Kapitel 3

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Nun ging er endgültig und auch ich machte mich auf den Nachhauseweg, wo schon meine Mutter auf mich wartete und mir eine Einkaufsliste in die Hand drückte. ,,Damit du auch mal wegen einem vernünftigen Grund aus dem Haus gehst. "

Langsam machte ich mich auf dem Weg zum Laden. Es war ein weiter Weg, einmal quer durch unser Dorf und ein Stück den Berg hinauf. Im Laden angekommen, stellte ich mich in die Reihe und gab, als ich vor der Theke stand, den Zettel ab. Emsig wuselte die freundliche und etwas mollige Verkäuferin durch den Laden. Als sie alles gefunden hatte,nannte sie mir den Preis, ich gab ihr das Geld und der Einkauf war beendet.

Doch nun wollte ich noch nicht nach Hause. Mich zog es auf den Berg. Wie hypnotisiert stieg ich auf den Berg mit einer Leichtigkeit, die den besten Kletterer neidisch machte. Oben angekommen, setzte ich mich an den Rand und bewunderte die Aussicht. Von hier oben konnte man alles sehen, die steinernde Treppe, die zum Wald führte, den Wald, den Laden, unser Haus. Wirklich alles konnte man von dieser Höhe aussehen. Ich war bezaubert und wünschte Papier und Stift zur Hand zuhaben, um diesen Moment festzuhalten.

Nachdem ich noch einen Moment in Gedanken geschwelgt hatte, machte ich mich an den mühseligen Abstieg und lief schnell nach Hause. Dort half ich meiner Mutter beim Kochen und spielte mit Minnie, bevor ich schlafen ging.

Am nächsten Morgen wachte ich früh auf. Ich packte mir Proviant, Stift und Blatt ein, schrieb meiner Mutter eine Notiz, damit sie sich keine Sorgen machen musste und ging los zum Berg.

Schnell war ich am Berghang angekommen und kletterte auch heute eilig hinauf.Oben nahm ich Platz und fing an zu zeichnen.

Mein Stift schoss nur so über das Papier. Linien und Formen bildeten sich, bildeten ab, was vor mir war. Zeigten den Augenblick.

Ich setzte den Stift ab und verschnaufte, ich war fertig. Mein Bild sah aus wie das Bild vor mir, die Aussicht war perfekt eingefangen, die Sonne, deren Licht im See glitzerte, die kleinen weißen Wolken, die einer Schafherde glich, das Gras, was über den Berghang wehte, sowie einzelne Halme, die durch die Luft flogen. Es war perfekt.

Noch nie hatte ich so gut gezeichnet, nie war es dem Original so ähnlich und fing die Magie ein.

Plötzlich schreckte mich ein Rascheln aus meinen Träumen. Meine Hand glitt erschrocken zu meinem Mund, um den Aufschrei zu unterdrücken. Doch nur Jonathan kam aus dem Gebüsch. ,,Was soll das?Verfolgst du mich?", fuhr ich auf ihn ein. ,,Du denkst, du könntest so reizend sein, dass die Männer dich verfolgen?", meinte er gelassen. Mit dieser Bemerkung brachte er mich aus dem Konzept. ,,Wawawawawa...was?Nein!", stotterte ich verlegen. ,,Und wieso sollte ich ein Mädchen verfolgen dessen Name ich nicht einmal kenne?", fügte er hinzu.,,Mireya", sagte ich. Daraufhin blieb er still. Um die unangenehme Stille zu durchbrechen, zeigte ich ihm mein Bild. ,,Hier, das ist der Grund wieso ich hier bin." Mit diesen Worten überreichte ich ihm das Blatt Papier. Seine undurchdringlichen Augen richteten sich auf das Papier und ich konnte ein ,,Mmh" vernehmen, bevor er es mir wiedergab. ,,Was soll das heißen?", fragte ich ängstlich. ,,Dass ich ausnahmsweise sprachlos bin", erklärte er mit einem merkwürdigen Unterton. Das ließ mich hellhörig werden, ich sah ihn genauer an. Seine langen, unordentlichen, braunen Haare, die stahlblauen Augen, die alles zu sehen schienen, sein kantiges Kinn,die schmalen Lippen, seine hohen Wangenknochen, all dies gab mir keinen Aufschluss über ihn. Unbewusst trat er von einem Bein auf das andere. ,,Jonathan", begann ich zögerlich, ,,Was ist mit dir?",,Nichts, was sollte sein", winkte er ab. ,,Jonathan",widersprach ich.

Er wurde steif, nur seine Augen blickten wild umher als suchten sie einen Punkt zum Fixieren und fanden keinen. ,,Siehst du das?",fragte er. Ich wusste nicht was er meinte, nickte aber um ihn nicht am Reden zu hindern. Nach einer kurzen Pause redete er weiter:,,Meine Augen sind normalerweise so, doch wenn andere dabei sind,sind sie star geradeaus gerichtet." ,,Wieso?", wagte ich zufragen. ,,Weil sie nichts fixieren brauchen", erklärte er. Aber wie..." ,,Siehst du dann?", beendete er meine Frage. ,,Ja, genau.Ich meine die Augen richten sich doch auch unbewusst auf etwas, um zusehen was dort ist. Was machst du, wenn deine Augen sich nicht dorthin richten?", versuchte ich mich zu erklären. ,,Ich höre,rieche und fühle", meinte er nur. ,,Und sehen?", fragte ich dümmlich. ,,Gar nicht", antwortete er nach einer kurzen Pause.,,Dann bist du..?", vergewisserte ich mich. ,,Blind", fiel er mir ins Wort. Erschrocken schnappte ich nach Luft, auf so etwas wäre ich nie gekommen, auch da er anscheinend allein lebte.

,,Dann werde ich nun gehen", missverstand er mein Schweigen. Unsicher machte einen Schritt Richtung Wald. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, er, der sonst so selbstsicher war, war jetzt äußerst unsicher. ,,Warte", hielt ich ihn auf, ,,du hast mich falsch verstanden, ich war überrascht, mehr nicht." ,,Trotzdem muss ich nun gehen. Auf Wiedersehen, Mireya", verabschiedete er sich.Sprachlos nickte ich.


Nachdenklich machte ich mich auf den Weg nach Hause, ich fragte mich was mit ihm passiert war, wieso er allein lebte, mitten im Wald, wieso er blind war und wie lange schon und für mich am Allerwichtigsten, was war ihm schon alles passiert? Ich wollte seine Geschichte wissen, wie er in den Wald gekommen war, wer seine Eltern waren und wo er herkam,auf all das konnte ich mir keinen Reim machen, er war total verschlossen, auch wenn er sich offen gab, bekam man nichts aus ihm heraus. Noch dazu hatte ich Angst ihn zu fragen, da ich bemerkt hatte wie verletzlich und unsicher er war als er es mir erzählt hatte.

Doch meine Neugier ließ mir keine Ruhe und so nahm ich mir vor, ihn öfter auszufragen.

Zu Hause hängte ich das Bild in Minnies und meinem Zimmer auf.  Minnie total begeistert und bewunderte mein Kunstwerk, während meine Mutter es für Zeitverschwendung hielt. Sie meinte, in der Zeit hätte ich einer vernünftigen Arbeit nachgehen können und hätte mich nützlich machen können. Aber ich machte mir nichts drauß, ich wusste das Bild war perfekt geworden und war dementsprechend stolz.



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