Kapitel 3

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Nachdem ich mich fertig umgezogen hatte, zog ich den Vorhang zur Seite und lief zu
Lucy die schon am Ausgang auf mich wartete. In dem Moment kam auch das Schneewittchen herein und betrachtete mich von oben bis unten. Na toll, schon schlimm genug das der Type uns überhaupt begleitet, aber muss ich dabei ausgerechnet diese blöden, und nur Mal nebenbei bemerkt viel zu großen, Sachen anhaben?
Ich hoffte nur das er nicht bemerkte wie ich Rot wurde. Als ich ihn aber ansah grinste er nur schelmisch. Mistkerl!
„Na endlich fertig?"
Um vielleicht noch eine letztes Bisschen meines Selbstvertrauens zu bewahren lief ich so schnell ich konnte an ihm vorbei.
Draußen blieb mir der Mund allerdings offen stehen. Eigentlich war es mir schon klar gewesen aber das ganze von außen zu betrachten war etwas ganz anderes.
Wir waren in einem Baumhaus. Naja wenn ich meinen Augen trauen konnte, in einer ganzen Baumhausstadt.
Verschiedene Häuser oder auch nur größere Plattformen waren in die Baumkronen gebaut. Die Bäume selbst waren aber auch größer als jeder Andere den ich in meinem bisherigen Leben gesehen hatte. Zwischen den Häusern und Plattformen erstreckten sich mehrere kleine Brücken, die auf mich eher wie ein Labyrinth wirkten.
Überall herrschte reges Treiben. Auf manchen Plattformen kämpften Personen miteinander, auf anderen saßen mehrere Leute um einzelne Personen herum und schienen ihnen zu zu hören. Soweit ich das erkennen konnte waren alle genauso braun wie wir gekleidet. Was mich jedoch besonders wunderte das es alles Jugendliche waren, ich konnte nirgendwo Erwachsene sehen.
„Hör auf zu gaffen und komm endlich. Deine Augen sind schon so groß wie die einer Eule."
Das Schneewittchen hatte mich mitten aus meinen Tagträumen gerissen und ich warf ihm einen möglichst bösen Blick zu. Was allerdings nicht den gewünschten Effekt erzeugte. Stattdessen brach er in großem Gelächter aus.
„Warum den so böse mein Eulchen. Kommst du jetzt endlich, ich hab keine Lust auf Ärger nur weil du getrödelt hast."
Widerwillig folgte ich ihm. Wir liefen zu einem großen und alten Baum in dem eine besonders große Plattform mit Tischen und Bänken gebaut war.
Allerdings kletterten wir etwas abseits der großen Plattform eine unscheinbare aber lange Leiter hoch. Ganz oben, wo man schon ab und zu wenn der Wind blies einen Blick aus dem mächtigen Blätterdach werfen konnte, war ein vergleichsweise kleines Baumhaus.
Es war unglaublich schön hier. Liam (alias Schneewittchen) ging geradewegs darauf zu und schob den keinen, lila Vorhang der den Eingang versperrt hatte zu Seite. Sollten wir ihm jetzt Folgen? Irgendwie war mir nicht Wohl dabei in ein wildfremdes Haus beziehungsweise Baumhaus zu gehen.
Mein Zögern blieb aber nicht unbemerkt.
„Wollt ihr hier etwa Wurzeln schlagen oder was? Kommt ihr nun endlich?"
Ein inzwischen ziemlich genervter Liam kam wieder heraus, packte Lucy und mich am Handgelenk und zerrte und hinein.
Das Innere des Hauses war lichtdurchflutet und war größer als das Äußere es vermuten ließ. Die einzigen Einrichtungsgengenstände waren ein runder Tisch und mehrere Stühle die um ihn herum standen. Es sah ziemlich lustig aus, denn die Stühle waren alle unterschiedlich, als hätte man aus mehreren Häusern einfach immer einen Stuhl mitgenommen ohne darauf zu achten ob sie zu den Anderen passten.
Es saßen fünf Personen um den Tisch, die uns nun alle interessiert anstarrten. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken setzte sich Liam auf einen Stuhl neben einem Jungen mit blonden, gelockten Haaren. Er schien so ziemlich das genaue Gegenteil von Liam zu sein.
Seine Gesichtszüge waren weich und freundlich. Er war eher zierlich und hatte kaum Muskeln. Außerdem hatte er graue Augen in denen pure Neugier glänzte.
Rechts saß ein kleineres und eher schüchtern dreinblickendes Mädchen. Sie hatte rot- blonde, leicht gewellte, schulterlange Haare, die mich irgendwie an loderndes Feuer erinnerten. Zu meiner großen Überraschung erkannte ich bei genauerem hinsehen das sie orangene Augen hatte, was ich zum Ersten Mal sah.
Neben ihr saß ein weiteres Mädchen. Allerdings schien sie deutlich selbstbewusster zu sein. Locker angelehnt und mit verschränkten Armen begutachtete sie uns. Sie hatte dunkle Haut und schwarze, lockige Haare die sie etwas kürzer als schulterlang trug. Im Gegensatz zu den Anderen, trug sie ein Top und darüber eine braune Schürze, welche schon ziemlich abgenutzt aussah.
Rechts von ihr saß ein Junge ebenfalls mit dunkler Haut und ziemlich markanten Gesichtszügen. Er war mir sofort sympathisch, zumal er uns auch schon die ganze Zeit freundlich anlächelte.
Ein schlankes, großes Mädchen, dass bisher das ganze Schauspiel von außen beobachtet hatte, stand auf. Sie hatte in der Mitte gesessen und schien bisher die älteste hier zu sein. Ihre langen, dunkelblonden Harre hatte sie zu einem Zopf geflochten der bis zu ihrer Hüfte reichte. Zu meiner großen Überraschung lächelte auch sie.
„Hi, ich hoffe Liam war nett zu euch," sie schaute schelmisch grinsend zu dem Schneewittchen rüber, welcher sie nur unschuldig anlächelte," Im Nahmen der Patronen heiße ich euch bei uns Willkommen. Ich bin mir sicher ihr habt viele Fragen also fang ich einfach mal von Vorne an. Ich bin Amelie die Anführerin des Widerstands, wir selbst nennen uns die Patronen. Wir sind gegen die Herrschaft von Kaiser Akuma und wollen ihn stürzen. Bevor ihr euch wundert hier, auf unserem Stützpunkt, leben fast ausschließlich Jugendliche. Unsere Erwachsenen Mitglieder arbeiten hauptsächlich in der Stadt oder auf dem Land von wo sie uns mit Geld unterstützen. Wie du weißt werden die meisten Jugendlichen im Alter von 15 Jahren zum Dienst als Soldat abgeholt und ein Großteil überlebt die 10 Jahre Dienstzeit nicht. Wehren kann sich aber keiner. Die Leute leiden unter der Tyrannei von Akuma. Die Zahl der Überfälle, Angriffe und sogar Morde steigt ins Unermessliche. Ich nehme an ihr seid aus genau diesem Grund auch von zuhause geflohen? Ich biete euch hiermit an Mitglieder des Widerstands zu werden. Falls ihr nicht wollt geht das für mich auch in Ordnung, wir zwingen niemanden. Aber in diesem Fall werden wir eure Erinnerungen an uns auslöschen und euch einfach wieder am Waldrand aussetzen. Das war erst mal alles. Wie lautet eure Entscheidung?"
Noch völlig überrumpelt von den vielen neuen Informationen, brachte ich keinen Ton heraus. Hilfesuchend drehte ich mich zu Lucy. Mit entschlossenem Blick stand sie da. „Ja, wir werden euch helfen."
Lucy hatte das so entschlossen gesagt, dass es keinen Zweifel daran gab wie erst sie es meinte. Ich war noch etwas skeptisch, aber ich vertraute Lucy.
„Ok, Lucy hat so gut wie immer Recht, also vertrau ich ihr auch bei dieser Entscheidung."
Die ganze Runde am Tisch begann jetzt auch zu grinsen.
„Willkommen im Team," freue sich Amelie und reicht uns die Hand. Ihr Lachen war irgendwie anstecken und ich schlug ein.
Der Junge neben Liam stand jetzt auch auf und grinste breit.
„Ich bin Benjamin, aber für Freunde einfach Ben. Schön dich kennen zu lernen."
„Ich bin Lexy und diese Trantüte von Zwillingsbruder hier neben mir heißt Louis,aber wir nennen eigentlich alle nur Louie," sagte das Mädchen mit den schwarzen Locken und boxte den Jungen neben ihr dabei leicht gegen die Schulter. „Ähm,... und i-ich bin Kari."
Das Mädchen mit den orangenen Augen schien etwas überfordert zu sein, was aber auch irgendwie schon wieder etwas süßes an sich hatte.
„Ok, ich muss noch kurz mit euch Beiden allein sprechen."
Panisch sah ich zu Lucy, welche einfach regungslos dastand. Sie sah aus als hätte sie einen Geist gesehen.
Die Anderen im Raum waren, auf Amelies Aufforderung hin, aufgestanden und liefen nun an uns vorbei nach draußen. Kari schenkte mir noch ein aufmunterndes Lächeln und Lexy klopfte mir noch grinsend auf die Schulter.
Dann waren wir mit Amelie allein.
„Wunderbar dann hätten wir das ja geklärt, ich möchte aber noch über etwas Anderes reden," mir wurde mulmig zumute als Amelie das sagte,"ihr seid nicht von hier, stimmt's?"
Oh je, was jetzt?
„Äh, nein. Ist das denn so offensichtlich?"
Ich versuchte meine Nervosität zu überspielen, aber scheiterte kläglich.
„Nein, nicht zwingend, klar einem Kreuzverhör würdet ihr nicht standhalten, aber euer mangelndes Wissen könnte auch darauf zurück zu führen sein, dass ihr aus einem weit entfernten Teil des Königreichs kommt. Leider haben eich die Kristalle verraten," sie öffnete ihre Hand und die zwei kleinen Kristalle die wir vor unserer Ankunft, auf der Lichtung eingesteckt hatten, kamen zum Vorschein," Aber keine Angst bis auf mich kommen alle die hier am Tisch saßen aus eurer Dimension. Trotzdem würde es mich doch brennend interessieren wie ihr hergekommen seid?" Etwas erleichtert atmete ich aus. Erst jetzt hatte ich bemerkt das ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.
Wir begannen ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Sie hörte uns aufmerksam zu, ihre Mimik verriet aber nicht was sie dachte.
Als wir am Ende angekommen waren wirkte sie jedoch nachdenklich.
„Vielen Dank, dass ihr mir eure Geschichte erzählt habt. Wahrscheinlich wisst ihr es noch nicht, aber hier ist es eine Art Vertrauensbeweis jemandem seine Geschichte zu erzählen. Habt also keine Angst, dass euch jemand nach eurer Vorgeschichte fragen wird. Noch Fragen?"
Sogar eine große Menge. Warum sind wir nun hier? Warum sind noch mehr aus unserer Dimension hier? Warum wusste ich bis jetzt nicht das es überhaupt eine andere Dimension gibt? Gibt es noch mehr? Bin ich mir sicher nicht vielleicht doch verrückt zu sein? Warum scheint Lucy diese Situation nicht halb so surreal wie ich zu finden? Existiert hier wirklich Magie? Kann ich die dann auch benutzen? Bin ich in einem Fantasy-/Sciencefiction-Roman gelandet oder warum gibt es auf einmal Magie, böse Kaiser und Rebellen? Und vor allem wie komm ich wieder zurück nach Hause?
„Du hast gesagt die Anderen sind ebenfalls aus unsere Dimension, warum hast du sie dann raus geschickt", fragte Lucy bevor ich auch nur eine Frage stellen konnte. Amelie setzte sich zurück auf ihren Stuhl und legte die Füße auf den Tisch.
„Sie wissen noch nicht das ihr aus ihrer Dimension kommt und es ist eure Entscheidung ob ihr es ihnen erzählen. Gut möglich das sie es früher oder später herausfinden werden, aber von mir erfahren sie nichts. Gut, jemand wartet bereits draußen der euch zu eurer neuen Unterkunft bringen wird und euch unser Leben hier weiter erklären wird und euch als Ansprechpartner zur Seite stehen wird."
So viel dann zu meinen Fragen. Das gerade war ein ziemlich eindeutiges Ihr-könnt- jetzt-gehen gewesen. Irgendwie war es mir aber auch gerade Recht. Es gab so viel über das ich jetzt erst mal nachdenken musste. Mein Schädel brummte schon vor lauter Informationen.
Lucy hatte es auch verstanden und drehte sich gerade zu mir um, um mirzu signalisieren, dass wir jetzt gehen sollten, da setzt Amelie erneut an:
„Ach, übrigens es ist mir eigentlich ziemlich egal wem ihr es alles erzählt, aber noch ein gut gemeinter Rat von mir, alle Anderen hier wissen nichts davon das bei uns Besucher aus einer anderen Dimension zu Gast sind und ich kann nicht sagen was passieren würde wen sie es herausfinden. Stellt euch einfach vor wie ihr in ihrer Situation reagieren würdet."
Oh man jetzt wünschte ich mir Marlene hätte mir stärkere Medikamente gegeben. Wie soll bitteschön ein einziger Mensch oder auch zwei so viel Information auf einmal verarbeiten und dann auch noch einen vernünftigen Schluss daraus ziehen können?
Noch grübelnd verließen wir die Hütte und prompt stieß ich mit jemandem zusammen. Es war ein noch jüngeres Mädchen, ungefähr einen halben Kopf kleiner als ich und blickte mich überrascht an.
Ihre langen, braunen Haare fielen ihr in einem kunstvoll, geflochtenen Zopf über ihre linke Schulter. Sie hatte eine kleine Nase und schmale, geschwungene Lippen. Ihre hellbraunen Augen strahlten pure Neugier aus. Sie litt unter dem gleichen Fluch, umgangssprachlich auch Sommersprossen genannt, wie ich. Bei ihr ah das aber noch süß aus.
Als sie sich wieder gefangen hatte lächelte sie und an und streckte Lucy und mir die Hand entgegen.
„Hallo, ich bin Alice, eure neue Mitbewohnerin, Ansprechpartnerin und hoffentlich auch bald Freundin. Kommt beeilt euch die Anderen warten schon gespannt auf euch. Neue sind doch immer aufregend, vor allem wenn sie auch noch in die eigene Hütte eingeteilt werden. Wir waren alle total aus dem Häuschen als wir es erfahren haben. Oh, Entschuldigung wenn ich nervös bin rede ich immer so viel, dabei weiß ich ja noch nicht mal wie ihr heißt."

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