,,Woher kennst du den Namen meiner Mutter?", fragte Mila überrascht. Das konnte doch nicht sein. Es musste Zufall sein. Neyla hatte nicht Eva gesagt, sondern einen anderen Namen. Oder sie meinte eine andere Eva, der Mila ähnlich sah. ,,Eva ist deine Mutter?", fragte jetzt Neyla. Auch sie schien ein wenig überrascht zu sein. ,,Das erklärt, warum du ihr so ähnlich siehst! Wo ist sie?" Mila wurde traurig. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie versuchte schnell, sie wegzublinzeln und sagte leise: ,,Meine Mutter ist tot." ,,Oh nein, das kann nicht sein!", rief Neyla entgeistert aus. ,,Sag, das ist nicht wahr! Das tut mir leid für dich..." ,,Kanntest du sie?", fragte Mila. Sie hatte sich ein wenig gefasst und wollte jetzt unbedingt wissen, was ihre Mutter mit den Feen hier zu tun hatte. Neyla nickte. ,,Jeder kannte sie. Eva war eine Legende." Sie senkte die Stimme. ,,Aber eigentlich ist es uns verboten, über sie zu reden. Komm mit!" Weil sie sympathisch wirkte, folgte Mila ihr. Sie vertraute der Fee, auch wenn sie sie eigentlich noch gar nicht kannte. Sie wollte unbedingt wissen, was ihre Mutter mit der ganzen Sache zu tun hatte. Vor einem der Häuser hielten sie an und nachdem Neyla ein paar Wörter in einer fremden Sprache gemurmelt hatte, sprang die Türe auf. Die beiden traten ein. Es war ziemlich finster und Neyla zündete Mila zuliebe ein paar Kerzen an. ,,Wir Noctis haben es nicht so mit dem Licht. Wir mögen die Dunkelheit lieber, auch wenn wir fast nur tagsüber wach sind. Darum sind all unsere Häuser auch so gebaut, dass möglichst wenig Licht hereinkommt.", erklärte sie. ,,Wir sehen gut im Dunkeln." ,,Warum dürft ihr nicht über Mama reden?", fragte Mila. Neyla seufzte. ,,Eva war eine wunderschöne Fee. Aber sie war irgendwie... zweigeteilt zwischen den beiden Feenvölkern. Wir wissen nicht, wieso. Mortem könnte etwas wissen." ,,Mortem? Und: Zwei Feenvölker? Es gibt neben euch noch andere? Bitte Neyla, erkläre es genauer! Erzähle mir alles!", bat Mila. Neyla klappte die Flügel hinter dem Rücken zusammen und setzte sich auf einen Hocker, dann deutete sie auf einen weiteren Hocker und bat Mila darum, sich zu setzen. Dann hob sie an: ,,Ich kann dir nur erzählen, was ich selbst weiß. Und ich tue es auch nur deswegen, weil du Evas Tochter bist. Und ich bitte dich aus ganzem Herzen, dass du niemandem von dem Gespräch hier erzählst oder Eva auch nur mit einem Wort erwähnst - darauf steht die Todesstrafe. Schwöre es mir!" Mila schluckte, dann legte sie die Hand auf's Herz und schwor. Neyla begann: ,,Obwohl sie eine Noctis war, waren Evas Flügel das strahlendste weiß, das man sich vorstellen konnte. Nur die Flügel einer Lux könnten weißer und reiner als ihre Flügel sein. Die Lux sind das andere Feenvolk, das neben uns. Das Blau ihrer Augen war ebenfalls einen Tick zu hell für eine Noctis. Nur ihre Haare bewiesen, dass sie eine von uns war, und die Tatsache, dass sie im Schloss aufwuchs." Mama wuchs im Schloss auf?, dachte Mila, aber sie wollte die Fee nicht unterbrechen. ,,Jeder liebte Eva, sie war wundervoll - sie war hübsch, sie war nett, ein wahrer Engel. Sie stand immer zwischen Lux und Noctis, sie wollte den Frieden zwischen beiden Feenvölkern. Sie liebte Tag und Nacht gleichermaßen, Licht und Schatten, alles war gleich wert für sie. Aber eines Nachts hatte Mortem ihre Flügel verloren, in der Nacht bevor sie ihre Thronfolge beginnen sollte. Niemand weiß, was damals vorgefallen war. Tatsache ist nur, dass Eva in der selben Nacht spurlos verschwand. Sofort nachdem Mortem die neue Herrscherin geworden war, ordnete sie an, dass niemand Eva auch nur mit einem Wort erwähnen sollte, und das unter Todesstrafe. Das setzte sie auch gnadenlos durch. Tatsächlich tötete sie einige Feen, die Evas Namen aussprachen. Seitdem verlor niemand mehr ein Wort über sie, aber im Herzen trauern wir alle darüber, dass sie verschwunden ist. Verstehst du jetzt, warum es mir so wichtig ist, dass du kein Wort über unser Gespräch verlierst?" Mila nickte stumm und überwältigt. Ihre Mutter... war eine Fee gewesen? ,,Und sie ist tot, sagst du?" Wieder nickte Mila, dann sagte sie: ,,Sie hatte einen Autounfall." Neyla starrte auf die Tischplatte. Sie wirkte traurig. ,,Es musste so kommen.", flüsterte sie, dann fragte sie lauter (um eine feste Stimme bemüht, denn ihre Stimme klang irgendwie belegt): ,,Also war sie die ganze Zeit in der Menschenwelt? Was ein Auto ist weiß ich nicht." ,,Ja.", sagte Mila. Sie erklärte nicht, was ein Auto war. Die beiden schwiegen, bis Neyla sagte: ,,Wo auch immer du herkommst, ich wünsche dir viel Glück. Ich glaube, dass du das brauchen kannst. Und außerdem glaube ich dass es Zeit ist, in's Schloss zurückzukehren - ich nehme zumindest an, du lebst dort im Moment." Mila nickte wieder, dann umarmte sie die Fee. Erst saß Neyla überrascht da, dann erwiderte sie die Umarmung. ,,Danke.", murmelte Mila. Dann verließ sie das Haus und ging zurück zum Schloss.
Dieses Kapitel ist sehr kurz aber ich hoffe, es gefällt euch trotzdem. Das nächste Kapitel wird wahrscheinlich wieder so lang wie die vorherigen.
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Die Ringträgerin
FantasyNach dem Tod ihrer Mutter muss Mila zu ihrem Vater ziehen, der sie und ihre Mutter verlassen hatte als Mila gerade mal drei Jahre alt war. Von ihrer Mutter erbt Mila einen Ring, und eines Nachts findet sie sich plötzlich in einem Land, in dem Feen...