Kapitel 7 - Dienstag 15 März 2016

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Gelangweilt saß Nicole auf der grauen Coach, rührte ihren Earl-Grey Tee um und starrte aus dem Wohnzimmerfenster. Die grauen Wolken hatten sich seit gestern nicht mehr verzogen und überschütteten die Straßen und Gärten geradezu mit Wasser, sodass man nicht einmal eine Minute das Haus verlassen konnte, ohne vollkommen durchgeweicht zu werden. Sie wusste, wovon sie sprach denn sie hatte versucht, zur Garage zu gelangen und ihren blauen Scirocco herauszuholen, aber bevor sie auch nur die Garage, die nur etwa 15 Meter von ihrer Haustür entfernt war, erreicht hatte war sie, trotz Regenschirm, klitschnass. Nicole hatte lieber darauf verzichtet, die hellen Sitzpolster mit Wasserflecken zu verschandeln und war wieder in ihre Wohnung zurückgekehrt, um sich erst einmal etwas Trockenes anzuziehen. Nun saß sie da, in einem gemütlichen, blauen Pullover und einer Jogginghose, trank einen Tee nach dem anderen und hoffte, dass der Tag bald enden würde. Leon war noch immer schlecht gelaunt, was er auch ein wenig an ihr ausließ, aber das konnte sie ihm nicht übel nehmen, nicht mit dem Wissen, dass sie ihn mit jeder Sekunde, in der sie ihm ihre Versetzung verschwieg, fast schon ins Gesicht log. Genaugenommen verschwieg sie ihm nur etwas, was in ihren Augen aber mindestens genauso schlimm war. Und dann war da noch diese Nervosität wegen dem morgigen Tag, ihrem ersten Tag im Außendienst, dem Tag an dem sie ihren neuen Kollegen kennenlernen würde. Hätte Nicole seinen Namen gekannt, hätte sie gründlichst im Internet recherchiert, versucht alles über ihn herauszufinden, was es herauszufinden gab, damit sie ihn besser einschätzen konnte. Wie sah er aus, was für einen Charakter hatte er, wie alt war er? Würde sie mit ihm klarkommen, oder eher nicht? Fragen über Fragen, auf die sie wohl erst morgen früh eine Antwort erhalten würde. Genauer gesagt in 19 Stunden und 37 Minuten, dann würde ihre Schicht beginnen. Vielleicht würde sie auch ein wenig früher hinfahren, damit sie auch ja nicht zu spät kam, denn das würde bestimmt keinen guten Eindruck hinterlassen. Nur ein paar Minuten, fünf oder sechs. Oder doch zehn? Da konnte sie eigentlich auch gleich eine ganze Viertelstunde früher da sein. Nicole musste über sich selbst lachen, warum war sie auf einmal so nervös? Es war doch nur ein neuer Kollege, kein Grund gleich komplett verrückt zu werden. Sie nahm sich vor, ganz normal zur Arbeit zu fahren, zur gewohnten Zeit, was sowieso bedeutete, dass sie eine ganze Weile zu früh kommen und dann im Auto warten würde, damit sie nicht übereifrig wirkte. „Hey, was machst du da?" Leons Stimme holte Nicole aus ihren Gedanken zurück in das kleine Wohnzimmer und stellte ihr eine Frage, die sie nicht einmal genau beantworten konnte. Was tat sie hier eigentlich? Aus dem Fenster starren, kalten Tee umrühren und so intensiv über ihre Arbeit nachdenken, dass es schon fast nicht mehr gesund war? Ja, das dürfte in etwa zutreffen. „Den Regen beobachten und Tee trinken." Anscheinend war seine schlechte Laune so plötzlich verschwunden, wie sie gestern nach dem Kinobesuch aufgetaucht war, denn er setzte sich neben sie und legte seinen rechten Arm um Nicole, wobei sie sich seltsamer Weise nicht sonderlich wohlfühlte. Vermutlich lag es daran, dass sie genau wusste, wie viel sie ihm verschwieg, dass sie ihn noch viel öfter würde anlügen müssen, um ihr Geheimnis zu bewahren. „Was hältst du davon, dir auch noch die restliche Woche frei zu nehmen? Mein Chef würde mir auch frei geben und wir könnten ein paar Tage weg fahren, nach Berlin, Hamburg, Bremen, wohin du willst." Was sie davon hielt? Gar nichts. Der Gedanke morgen wieder zur Arbeit gehen zu können hatte ihr die Kraft gegeben, ihr Lügengerüst aufrecht zu erhalten, nicht unter der Last zusammenzubrechen, und jetzt sollte sie noch weitere fünf Tage warten, bis sie in die Redaktion konnte? Niemals, das würde sie nicht zulassen. „Ich denke nicht, dass mein Boss das genehmigen würde, außerdem ist das Wetter", sie deutete nach draußen, „Nicht gerade das Beste für einen Urlaub." „Das heißt, du würdest nicht gerne wieder nach Berlin? Wir waren schon so lange nicht mehr dort, oder in Bremen, Hamburg." Vermisste er das Stadtleben wirklich so sehr? Er war in Hannover aufgewachsen und dann für eine Ausbildung zum Mechaniker nach Moormerland gezogen, wo sie sich auch kennengelernt hatten, aber an den Wochenenden hatte er sich fast immer in den Zug gesetzt, um seine Familie zu besuchen. Nicole hatte es dagegen nie lange in Städten ausgehalten, selbst in einer kleinen Stadt wie Leer fühlte sie sich nicht lange wohl. „Es geht wirklich nicht Leon, aber ich verspreche dir, dass ich Freitag pünktlich Feierabend mache. Dann können wir nach Leer fahren und uns einen wunderschönen Abend machen." Er seufzte genervt auf, gab dann aber doch nach. „Na schön, wenn du meinst." Wirklich froh war er darüber nicht wie es schien, aber immerhin hatte sie es geschafft das Thema vorerst abzuhaken. Der Rest des Tages verging quälend langsam, die Minuten krochen nur so dahin, selbst als sie sich einen ihrer Lieblingsthriller aus dem Bücherregal genommen und mit dem Lesen angefangen hatte. Als es dann endlich soweit war, dass sie ins Bett gehen konnte, schlief sie fast sofort ein, wachte aber schon um vier Uhr morgens auf, als Leon sich gerade für seine Schicht fertig machte. Nicole wartete, bis er das Haus verlassen hatte, bevor sie aufstand, damit sie ihm nicht noch mehr Lügen über ihre Arbeit auftischen musste, und machte sich bereit für ihren ersten Arbeitstag als Reporterin. Ihr Verstand arbeitete die ganze Zeit über an der Lösung eines einzigen Problems, wie sollte sie gegenüber ihrem neuen Kollegen auftreten? Selbstbewusst und offensiv oder doch lieber etwas zurückhaltend und defensiv? Selbst als sie ihren Scirocco auf dem noch verlassenen Parkplatz vor der Redaktion abstellte und einige Minuten wartete, da sie viel zu früh dran war, hatte sie noch keine Antwort gefunden. Der Regen hatte über Nacht nachgelassen und vor wenigen Minuten komplett aufgehört, perfektes Timing. Nicole stieg aus, ihre Nervosität stieg mit jedem einzelnen Schritt in Richtung Gebäude und noch viel schneller, als sie ein anderes Auto auf den Parkplatz fahren sah. Es war ein mittel- bis dunkelgrüner Opel Astra, eine ziemlich schöne Farbe, die an die Blätter von Kastanienbäumen erinnerte. Sie ignorierte den Wagen und lief weiter in Richtung Eingang, aber das ignorieren klappte doch nicht ganz so gut, wie sie es gerne gewollt hätte.

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Das war Kapitel Nummer sieben, ich hoffe sehr, dass es euch gefallen hat :D Was glaubt ihr, was passiert als nächstes? ^-^ Ich würde mich wirklich sehr über ein paar Kommentare freuen, egal was drin steht :D Und natürlich ein ganz großes Dankeschön an alle Leser und Voter ♡

Lg, eure Naira

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 16, 2016 ⏰

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