50 - Brief eines Kriegmädchens

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Hallo mein Name ist Farus. Ich bin 17 Jahre alt und heute ist mein Geburtstag. Naja, ich meine zu glauben, dass heute mein Geburtstag ist. Allerdings scheinen die Tage immer zu irreal an mir vorbei zu ziehen, dass ich mir nicht sicher bin, ob heute tatsächlich mein Geburtstag ist - den ich einst fröhlich mit meinen Eltern und Geschwistern kuchenessend verbracht habe - oder bloß ein weiterer Tag, gefangen in einem Albtraum, aus dem ich nicht zu erwachen scheine.

Ich bin mir nicht mehr sicher, ob dies alles wirklich geschieht? Ob der Tod nun ernsthaft zu meinem Alltag gehört, darüber will ich mir keine Gedanken machen.

Immer noch hoffe ich im Stillen, meinen Vater doch noch wieder in den Arm nehmen zu können - in seinen Armen Schutz zu finden - doch die täglichen Tränen meiner Mutter und ihr Schluchzen mitten in der Nacht, von dem sie glaubt keiner würde es hören, machen mir nur all zu schmerzlich bewusst, dass ich nicht zu hoffen brauche.
Die einzigen Männer in diesem Trümmerhaufen, was mal als schönes zu Hause diente, wurden mitgenommen und ermordet.

Mein Vater. Mein Bruder. Ja selbst meinen kleinen Bruder, dessen ängstlicher Blick sich tief in meine Haut gebrannt hat und mir jedes Mal einen Stich versetzen, haben sie nicht verschont gelassen.

Sie haben uns alles genommen, selbst unsere Hoffnung, von der wir glaubten sie wäre uns überlassen, nehmen sie uns Tag für Tag.

Mit jeder Bombe, die fällt. Mit jedem Schuss, der erklingt. Ja, mit jedem Atemzug, der sich nicht mehr wie einer anfühlt, nehmen sie uns die Hoffnung.

Warum hören sie nicht endlich auf damit? Warum interessiert sich keiner für unser Leid, für unsere Tränen?

Mein Leben, welches vor nicht all zu langer Zeit noch lebenswert war, ist zu einem ständigen Warten geworden.

Warten auf den Tod.

Wir warten alle nur noch bis uns der Tod erholt, denn auf Besserung warten wir nicht mehr, schon lange nicht mehr.

Keiner denkt an uns auf dieser riesigen Welt, keiner hofft oder betet für uns. KEINER HILFT UNS!!

Ich kann es ihnen nicht mal übel nehmen.. Als es mir gut erging, habe ich auch viel zu selten an die schrecklichen Dinge gedacht, die Tag für Tag, Stunde für Stunde passieren.
Viel zu selten an das Leid anderer Menschen gedacht.

Mittlerweile sind wir es die für die Menschen beten, denen es gut geht. Wir beten für sie, dass sie niemals so etwas erleben müssen, wie wir es tun. Wir beten für sie, wie sie für uns beten sollten.

Für meine Familie und mich ist es zu spät, aber nicht für den Rest der Welt, zumindest für einen Teil davon..

Hallo liebe Leser,
irgendwie geschehen immer mehr schreckliche Dinge auf dieser Welt über die wir uns gar nicht bewusst sind und ich weiß dass ich mich nie wirklich in die Lage solch eines Mädchens, dass es sicherlich oft genug gibt, versetzen kann. Dennoch wollte ich euch und mir mal ins Gedächtnis rufen wie gut es uns eigentlich geht und wie wenig wir dafür tun anderen zu helfen..



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