Der Prozess

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Der Tag brach an und ich hatte nicht geschlafen. Wie auch? Sie wollten mir das nehmen, was mich zum Drachen machte. Aber ich hatte keine Kraft mehr. Ich konnte nicht mehr weinen. Es ging einfach nicht mehr.

Die Tür ging auf und Tegan kam herein. Sein Blick war mitleidig. „Sienna.", sagte er leise. „Wir haben nur eine Minute."

Ich sah ihn an. „Du brauchst nichts zu sagen. Sie haben sich entschieden", sagte ich traurig.

Er nickte vorsichtig. „Ich habe alles versucht. Sie wollten nicht auf mich hören. Lariesa hat sie zu sehr beeinflusst", sagte er leise.

„Und Nik? Wird er bestraft?", fragte ich besorgt. Wenn ihm das gleiche bevorstand wie mir, würde ich alles tun um das zu verhindern. Völlig egal wie.

Als er den Kopf schüttelte fiel mir einen Stein vom Herzen. Er trat vor und nahm mich in den Arm. Ohne es zu wollen, schmiegte ich mich an seine Brust. Ich brauchte Trost. Warum tat man mir das an? Seine Arme hielten mich so gut es mit diesen Ketten ging. „Es tut mir leid.", flüsterte er in mein Haar. „Ich hätte mich niemals auf Lariesa einlassen dürfen."

Ich schwieg. Immerhin schien er zu wissen, dass es ihre Schuld war. Das war immerhin ein gutes Zeichen. Die Tür ging auf und er umfasste mein Gesicht. „Ich nehme dich auch ohne Flügel als Gefährtin." Es war ein schwacher Trost aber ein Drache ohne Flügel fand nur selten einen Gefährten. Es war eine Schande.

Ich schluckte gerührt. „Danke.", sagte ich leise bevor die Wachen herein kamen und mir die Ketten abnahmen. Tegan sah mich an bevor zurück trat.

Ich fühlte mich so als würden sie mich hinrichten wollen. Das ganze Rudel stand auf dem Platz. Alle sahen zu mir. Nur Niklas fehlte. Ich suchte Tegans Blick und verstand. Er sollte es nicht mitbekommen. Die Angst das er sich selbst belasten würde war zu groß.Das war gut so. Ich hielt mein Kopf erhoben und versuchte nicht zu weinen. Nein. Sie würden mich nicht brechen. Niemals.

Ich wurde in die Mitte gestellt und fühlte mich beobachtetet. Lucas trat vor. „Ihr habt entschieden, dass wir sie nach dem alten Recht bestrafen. Ihr wisst, was das heißt.", er kam zu mir. „Sienna Miller verwandele dich. Wir werden dir nun deine Flügel abschneiden."

Ich konnte es nicht. Ich konnte nicht zulassen, dass man meine Flügel abschnitt. Ich konnte mich nicht verwandeln. Es ging nicht. Hilla, die alte Heilerin, bei der ich gelernt hatte kam auf mich zu und drückte mir Kräuter in den Mund. Ich wusste, was sie machen würden. Sofort wandelte sich mein Körper. Ich sah beeindruckte Blicke und den neidischen und gleichzeig hämischen Blick von Lariesa. Sie lächelte.

Hilla steckte mir noch etwas in den Mund. „Sh, damit wird es nicht so weh tun.", versprach sie sanft. Ich nickte und spürte wie Liam an mich herantrat. Er hatte eine Axt in der Hand, sein Blick war mitleidig als zwei weitere meine Flügel festhielt. „Tut mir leid.", hauchte er und schlug zu.

Es kam mir so unreal vor bis ich den Schmerz spürte. Ich schrie auf, obwohl ich es nicht wollte. Ich konnte es nicht. Er holte erneut aus um wieder auf meinen Flügel einzuschlagen, doch etwas ließ ihn erstarrten. Ich sah auf und sah Linda mit einem Messer. Sie hielt es an Lucas' Kehle und ich wusste was sie tat. Sie wollte mich Retten.

„Lasst sie los oder ich schwöre, ich schneide seine Kehle auf.", Lindas Stimme überschlug sich. Ich wusste, dass Lucas sich nur aus Überraschung noch nicht wehrte. Aber das würde nicht lange halten. Die Wachen waren unachtsam und ich riss mich los. Ich hatte zwar extreme Schmerzen, aber ich schaffte es abzuheben. Linda ließ Lucas los und ich griff nach ihr. Das war zwar noch schwieriger aber sie hatte mich gerettet. Nun war ich an der Reihe. Ich musste sie mit nehmen. Auch wenn es schwer war. Es war pure Willenskraft, dass mich trieb.

Ich hatte ein paar Meter erst geschafft als Linda anfing zu zappeln. „Sienna! Tegan ist hinter uns. Lass mich los.", sagte sie panisch.

„Nein. Ich kann nicht.", sagte ich und strengte mich noch mehr an.

„Du bist verletzt. Du kannst selbst kaum fliegen. Ich bin zu schwer", widersprach Linda.

„Nein, sie werden dich töten", sagte ich entschlossen als ich wieder Höhe verlor.

„Werden sie nicht. Tegan wird es nicht zu lassen. Vertrau mir.", bat sie. Ich sah sie an. Ihr Blick war entschlossen. Bevor ich etwas erwidern konnte stach sie mir in Bein und ich ließ sie ungewollt los. Linda fiel durch die Luft und ich wollte sie auffangen doch Tegan war schneller. Linda sah mich bedeutend an und ich wusste was sie wollte. Auch wenn es mein Herz brach. Ich musste verschwinden. Schnell. Mir tat alles weh, dennoch zwang ich mich weiter zu fliegen. Ich musste weg von dem Berg. Die Entschlossenheit gab mir Kraft und ich schaffte es weiter zu fliegen. Ich wusste nicht wie weit ich kommen war, doch ich wollte mich nicht umsehen. Die Gefahr das jemand direkt hinter mir war, war mir zu groß. Ich hatte das Zeitgefühl verloren, aber ich wusste, dass der Berg nicht mal ansatzweise weit genug weg war. Über einem Waldstück verließ mich die Kraft und ich spürte wie ich Höhe verlor. Ein Lautes Geräusch ließ mich zusammen zucken. Ein Schuss fiel und ich wusste, was los war.

Jäger. Jäger hatten mich gesehen. Mein Blick schnellte um her doch ich konnte sie nicht finden. Wo waren sie? Ein weiterer Schuss fiel und ich wich aus. Die Schmerzen wurden stärker und ich spürte, dass ich das nicht mehr lange aushalten würde. Ich verlor an Höhe und fiel in den Wald. Kurz bevor ich aufschlug verlor ich mein Bewusstsein. Doch die Frage war, was war schlimmer? Gefangen bei Jägern oder Verstümmelt beim Rudel? Ich bekam keine Antwort.

DrachenjagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt