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Unsanft wurde Mila geschubst. Sie riss die Augen auf - und sah über sich Sophias Kopf. Es war hellichter Tag, und die Sonne stand schon weit oben am Himmel. ,,So ein Mist! Warum hast du mich nicht früher geweckt? Mortem und ihre Anhänger werden aufholen, falls sie uns schon verfolgen!", schimpfte Mila. Für Frühstück war wohl keine Zeit mehr, da musste sie sich vorher einen möglichst großen Vorsprung verschaffen, daher nahm sie nur einen großen Schluck Wasser, der sich unangenehm in ihrem leeren Magen anfühlte und gluckerte. Dann stellte sich die Frage, wie sie wieder auf Sophias Rücken gelangen konnte. Sie schnallte sich den Rucksack um und warf die Kleidung auf das Pferd, dann sah sie sich um. Die Bäume waren das einzige, was sie vielleicht als Hilfe benutzen könnte. Mühsam kletterte sie auf den untersten Ast, der etwas über Sophia war. Ihre Finger rutschten immer wieder an der Rinde ab, und das Gewicht des Rucksacks zog sie zusätzlich nach unten, aber irgendwann saß sie endlich auf dem Ast. ,,Sophia! Stell dich mal da drunter! Bitte!", lockte sie. Sie sah nach oben und dort hingen tatsächlich: ,,Äpfel!" Überrascht streckte sie den Arm aus und umgriff das Obst. Warum hatte sie nicht früher bemerkt, dass dies hier zwei Apfelbäume waren? Zumal überall am Boden Fallobst war! War sie gestern tatsächlich zu müde? Einen Apfel stopfte sie schnell in ihren Rucksack, wobei sie fast von ihrem Ast viel, zwei andere Äpfel nahm sie so in die Hand. Einen wollte sie während des Rittes essen, den anderen streckte sie von sich weg nach unten. ,,Schau mal, Sophia, was ich hier leckeres habe!" Faules Ding, dachte sie insgeheim. Aber kann ich es ihr verübeln? Gestern musste sie den ganzen Tag bis in die Nacht laufen! Endlich bequemte die Stute sich zu ihr und streckte den Hals, um an den Apfel zu bekommen. Es beschloss, dass das als "Bezahlung" reichte, und stellte sich so unter den Ast, dass Mila nach unten auf ihren Rücken rutschen konnte. ,,Danke! Du bist echt die Beste!" Unbeholfen drückte sie ihre Beine in Sophias Bauch, die protestierend schnaubte und wütend nach hinten sah. Aber sie begriff, was das Menschlein von ihr wollte, und trabte wieder los. ,,Oh, bitte nicht traben!", jammerte Mila und krallte sich wieder in die Mähne. So  würde das Apfelessen nichts werden. ,,Ok, sorry, dass ich dir wehgetan habe. Aber ich kann eben nicht reiten. Wärst du bitte so freundlich..." Versöhnt galoppierte Sophia los. Aus Angst, sie könnte sich verschlucken oder herunterfallen, stopfte Mila ihren Apfel in den Ärmel des Mantels vor ihr. Hoffentlich würde er da nicht herausfallen. Aber jetzt hatte sie beide Hände frei, um sich festzuklammern. Und sie war froh darüber, dass niemand sah, was für eine miserable Reiterin sie war.

Über einen kleinen Sprach sprang Sophia einfach hinüber, was Mila gar nicht passte. Schon wieder wäre sie fast gestürzt. Und ihr Po tat allmählich weh, abgesehen von ihrem Magen, der mitterweile ein riesiges Loch in ihrem Bauch war. Als es auf eine kleine Fläche ging mit Steinen am Boden statt Gras und Pflanzen, wurde Sophia langsamer und ging nur noch in einem langsamen Schritt. Endlich konnte Mila ihren Apfel essen. Er war sauer, aber nicht so sauer, dass es unangenehm wäre, im Gegenteil. Mila liebte sauere Äpfel schon immer mehr als süße und bereute es, dass sie nicht mehr Äpfel mitgenommen hatte und sie in die Ärmel ihrer Kleidung gesteckt hatte wie diese Idee. Überhaupt, warum hatte sie diese Idee nicht schon eher gehabt? Ein paar Vögel flog über ihr hinweg und sie musste sofort daran denken, ob es vielleicht Späher von Mortem waren. Aber Sophia blieb ganz ruhig. Würde Sophia das überhaupt merken? Hoffentlich schon. Immerhin hatte sie ja noch Instinkte. Oder? ,,Das sind nur Spatzen.", sagte Mila sich. ,,Niedliche, kleine Vöglein. Spatzen." Dann fing sie an zu lachen. So niedliche Vögel konnten doch nichts Böses vorhaben! Sie ließ den Stumpf ihres Apfels fallen. Satt war sie nicht, aber das würde jetzt erst mal reichen müssen. Sophia galoppierte wieder los, und Mila fühlte sich schon viel sicherer. Es klappte ja doch, das Reiten! Beziehungsweise das "Sitzen und oben bleiben", was hier mehr der Fall war. Wie lange ritten sie jetzt schon? Gestern am frühen Nachmittag war es losgegangen, und jetzt war auch schon Mittag. 24 Stunden also? Die arme Sophia! Obwohl sie keine Anzeichen von Erschöpfung zeigte. Das war wirklich ein tolles Pferd. Es ging wieder über Gras, und durch ein kleines Wäldchen bei dem die Bäume nicht so nah zusammenstanden wie bei dem, durch den sie an ihrem ersten Tag gekommen war. Im Gegenteil, hier konnte man bequem hindurchgaloppieren! Es roch wunderbar nach Nadelholz und Mila sog den Geruch tief auf. Sie vergaß für einen Moment ganz, warum sie hier ritt. Es war doch alles so friedlich und schön! Der Gedanke, dass Sophia einfach irgendwo hinritt, ohne Ziel, kam ihr auch nicht. Zu Recht.

Die RingträgerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt