Eine Karte.
Mehr haben sie mir nicht gegeben. Einen einfachen Plan, der das gesamte Stadtviertel zeigt. So klein beschriftet, dass ich es kaum lesen kann. Ich schnaube. Geschätzt bin ich gerade einmal eine Stunde hier und bereits jetzt fange ich an an meinem Plan zu zweifeln. Denn im Moment weiß ich nicht, wo ich eigentlich bin. Oder ob sich mein Standpunkt überhaupt schon auf der Karte befindet. Na toll, das sind ja perfekte Voraussetzungen für den ersten Arbeitstag! Ich sehe mich um. Die Straße ist sandig und sieht aus, als wäre sie seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt worden. Aber das ist nicht wirklich verwunderlich, wie ich finde. Das Ende des Krieges liegt gerade einmal zwei Jahre zurück. Und seitdem lebt hier niemand mehr. Ich habe mir also erst gar nicht die Hoffnung auf neue Freunde gemacht. Schließlich komme ich nur zum arbeiten in diese verlassene Gegend.
Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich dafür auf einen anderen Planeten gehen muss. Yokera. Ein kleiner Planet, mehrere Millionen Kilometer von meiner Heimat entfernt.
Ich muss zugeben: ich mache das nicht gern. Mein ganzes Leben habe ich in England verbracht, um genau zu sein in London. Da kann es einem schon schwer fallen, nach der ganzen Zeit weg zu müssen. Aber warum mache ich es dann? Wenn ich recht nachdenke, hätte ich auf der Erde keine Zukunft haben können.
Verwandte habe ich keine mehr, der Uni wurde ich verwiesen und meine ehemaligen Freunde wollen mich umbringen. Es ist besser so. Das sage ich mir auch heute noch immer wieder. Es ist besser so! Obwohl ich auf einer Straße mitten im nirgendwo in einem fremden Land stehe, mit abgebrochenem Medizinstudium und von der Sonne verbrannter Haut.
Kurzfristig entscheide ich mich nach Norden weiterzugehen. Und dabei ist es mir egal, ob das auf der Karte anders verzeichnet ist. Das Ding ist ohnehin wertlos. Und ich kann nicht länger hier stehen bleiben. Durch die Anstrengung geht mein Atem viel schneller als beabsichtigt und ich wische mir stöhnend den Schweiß von der Stirn.
Ich stecke echt große Hoffnungen in das hier. Denn für mich ist es viel mehr als ein Neuanfang- es ist meine letzte Chance. Die Chance, mein Leben endlich in den Griff zu bekommen. Ein für alle mal.
Nach weiteren zweihundert Metern sehe ich jedoch immer noch nichts. Kein Gebäude, keine Bäume- einfach nichts, außer endlosen Sanddünen. Verdammt! Hätte man mir nicht wenigstens sagen können, dass es hier nichts außer Sand gibt? Oder das ich mich auf ein wahnsinnig heißes Klima einstellen soll? Was sind das überhaupt für Leute, für die ich arbeiten soll? Ganz kurz, nur für den Bruchteil einer Sekunde vielleicht, da höre ich es- höre es schon wieder.Es ist leise, kaum hörbar eigentlich. Aber es ist da. Ich weiß, dass es da ist. Aufmerksam sehe ich mich um. Aber immer noch nichts- niemand. Kein Anzeichen von Leben. Nur dieses leise, kaum merkliche Geräusch. Es ist zum verrückt werden. Und dann wird es lauter. Von einem Moment auf den anderen- einfach so. Und jetzt kann ich es deutlicher einordnen. Ein leises Zischen, dass mir inzwischen aber bedrohlich nahe ist. Viel zu nahe wie ich finde. Panik breitet sich in mir aus und ich stolpere schneller als beabsichtigt weiter. Aber schon nach kurzer Zeit weiß ich, dass ich mich nicht mehr lange auf den Beinen halten kann. Mein ganzer Körper scheint in Flammen zu stehen. Selbst unter Schmerzen und der Angst gleich völlig durchzudrehen, verfolgt mich das Geräusch weiter. Also versuche ich das schnelle Tempo beizubehalten- so gut ich kann. Doch irgendwann kann ich es nicht mehr.
Sand wirbelt auf als meine Beine unter dem Gewicht meines Körpers nachgeben. Jetzt liege ich da- hilflos. Den Gefahren dieser unbekannten Welt ausgesetzt. Und dem Geräusch. Vielleicht irre ich mich. Vielleicht ist es keine Gefahr für mich. Es könnte völlig harmlos sein...oder eine Einbildung. Ja genau- ich bilde mir das alles nur ein! Schon bevor ich zu diesen Überlegungen ansetze weiß ich, dass sie ihr Ziel mich zu beruhigen nicht erreichen werden. Und während ich noch versuche aufzustehen, wird das Zischen lauter- noch lauter, und schließlich...
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Die sterbenden Stimmen
פנטזיהArenor. Nach dem Krieg liegt das Land in Trümmern. Fast zwei drittel der ehemaligen Bevölkerung wurden ausgelöscht. Und für diejenigen, die überlebt haben, ist ein viel grausameres Schicksal bestimmt! Jordan ist 22 und bereits am absoluten Tiefpunk...