Ich war fast bei der Busstation angekommen, als es anfängt zu regnen. Kleine, nasse, kalte Tropfen, die rasch die komplette Straße bedecken und mich den restlichen Weg klatschnass antreten lassen. Als ob es einen Unterschied macheun würde, ob meine Kleidung nun nass oder trocken war.
Fast da. Ein paar Schritte noch, dann stehe ich unter dem kleinen Dach, das die Station überdeckte.
Fünf Minuten Wartezeit. Missmutig schiebe ich mir die kleinen Kopfhörer in die Ohren und beginne, mich umzusehen.
Es sind kaum Leute hier, nur eine Frau mit einem kleinen Mädchen an der Hand - ihre Tochter, vermute ich. Ich beachte sie nicht weiter; es sind Menschen wie alle anderen, und schließlich ignorieren sie mich auch.
Dachte ich zumindest, bis ich ein Zupfen an meinem Hosenbein spüre. Ich blickte hinunter und sah das Mädchen neben mir stehen. Überrascht drehe ich die Musik aus; es kam nicht alle Tage vor, dass jemand mich ansprach. Doch anscheinend kennt dieses Kind keine solche Scheu, ihre haselnussbraunen Augen blicken mich ohne jedes Unwohlsein an.
"Du siehst unglücklich aus" sagt sie mit einer hohen, leisen Stimme. Sprachlos sehe ich sie an, unfähig, eine Antwort auf diesen schlichten, einfachen Satz zu geben.
"Hinami! Lass das arme Mädchen in Ruhe und komm wieder hierher!"
Nun tritt ihre Mutter in Aktion, ein entschuldigendes Lächeln auf den Lippen. Gleich würde ein Satz kommen, in Richtung Verzeihen Sie mir bitte die Störung, sie ist nun mal ein kleiner Quälgeist. Dann würde sie ihre Tochter an der Hand nehmen und sie sanft von mir wegziehen.
"Bitte entschuldigen Sie meine Tochter Hinami, sie ist erst fünf und spricht gerne mit Fremden. Komm jetzt, Hinami, das Mädchen will sicher ihre Ruhe haben."
Wow, für jemanden, der nur alle paar Tage mal den Mund aufmacht, um zu kommunizieren, habe ich eine ziemlich gute Menschenkenntnis.
Zu meiner eigenen Überraschung höre ich mich sprechen:
"N-nein, ist schon in Ordnung, danke.", begleitet von einem kleinen Lächeln rund um meine Mundwinkel, eigentlich nur angedeutet, aber trotzdem genug, damit die Frau stehenbleibt und mit den Schultern zuckt. Wie Sie meinen, sagt ihre Miene, dann zieht sie eines dieser noblen Smartphones aus der Tasche und beginnt, darauf zu tippen.
Noch zwei Minuten, bis der Bus kommt. Ich wende mich dem kleinen Mädchen - Hinami - zu. Ein schöner Name, der mich an einen warmen Sommertag erinnert.
"Wie kommst du denn darauf?"
Meine Stimme ist leise, und obwohl ich mir alle Mühe gebe, unbeschwert zu klingen, schwingt ein leicht bitterer Unterton mit, der deutlich macht, dass dieses kleine Kind längst die Wahrheit auf den Punkt gebracht hat.
Sie sieht mir in die Augen, legt den Kopf ein wenig schief.
"Stimmt es denn nicht?"
Verdammt, dieses Kind hat eine ziemlich gute Menschenkenntnis.
Eine Minute, bis der Bus kommt.
Angesichts meines Schweigens blickt sie mich fragend an. Wartet darauf, dass ich eine Antwort gebe.
"Ja... Vielleicht hast du Recht."
Mehr sage ich nicht, mehr kann ich nicht sagen. Dieser kleine Satz Wahrheit war schon viel für mich, das Eingestehen einer Tatsache, die ich selbst verleugnet hatte.
Ich war einsam.
Hinami nickt verständnisvoll, und ich glaube, sie will noch etwas sagen, aber da kommt der Bus, mit quietschenden Reifen und einem Schwall Wasser. Die Türen öffnen sich zischend, und ich steige ein, Hinami und ihre Mutter kurz danach. Niemand spricht mehr, und ich setze mich in einen der abgenutzten Sessel. Eine Station zieht vorüber, eine zweite...
"Komm, Hinami. Wir müssen aussteigen."
Die Kleine nickt kurz, dann rennt sie zu mir, stellt sich auf die Zehenspitzen und flüstert mir ins Ohr:
"Wenn du unglücklich bist... Warum machst du dann nichts dagegen?"
Ich lächle, und es ist tatsächlich ein echtes Lächeln.
"Vielleicht werde ich das wirklich machen. Machs gut, Hinami, ja? Und... Danke."
Sie lächelt zurück, dann läuft sie zurück zu ihrer Mutter, nimmt ihre Hand und winkt mir zu, während beide durch die Türen nach draußen in den strömenden Regen verschwinden. Nachdenklich und noch immer ein leises Lächeln am Gesicht, sehe ich den Beiden nach.
Ich denke, ich werde heute noch einen Anruf tätigen.
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Short Story Stuff
Kort verhaalKurze Texte, Drabbles und Ähnliches, direkt von meinen Gedanken auf das imaginäre Wattpad-Papier übertragen. Können sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch sein, und der Inhalt wird vermutlich stark variieren. Lasst euch überraschen!