Kapitel 4 - Montag 14 März 2016

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"Wo warst du?" Leon stand, sie erwartend, mit verschränkten Armen vor ihr, nur wenige Meter entfernt. Seine schwarzen Haare waren ordentlich gekämmt und er trug ein dunkelgraues Poloshirt mit einer hellen Jeans, anscheinend hatte er sich für ihr kleines Date fertig gemacht. "Ich war noch einkaufen, wir können gleich los." Seine dunkelblauen Augen musterten sie skeptisch, ob er etwas ahnte? Nicole brachte die zwei Taschen voller Lebensmittel in die Küche und begann, sie in die Schränke zu räumen. "Du hast also drei ganze Stunden gebraucht, um das hier", er zeigte auf die Plastiktüten, "Einzukaufen?" Ihr Herzschlag beschleunigte sich vor Angst, was sollte sie ihm erzählen? Er würde es nicht gerade gutheißen, dass sie zur Redaktion gefahren war, an ihrem freien Tag, aber sollte sie ihn deswegen anlügen? "Es ist etwas dazwischen gekommen. Und so lange war ich auch wieder nicht weg." "Was ist dir dazwischen gekommen, Nicole?" Leon klang gereizt, sie schluckte schwer und konzentrierte sich ganz auf die Milch, die sie in den Kühlschrank stellte. "Nichts wichtiges, jemand hat mich um einen Gefallen gebeten." Ihre Hände zitterten ein wenig, sie war nervös, was ihren Herzschlag abermals dazu brachte sich zu beschleunigen, wobei sie vor zwei Dingen Ankst hatte: Dass Leon möglicherweise ihr Herz schlagen hören würde und dass sie einen Herzinfarkt bekommen könnte. Nicole spielte mit ihren langen, braunen Haaren herum, die sie heute ausnahmsweise offen trug, und wartete auf eine Antwort. Genau genommen hatte sie bisher nicht gelogen, es war etwas dazwischen gekommen und zwar, dass ihr Boss sie darum gebeten hatte in die Redaktion zu kommen, was man durchaus auch als Gefallen auffassen konnte. Aber dennoch breite sich ein ungutes Gefühl in ihr aus, während sie den noch zur Hälfte gefüllten Wasserkocher aktivierte, um sich einen Kaffee zu machen. Etwas ungeschickt öffnete sie den Mattweißen Küchenschrank über ihr und holte eine kleine Tasse heraus, auf der viele kleine Kaffeebohnen auf hellbraunem Hintergrund abgebildet waren. Das Kaffeepulver stand noch neben dem sich erhitzenden Wasserkocher und sie nahm sich einen Löffel aus der Schublade unter dem Herd, um etwas davon in die Tasse zu schaufeln. Warum antwortete Leon nicht? War er gegangen oder stand er einfach nur da, um sie zu beobachten, darauf zu warten, dass sie zusammenbrach und ihm alles erzählte? Beides hätte zu ihm gepasst, aber als Nicole sich umdrehte bemerkte sie, dass es noch viel schlimmer war. Die Küchentür war halb geschlossen, aber durch den Spalt konnte sie beobachten, wie er ihre Jackentaschen, in einer von denen ihr Handy lag, durchsuchte und schließlich, noch bevor sie etwas dagegen tun konnte, den kleinen, schwarzen Kasten herauszog, in dem der Beweis für das vorhanden war, was er wahrscheinlich schon vermutete. Sie war wie erstarrt, das Piepen des Wasserkochers, welches signalisierte, dass das Wasser nun kochte, nahm sie nur am Rande war. Ihr Instinkt sagte ihr sie sollte fliehen, am besten durch das Küchenfenster, in ihren Wagen steigen und wegfahren, aber ihr Körper reagierte zum Glück nicht. Dieses Verhalten hätte ihn nämlich erst recht misstrauisch werden lassen und wie wahrscheinlich war es schon, dass er sich ihren Pincode gemerkt hatte? 1356, diese Zahlen hatte Nicole rein zufällig ausgewählt, sie hatten keinerlei Bedeutung für sie, also konnte er sie auch schlecht erraten. Leon tippte etwas ein, kannte er ihren Code etwa doch? Sie beschloss, ihn so bald wie möglich zu ändern, der Sinn eines Pincodes war es ja schließlich, dass ihn niemand kannte und für Leon würde sie dabei keine Ausnahme machen. Es war nicht so, dass sie ihm nicht vertraute, aber es behagte ihr nicht, dass jemand jederzeit ohne ihr Wissen in ihren persönlichen Dateien stöbern konnte. Sie brauchte einfach eine Möglichkeit, ein Geheimnis bewahren zu können, egal wie winzig es auch war. Aber das war gerade ihr geringstes Problem, wenn Leon die SMS von ihrem Boss finden würde, dann konnte sie sich auf eine lange, nervenaufreibende Diskussion freuen, in der er sie bedrängte sich einen neuen Job zu suchen. Aber Nicole liebte ihre Arbeit, sie musste zwar öfters Überstunden machen und sich manchmal mit verdammt nervigen Kollegen herumschlagen, Thomas Hendriks war da ein gutes Beispiel, aber es gab für sie nichts schöneres, als einen kleinen Artikel über ein Buch oder einen Film zu schreiben. Leon bewegte seinen Zeigefinger über den Bildschirm ihres Handys, runzelte dabei die Stirn und sah von links nach rechts, immer wieder, als würde er etwas lesen. Nicole merkte jedoch ziemlich schnell, dass er nicht wirklich etwas las, dafür bewegte er seine Augen viel zu schnell. Hatte er vielleicht nur so getan, als hätte er ihren Code eingegeben? Er blickte von dem Gerät aufund öffnete die Tür komplett. "Hast du mir etwas zu sagen, Nicole?" Leon drehte sich erst jetzt zu ihr um, sah sie herausfordernd an und hielt das S4 Mini etwas in die Höhe, aber so dass sie nur die Rückseite ihres Handys sehen konnte. Mitlerweile war sie sich sicher, dass er rein gar nichts über die SMS wusste, geschweige denn sie gelesen hatte. Also setzte sie alles auf eine Karte und antworte so unschuldig wie möglich. "Nein, nicht dass ich wüsste, warum?" Der skeptische, forschende Blick seiner dunkelblauen Augen brannte sich wie Feuer in die ihren, aber dieses Feuer wich bald den beruhigenden, sanften Wellen eines tiefblauen Ozeans. Leon glaubte ihr, würde vermutlich auch nicht weiter nachfragen und einfach den Tag mit ihr genießen. Er legte ihr Handy behutsam auf den Küchentisch, schlag seine Arme um sie küsste Nicole leicht auf die Wange. Es was seine Art, sich bei ihr für sein Misstrauen zu entschuldigen, obwohl es eigentlich doch gar nichts zu entschuldigen gab. Ein ungutes Gefühl breitete sich in Nicole aus, das auch nicht verschwinden wollte, als sie auf dem Beifahrersitz ihres VW saß und auf die vorbeiziehenden Häuser starrte. Dieses Gefühl kam nicht daher, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, eher das Gegenteil. Sie hatte zwar ein schlechtes Gewissen, ein starkes Unwohlsein in ihrem Bauch, das sich wie ein Virus in ihr ausbreitete und von Sekunde zu Sekunde schlimmer wurde, aber nicht, weil sie Leon angelogen hatte sondern, weil es ihr nichts ausgemacht hatte. War sie wirklich so eiskalt, dass sie dem Mann den sie über alles liebte, ins Gesicht lügen konnte, ohne rot zu werden? Die Antwort traf sie nur wenig später wie ein Schlag ins Gesicht, wie ein Schlag von einem Profiboxer in der Bestform seines Lebens. Ja. Aber warum, was hatte sie nur dazu gebracht so zu werden?

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Das war Kapitel 4, ich hoffe es war lesenswert :) Mein Ziel war es, in diesem Kapitel eine etwas andere Seite von Nicole aufzuzeigen, ich hoffe das ist mir gelungen ^-^ Ich würde mich riesig über ein paar Kommentare freuen, aber bin natürlich auch dankbar für jeden einzelnen Leser :)
Eure Naira ♡

JournalistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt