Kapitel 11 - Geschwister

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(Petes Sicht)

Morgen ist eine ganze Woche um.

Eine ganze Woche und ich habe es nicht geschafft, weiter als bis zu dem Park gegenüber meines Wohnhauses zu gehen, damit Henry sein Geschäft erledigen kann. Und auch diese Tätigkeit nimmt mit jedem Tag an Länge ab. Er braucht viel mehr Bewegung, aber ich kann einfach nicht, alles ist so ermüdend.

Aber vielleicht wird es jetzt anders, da meine Schwester kommt. Ich freue mich... irgendwie, aber eigentlich hätte sie auch zuhause bleiben können. Mir geht es ja gar nicht so schlecht.

Am frühen Nachmittag erklingt das Geräusch meiner Türklingel, weswegen Henry aufspringt und zur Tür rennt. Anstatt wie andere Hunde zu bellen, beginnt er zu winseln vor Aufregung. Komischer Kauz.

Eigentlich wäre es nun der richtige Moment aufzustehen, um die Person, vermutlich meine Schwester, hereinzulassen, nur liege ich gerade wirklich bequem. Noch einmal läutet es, diesmal lange. Das Geräusch ist nervig und da es so schrill, klingeln meine Ohren. Ich bekomme noch einen Tinnitus, wenn das so weitergeht.

Da ich trotzdem nicht aufstehe, höre ich nach einiger Zeit, wie sich die Türe öffnet. Nun kommt mir wieder in den Sinn, dass Paulina einen Schlüssel besitzt. Es ist mir schleierhaft, aus welchen Gründen, sie ihn nicht gleich benutzt hat. Vermutlich nur um mich zu ärgern, da ich mich dadurch bewegen hätte müssen. Naja, nicht mit mir.

"Scheiße...", höre ich sie von sich geben. Ein paar Schritte später, sehe ich ihren Kopf in meinem Sichtfeld.

Ärgernis und Sorge spiegeln sich in ihren braunen Augen. Sie könnte jede Emotion zeigen, sie könnte sie sogar hinausschreien, ich würde nicht nachvollziehen können, was sie zu dieser Gefühlslage geleitet hat. Aus diesem Grund ist es mir in diesem Moment also relativ unwichtig, was in ihr vorgeht. Die weiße Decke hinter ihrem Kopf ist für mich gerade interessanter.

Anstatt so wie sonst, mich zu begrüßen, wirft sie mir ein Döschen auf die Brust.

"Aua.", grummle ich, reibe mir die getroffene Stelle.

Tianeptin. Sofort verdrehe ich die Augen und lasse das Behältnis quer durch das Loft fliegen. Es kommt nie am Boden an, Paulina wird es wohl gefangen haben.

Sie seufzt schwer.

"Du musst das nehmen.", murrt sie, lässt sich neben mir nieder.

Mit einem genervten Stöhnen rutsche ich ein wenig, damit sie mehr Platz findet. Wieder landet die Packung auf meiner Brust, doch diesmal nicht so fest.

"Soll ich dir ein Glas Wasser holen?", fragt sie ruhig, ihre braunen Augen durchbohren mich.

Normalerweise würde ich jetzt vermutlich versuchen meine Emotionen zu verstecken, nur denke ich, ist das gar nicht notwendig. Ich fühle nichts außer Einsamkeit und auch, wie schwer es in meiner Brust ist. Es ist ein gebrochenes Herz.

Apathisch zucke ich einfach nur die Achseln. Sie steht wieder auf, begibt sich in die Küche und füllt ein Glas mit Wasser. In der Hand hält sie bereits die weiße Tablette. Mir ist noch nicht einmal aufgefallen, dass sie eine aus dem Döschen geholt hat.

"Hier. Trink' am besten gleich aus, du siehst nicht gut aus.", murmelt sie bedrückt.

Natürlich sehe ich nicht gut aus, die meiste Zeit verbringe ich am Sofa und ich lebe von Pizza, Burger und chinesischen Essen. Es ist das passiert, was ich vermeiden wollte. Nur ist es so einfacher, deswegen ist es nicht schlimm.

Sie drückt mir Glas, sowie Medikament in die Hand. Ich nehme es in den Mund, lege es jedoch unter meine Zunge und trinke die Flüssigkeit auf Ex.

Hassende LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt