zur Last falle." Abrupt halte ich an und gehe um den Rollstuhl herum, damit ich Tim ansehen konnte. Um auf Augenhöhe zu sein hocke ich mich hin und nehme anschließend seine Hände in meine. „Tim, du hört mir jetzt ganz genau zu, okay?" Er nickt verunsichert. „Gut. Schreibe dir bitte eines hinter die Ohren: Du bist keine Last. Ich verbringe gerne Zeit mit dir, sehr gerne sogar. Und ich freue mich, dass du deine Wünsche frei äußerst. Ich möchte nicht, dass du dich schlecht fühlst, egal ob es den Ursprung im Befinden der Menschen in deinem Umkreis hat oder es deine Bedürfnisse sind. Ich möchte, dass es dir gut geht. Hast du das verstanden?", frage ich ihn ernst und drücke beschwichtigend seine Hände. „Ja, aber-" „Kein aber. Hast du mich verstanden?", frage ich erneut. Er sieht auf seine Hände und nickt. Bevor sein Blick dort festklebt, lege ich meine Hand unter sein Kinn und bewege seinen Kopf vorsichtig nach oben. „Und jetzt suchen wir uns etwas zu Essen. In Ordnung?", grinse ich ihn schief an. Während er erneut nickt streiche ich kurz über seine Wange, stehe auf und schiebe Tim wieder vor mich her.



Wie gefällt es euch denn bisher?:)


Zum zweiten mal geboren [Stexpert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt