Abschied

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Ich hätte niemals gedacht, dass es jemals so weit kommen würde,...dass es jetzt dazu kommen würde, wenn man bedenkt, dass alles so rosig aussah. Aber so ist das Leben, nicht war? Wann war es jemals fair. Manches Leben dauert Jahrzehnte, manches endet schon bevor es überhaupt begonnen hat. Doch welche Rolle spielt das? Wenn ich eines aus dieser Erfahrung gelernt habe, dann das: Es kommt nicht auf die Dauer deines Lebens an, wenn du in der dir gegebenen Zeit wirklich gelebt hast, wenn du am Ende mit dir im Reinen bist und keine Entscheidung und keinen einzigen Schritt, den du getan hast, bereuen musst. Wenn du einen Menschen wirklich geliebt hast und selbst geliebt wurdest, wenn du auf den Leuten, denen du begegnet bist einen tiefen Eindruck hinterlassen hast, dann weißt du, dass es jede Minute Wert war und das du niemals vergessen werden wirst, solange jemand lebt, der sich an dich erinnert.

Immer, wenn im Fernsehen oder in der Zeitung von einem Selbstmord berichtet wird, geht ein Aufschrei durch das Volk, man reagiert mit Entsetzen, Traurigkeit, um das verlorene Leben oder einfach nur mit fehlendem Verständnis. Doch Tatsache ist, dass diese eine letzte Handlung, die einzige wahre Kontrolle darstellt, nach der sich der Mensch so sehnt. Daher erfordert sie entweder Mut oder Verzweiflung.

Ich bin nicht verzweifelt. Nicht mehr. Doch weiß ich auch nicht, ob ich mutig bin. Tatsächlich bin ich mir nicht einmal hundertprozentig über mein Motiv im Klaren. Ich weiß nur, dass ich es tun muss, genau hier, genau jetzt. Mein ganzes Leben hatte ich mir vorgestellt, auf welche Weise ich sterben würde, doch war ich von dem Resultat mehr als enttäuscht. Ich hatte das Militär überstanden, dutzende Einsätze auf Leben und Tod, hatte Reisen hinter mir, ja das Leben selbst und sollte jetzt an so etwas Lächerlichem, Unbedeutendem zu Grunde gehen? Nein.

Also wieso sollte ich mir dann die Chance nehmen lassen, endlich mal wirklich Macht zu besitzen? Macht über mich, Macht über mein Schicksal. Viele Glauben ja, dass so etwas wie Schicksal existiert, der vorbestimmte Pfad, dem jeder Folgt, die große Bestimmung. Ich habe mich stets dazu gezählt, auch wenn ich immer davon überzeugt war, dass das Schicksal eine Formel ist, die sich aus dem Charakter eines Jeden, seinen Erfahrungen und seinen Gedanken zusammensetzt. Eben den Bestandteilen, die Einen ausmachen. Vielleicht wäre es dann ja möglich auf Grund dieser Variablen herauszufinden, welche Entscheidungen von diesem Menschen getroffen werden, um sein Schicksal zu definieren. Nun, ich weiß nicht, ob dies alles meine Bestimmung war, doch selbst, wenn es nicht so sein sollte, gibt es nichts, was ich anders gemacht hätte, nichts, das ich bereue. Deswegen habe ich auch keine Angst vor dem Tod. Wieso auch? Wer kann schon mit Gewissheit sagen, was auf der anderen Seite mit einem passiert, ob die Seele für immer verloren geht, oder ob sie an dem letzten Gedanken, der letzten Vorstellung vor dem Tod festhält und in ihr weiter existiert. Wenn das der Fall sein sollte, werde ich mir schon mal vorsorglich meine Traumwelt erschaffen - einen unendlich scheinenden Wald, den Wind zwischen den Blättern und eine Lichtung, auf der sich Sonnenschein fängt und in Millionen von Tautropfen bricht. Doch was immer auch geschehen wird,

es ist erst der Anfang einer Reise.

Nur der Anfang einer ReiseWhere stories live. Discover now