Als Mila das Schloss betrat, wartete Malon bereits auf sie. Er sah nicht sehr glücklich aus. ,,Wo warst du?" ,,Draußen. Ich habe mit einer Fee geredet.", antwortete Mila wahrheitsgemäß. ,,So. Und worüber?" Schnell dachte Mila sich etwas aus: ,,Darüber, wie schön es hier ist und was für eine großzügige und tolle Herrscherin Mortem ist." Die Antort schien Malon zu beruhigen und er sagte freundlich: ,,Okay. In ein paar Minuten gibt es Essen und ich sollte dir ausrichten, dass Mortem mit dir zusammen essen will und du nicht auf dein Zimmer zu gehen brauchst. Und nach dem Essen soll ich dir das Schloss noch zeigen; falls du nicht schon alles gesehen hast." Mila wurde leicht rot. ,,Nein, alles habe ich noch nicht gesehen, nur die Räume, deren Türen auch offen waren." ,,Dann werde ich dir die Bibliothek zeigen. Ich denke, sie wird dir gefallen, aber in bestimmte Teile der Bibliothek darfst du nicht gehen da nur Mortem selbst dort hindarf und manche wenige Feen; Menschen wie du und ich nicht. Kannst du lesen?", fragte Malon. Das ,,Kannst du lesen?" meinte er tatsächlich ernst, und Mila musste grinsen: ,,Natürlich kann ich lesen!" ,,Gut. Dann komm nach dem Essen mit dir mit. Ich begleite dich zum Speisesaal."
Mortem wartete bereits. Heute hatte sie ein violettes, glitzerndes Kleid an. ,,Wie schön, dass du gekommen bist! Setz dich doch! Es gibt Kartoffelauflauf.", freute sich Mortem und deutete auf den Stuhl links neben ihr. Mila ging hin und setzte sich, während mehrere Feen den Raum betraten, jede mit einem Tablett. Die Feen stellten das Essen auf den Tabletts auf den Tischen ab und teilten es dann aus, zuerst an Mortem und dann an Mila. Es roch herrlich und sah auch super aus, die Kartoffeln waren überbacken mit etwas, das wie Käse aussah, aber doch nicht war, da es anders schmeckte. Irgendwie süß. Erst bedankte sich Mila höflich, dann fragte sie: ,,Was ist das?" ,,Sirup vom Nachtbaum.", antwortete Mortem ihr. ,,Das kannst du nicht kennen, es ist teuer und selten. Fühle dich geehrt, es essen zu dürfen, weil wir beide Freundinnen sind!" ,,Oh, vielen Dank!", sagte Mila. ,,Es ist köstlich! Wie sieht so ein Nachbaum denn aus?" ,,Ein Nachtbaum hat schwarze Blätter und dunkelblaue Blüten. Die Rinde ist ein dunkles braun, aus ihr ist der Stuhl, auf dem du sitzt. Wenn man die Rinde wegkratzt, kommt man an den Sirup, und wenn man die Rinde einpflanzt kann es passieren, dass ein neuer Nachtbaum wächst. Aber ich habe angeordnet, die Rinde aufzuheben und Möbel damit zu bauen, sobald es genug ist. Ist das nicht toll?" Mila nickte. Sie aß von den Kartoffeln und dem Sirup. Eine der Feen wollte ihr Wein einschenken, doch sie verneinte: ,,Vielen Dank, aber ich trinke keinen Wein!" Mortem sah gekränkt aus und sagte: ,,Das ist bester Wein! Ein Glas trinkst du! Bitte." Mila gab nach. ,,Na gut, ein Glas."
Mortem winkte die Feen weg: ,,Hinfort, wir haben genug und wollen uns jetzt ein wenig alleine unterhalten! Komm schon, Mila, erzähle mir von dir und deinem Leben! Wo kommst du her? Wie ist es dort?" Ein listiger Ausdruck trat in ihre Augen, aber Mila bemerkte es nicht. ,,Also... Ich bin aus einer Stadt, beziehungsweise war ich das. Da gibt es ganz hohe Häuser und viele Geschäfte, in denen man sich Kleidung kaufen kann. Dafür ist da aber nicht viel Natur, nur viele Autos und Busse." ,,Autos und Busse?" ,,Das sind Fahrzeuge, mit denen man fahren kann, sie sind viel Schneller als Kutschen und Pferde und sie sind aus Metall. Meistens zumindest." ,,Das klingt praktisch." ,,Ja." ,,Und jetzt bist du nicht mehr in einer Stadt?" Mila schüttelte den Kopf. ,,Nein, jetzt bin ich in einer Kleinstadt. Die ist fast schon ein Dorf." ,,Warum das?" ,,Sie ist so klein." Mortem lachte schallend, dann sagte sie: ,,Das meinte ich nicht! Ich wollte von dir wissen, warum du jetzt nicht mehr in der Stadt lebst." Mila verkrampfte sich. Sie dachte: Willst du etwas über meine Mutter wissen? Dann dachte sie: Unsinn. Sie kann erstens von Mamas Tod nichts wissen und zweitens ist das mit dieser Fee namens Eva Zufall. Mama war keine Fee. Sie hat nur zufällig den gleichen Namen und wir sehen ihr ähnlich. ,,Ich möchte darüber nicht reden.", sagte sie trotzdem. Das machte Mortem wütend. ,,Warum?" Doch gleich darauf entschuldigte sie sich mit ihrem wie üblich freundlichem Tonfall und meinte, Mila müsse es ihr nicht erzählen wenn sie nicht wolle. ,,Aber sei froh. Elfen nenne ihre Siedlungen auch Städte. Und ich sag es dir: Elfen sind nervig! Sie können nicht fliegen und sind immer voll mit Blütenstaub und sonstigem Zeug, da sie sich den ganzen Tag lang sinnlos draußen herumtreiben und nachts dann in riesigen Blumen schlafen. Trotzdem halten sie sich für supertoll und nett. Und Lucienne ist auch noch mit Elfen befreundet und lässt sie teilweise in ihren Dörfern mit den Lux wohnen! Aber egal. Und wie bist du hier hergekommen?", wollte die Herrscherin jetzt wissen. Lucienne heißt die Herrscherin der Lux also. ,,Das weiß ich nicht. Ich bin eingeschlafen, und dann bin ich auf einer Wiese aufgewacht. Ich bin den ganzen Tag gewandert bis ich an den See gekommen bin, an dem der Mann mich gefunden hat." ,,Malon.", sagte Mortem. ,,Er heißt Malon und ist einer meiner Diener." Mila nickte. Dann fragte sie: ,,Malon ist doch ein Mensch, stimmt's? Wie kam er hierher? Etwa so wie ich?" ,,Nein, Malon ist hier geboren. Seine Eltern und Großeltern ebenfalls. Seine Familie war eines Tages einfach da, darüber weiß ich aber nichts genaueres, wobei es in den alten Büchern stehen könnte." Die Fee begann zu strahlen. ,,Das ist doch eine fantastische Idee - die alten Bücher! Dann können wir sehen, wie seine Familie und du hierhergekommen seid!" ,,Ja, das wäre toll!", sagte Mila. ,,Und wie man zurückkommt." ,,Zurück? Willst du etwa zurück? Mila, Schätzchen, wieso das denn - hier hast du alles, was du haben willst, du lebst sogar in einem Schloss! Und in eurer Menschenwelt hast du nichts." Mila stutzte. Sie legte die Gabel, mit der sie die ganze Zeit gespielt hatte, auf den leeren Teller zurück. Woher konnte Mortem das wissen? Und in eurer Menschenwelt hast du nichts... Unmöglich. ,,Ist irgendetwas nicht in Ordnung?", fragte Mortem. Mila sah auf. ,,Doch, doch. Alles super." ,,Gut. Weißt du was, ich entlasse dich jetzt erstmal und du lässt dir von Malon das Schloss zeigen wie vereinbart. Wir können heute Abend weiterreden." ,,Das wäre großartig.", sagte Mila und stand auf.
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Die Ringträgerin
FantasíaNach dem Tod ihrer Mutter muss Mila zu ihrem Vater ziehen, der sie und ihre Mutter verlassen hatte als Mila gerade mal drei Jahre alt war. Von ihrer Mutter erbt Mila einen Ring, und eines Nachts findet sie sich plötzlich in einem Land, in dem Feen...