2.2 Charakterdesign allgemein

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Bevor ich mich in den folgenden beiden Kapiteln mit zwei unterschiedlichen Methoden des Charakterdesigns beschäftige, möchte ich mich zuvor noch einmal zur Mary Sue (in männlich auch gerne Gary Stu) äußern, die ich im Kapitel zuvor erwähnt habe.

Ich habe auf einer Wiki-Seite, die sich der Reinheit der Fanfictions verschrieben hat [ppc.wikia.com], folgendes Bild gefunden:

Wir sehen hier die Mary Sue in all ihrer Abscheulichkeit:

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Wir sehen hier die Mary Sue in all ihrer Abscheulichkeit:

✧ Das erste Bild zeigt, was man generell so von ihr denkt: Ihr Daseinszweck ist es, mit ihrem bombastischen Aussehen den heißesten Kerl des Fandoms zu verführen.

✧Auf dem zweiten Bild sehen wir einen verzweifelten Fan, der einen Wutausbruch nach dem anderen erlebt, weil die Mary Sue die Geschichte zerstört.

✧Besonders gut ist das dritte Bild: Keiner der eigentlichen Hauptpersonen kennt Mary Sue, doch jeder ist interessiert an ihr.

✧Auf dem vierten Bild sehen wir die eigentliche Tragik: Die Autoren denken meist, sie kreieren eine tolle, starke Power-Frau, die unabhängig und fortschrittlich ist, ihr eigenes Schicksal gestaltet und auf Männer pfeift – ein feministisches Anliegen.

✧Die Mary Sue selbst wiederum, wie auf Bild fünf zu sehen, lebt in Wirklichkeit einzig und allein für ihre Liebe zu der Hauptperson

✧Und auf Bild sechs schließlich sehen wir, warum sie eigentlich so zerstörerische Gewalt hat: Ihre übermenschlichen Kräfte sorgen dafür, dass jegliche Konflikte sofort gelöst werden können, die Geschichte also keinen Plot mehr hat, und wir automatisch beim Happy End ankommen.


Was kannst du tun, um selbst zu vermeiden, eine Mary Sue zu schreiben? Halte dir immer vor Augen, dass deine Leser mit deinen Hauptpersonen mitleiden wollen. Sie wollen sie mögen, sicher, aber sie wollen nicht von ihnen eingeschüchtert werden. Die Leser wünschen sich eine spannende Reise, auf der die Charaktere lernen, scheitern, wachsen.

Einen Charakter zu erstellen, ist wie eine Statue aus Marmor zu hauen: Zunächst formst du das Marmor ganz grob – überlegst dir den Stereotyp, dem dein Charakter entsprechen sollst – und erst, wenn die Form erkennbar ist, kommen die Feinheiten, erst dann schleifst du die Statue rund, fügst Falten ins Gewandt der griechischen Göttin, gibst ihrem Haar Locken und arbeitest die Augen heraus. Ebenso bei einem Charakter: Nachdem der Stereotyp klar ist, fügst du Charakterzüge hinzu, die das Klischee auflösen und einen echten Charakter mit Tiefgang erzeugen.

In den nächsten beiden Kapitel werde ich zwei unterschiedliche Methoden zeigen, wie man einen Charakter kreieren kann: den Steckbrief und den Lebenslauf.


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