07 | Trying to be a good friend

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„Tut mir leid, dass ich gestern nicht wollte, dass du kommst." „Kein Problem, das kann ich verstehen. Ich bin ja wieder da, siehst du?", grinse ich ihn schief an und gehe auf ihn zu. „Ist gestern denn noch etwas passiert?" „Es war sterbenslangweilig ohne dich. Das mache ich nie wieder, glaub ich." Ich fahre ihm durch die Haare und setze mich auf den Stuhl. „Du siehst schon wieder aus dem Fenster." Tim nickt lediglich. „Wir müssen dich hier herausbekommen.", stelle ich nach langer Zeit erdrückender Stille fest und stehe auf. „Was willst du machen?" „Na Dr. Buchmeier fragen, ob es irgendwie möglich wäre." „Wie stellst du dir das vor? Ich kann nicht einmal gehen! Wie kannst du dann denken, ich würde aus diesem Gefängnis hier herauskommen? Stegi, du musst aufhören so viel zu fantasieren und anfangen, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Ich komme hier so schnell nicht mehr heraus." Ich seufze und drehe mich zu Tim um. „Und du musst aufhören nur vom schlechtesten auszugehen und anfangen, es zu versuchen.", antworte ich kälter als gewollt und verlasse das Zimmer. »Du meinst doch sicherlich nächstes Wochenende? Das würde sich doch jetzt gar nicht mehr lohnen, so auf dem Sonntag. Aber du kannst gerne vorbeikommen, wir würden uns freuen! <3« Dass ich meiner Schwester eine Nachricht geschrieben habe ist mir schon komplett entgangen, umso erstaunter war ich noch vor ein paar Sekunden, dass mein Handy vibriert hat, setze meinen Weg jedoch unbeirrt fort. „Ah, Stegi, schön Sie wiederzusehen.", werde ich von Dr. Buchmeier begrüßt. „Könnte ich mal eben mit Ihnen reden? Wenn möglich in Ihrem Büro oder so?" „Das ist gerade schlecht, ich bin auf dem Weg zu einem anderen Patienten. Wenn Sie doch schonmal in meinem Büro warten würden, ich komme dann nach.", lächelt er. Ich gehe sofort auf sein Angebot ein und setze mich auf einen der beiden Stühle, die vor dem Schreibtisch stehen. Meine Arme auf den Armlehnen abgestützt sehe ich mich schon zum zigsten mal um, lese mir das zigste mal die Auszeichnungen durch und sehe mir zum zigsten mal die Bilder an, die vom Kindergarten für Dr. Buchmeier gemalt wurden. Eigentlich ist sein Büro verhältnismäßig gemütlich eingerichtet, es kommt nicht so offiziell vor, sondern individuell. Ein eigener Arbeitsplatz eben. Nach ungefähr einer halben Stunde kommt der Inhaber dieses Raumes auch schon und nimmt gegenüber von mir Platz. „So, was wollen Sie mich denn fragen?", währenddessen setzt er seine Brille ab und sieht mich durchdringend an. „Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben, dass Tim hier mal rauskommt. Ein Wochenende, vielleicht auch nur eine Nacht. Hauptsache, er schläft nicht mit dem sterilen Geruch ein und wacht eingeschlossen in den weißen Wänden wieder auf. Eine Art Auszeit sozusagen..." „Ich verstehe, was Sie meinen, allerdings ist das in seinem Zustand nicht nicht zumutbar für einen Pfleger, noch weniger für Tim." „Und wenn ich Ihnen sage, dass ich dabei sein werde, ihm keinen Augenblick von der Seite weiche? Sie wissen mittlerweile doch am besten, dass ich ihm nichts böses möchte. Aber er kennt doch nur das Krankenhaus, das ist die Welt, die er kennt." Der Arzt denkt einige Sekunden nach. „So sehr ich mir auch wünsche Ihnen diesen Wunsch erfüllen zu können, Tim kann ja nicht einmal richtig gehen. Wie wollen Sie ihm dann helfen?" „Es gibt Rollstühle und wenn ich ihn nur für eine Nacht in meine Wohnung mitnehmen darf... Alles ist besser, als tagein tagaus Krankenhaus, wenn er doch nichts anderes kennt." „Ich bleibe bei meiner Aussage, es ist noch nicht zumutbar. Wenn Sie in einem Monat nochmal nachfragen, bin ich mir sicher, Ihnen anderes mitteilen zu können." „Gut... Danke für die Auskunft." Während wir unsere Hände schütteln lächle ich gequält und erhebe mich. Traurig öffne ich die Tür und gehe den Gang entlang zu Zimmer 317. Meine Schritte hallen wieder, und wäre ich nicht so in Gedanken versunken, hätte ich bestimmt gemerkt, dass ich dabei bin in einen Menschen hineinzulaufen. Aber ich bin in Gedanken versunken und begreife die Situation zu spät, um das ungewollte Opfer meiner Abwesenheit vor dem Sturz zu bewahren.

Zum zweiten mal geboren [Stexpert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt