It's just a prank, bro!

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Munter prasselt das Wasser aus der Dusche auf meinen Rücken und weckt mich wieder. Nach dem Schwimmen bin ich immer etwas müde und mein Körper will in den Schlafmodus verfallen, deshalb ist das genau das richtige! Ich könnte natürlich auch schlafen gehen, aber erstens gibt es bald Essen und zweitens bekomme ich davon immer Kopfschmerzen. Nach einigen Malen muss man die Lektion letztendlich doch noch lernen, oder?

Sichtlich zufrieden stelle ich die Dusche aus, kuschel mich in meinen weichen Bademantel und trockne mein Gesicht ab. Irgendwie ist es schon lustig, was in den letzten Stunden passiert ist. Ich habe auf dem Rückweg tatsächlich ganz nice mit Marley reden können, dabei haben wir kaum was gemeinsam. Sein Hobby ist ja die Musik, und da kenne ich mich ziemlich grottig aus. Ohne die Schule könnte ich ja nicht einmal Noten lesen! Ganz abgesehen von der Notentheorie, durch die ich mich nur mit Ach und Krach gerettet habe, weil man sich einen hübschen Teil mathematisch erklären kann. Okay, singen kann ich dann doch, aber wohl eher unter der Dusche oder irgendwo anders, wo es keiner hört. Voll das Klischee ... aber es stimmt.

Mary hingegen hat keinen Plan von Biochemie, z.B. den Stoffwechselprozessen und damit verbundenen Krankheiten. Ich frage mich echt, wie er sein Abi in den Fächern geschafft hat. So verdammt schwer ist es auch nicht. Klar, einige Menschen sind einfach chronisch nicht dazu geschaffen, Namen diverser Knochen auswendig zu lernen oder Reaktionsgleichungen herzuleiten, aber das hier ist etwas ganz anderes. Außerdem scheint der Typ recht intelligent, also ist das schon ziemlich erstaunlich. Naja, wer weiß, vielleicht hat er diese Planlosigkeit nur aufgrund von Desinteresse am Thema verscheucht, was recht enttäuschend wäre. Andererseits könnte er ja mit Emi reden, sie mag Musik über alles. Muss ich ihm mal vorschlagen.

Nachdenklich betrachte ich mein Gesicht im Spiegel. Meine schwarzen Haare gehen mir bis zum Bauchnabel und sind sehr glatt. Manchmal beneide ich Leute, die Naturlocken haben – und sie mich. Meine Mum sagt zu dem Thema immer nur: Es ist überall schön, wo wir nicht sind. Eine uralte Weisheit, die sich bewährt hat. Wir sind immer unzufrieden mit dem, was wir besitzen, und wenn wir unser Ziel erreicht haben, wollen wir wieder etwas komplett anderes. Verrückt, oder?

So, jetzt bin ich fertig! Ich gehe aus dem Zimmer heraus und schaue mich zuerst im Gang um. Gut, alle sind unten. Naja, bis auf Marley, aber der hat mir ja gentlemanlike den Vortritt gelassen und wartet darauf, selbst unter die Dusche zu kommen. Sicherheitshaltbar lehne ich mich übers Treppengeländer, um in den ersten Stock zu spähen, kann aber niemanden sehen. Nur aus dem Garten dröhnen mäßig laute Gespräche und im Wohnzimmer brabbelt die Glotze vor sich hin.

„Du kannst!", rufe ich in Richtung Mary's vorrübergehendem Zimmer, ehe ich in meinem eigenen verschwinde. Das niemand rausstürmt und mich zusammenstaucht, beweist, dass wir echt nur zu zweit oben sind. Glaubt mir, Ardy hätte mich binnen weniger Sekunden zur Schnecke gemacht. Ich nenne dieses Werk #Verwandtenliebe. Wundervoll, nicht wahr?


Energisch knalle ich die Tür zu und lasse mich aufs Bett fallen. Was könnte ich die Zeit noch machen? Vielleicht Emi holen, aber was macht sie überhaupt? Auf Ardy, Luna und Taddl kann ich recht gut verzichten. Der Rest der Familie ist mir im Moment auch sowas von schnurzpiepe. Die letzte Option wäre Marley, aber mit Gesprächen über alles und nichts werden wir uns wohl nicht sonderlich lange über Wasser halten können. Haha, voll der produktive Wortwitz.

Verträumt schweift mein Blick durch mein Zimmer. Tja, das mit der Decke mache ich jetzt definitiv selber. Die prallgefüllten Schränke sind aber vollkommen okay. Oh, da ist ja sogar die Kiste mit meinem Kram von früher! Da hängen echt viele Erinnerungen daran.

Behutsam hole ich das braune, an den Ecken verbeulte Etwas zu mir aufs Bett und öffne sie. Ganz oben liegen bunt verstreut die Pferdekarten, die ich immer voller Leidenschaft gesammelt habe. Einige sind an den Ecken zerfleddert und zum Teil leicht zerkratzt, aber das ist mir egal. Erstaunlich, für die gefühlten 10 Jahre sehen sie verdammt gut erhalten aus! Der Teddybär zum Beispiel hat seine Anwendungszeit eher nicht so prächtig vertragen. Viele Risse hat Mum damals notdürftig zugenäht – doch die Augen funkeln immer noch genauso fröhlich, wie damals.

Ganz unten, auf dem Boden der Kiste, schimmern weitere Bilder hervor. Vorsichtig nehme ich sie heraus. Es sind Fotos ... von Ardy und mir. Auf einem sitzen wir glücklich im Sandkasten und versuchen, mit den verschiedenförmigen Eimern, eine Burg zu bauen. Auf einem anderen wiederum ist schon Winter. Unsere Wangen glühen förmlich, während wir im Schnee liegen und in die Kamera lächeln. Shit, wieso kann das nicht immer so sein? Ich meine nicht, dass wir so rumtollen wie früher, sondern unser Verhältnis. Ardy ist mir mittlerweile total fremd, und der Filmversuch war ja wohl der totale Flop. Wie kann er mir das antun?! Wir sind doch Freunde, oder etwa nicht? Stattdessen kommt er mit diesen komischen Vögeln an und vergisst mich.

Tränen rennen in Bächen mein Gesicht hinab und verschmieren meine nicht vorhandene Wimperntusche. So ein Mist aber auch! Ich bin doch sonst nicht so eine Heulsuse. Bleib stark, Deli. Ich muss ihm das heimzahlen, so etwas kann man schließlich nicht einfach so auf sich sitzen lassen. Das wäre voll die Schwächebekenntnis! Kann ich mir im Moment überhaupt nicht leisten.

Ohne Witz, Ardy braucht 'nen kleinen Denkzettel. Ich habe ja letztens aus Langeweile im Internet gelesen, wie man Leute harmlos pranken kann, da das Thema überall durchgekaut wird. Einfach nur so, ohne Gedanken im Hinterkopf, aber vielleicht sollte ich das Angelesene ja doch mal anwenden. Ein kleines Experiment quasi. Besonders klassisch und zur Zeit am besten erfüllbar wäre der Zahnpasta-unter-die-Klinke-Witz. Den kennt mein werter Herr Cousin zwar schon, deshalb würde ich die Oreo-Sache bevorzugen, aber die Pasta ist unauffälliger, weil Ardy es bestimmt nicht erwartet. Mal sehen...

In meinem kleinen Kosmetiktäschchen finde ich tatsächlich noch eine Tube. Jackpot! Jetzt aber schnell, bevor der ganze Gemüseauflauf sich doch noch nach oben verschanzt!


Möglichst lautlos schließe ich die Tür auf und schleiche hinaus. Auf Zehenspitzen husche ich über den Gang mit dem gemütlichen Teppich, der gleichzeitig die Geräusche der Schritte dämmt. Ist vielleicht doch praktischer, als ich dachte! Aus dem Bad dringt das Plätschern des Wassers in Kombination mit Marleys Summen. Okay, das ist aber ziemlich gut zu hören. Ist ihm das nicht peinlich?! Obwohl, im Gegensatz zu mir braucht er sich nicht zu schämen – mit seinem trainierten Gehör trifft er jeden Ton einwandfrei. Singen ist ihm dann aber doch eine Spur zu krass, glaube ich mal.

Um es auf den Punkt zu bringen: Er wird noch viel Zeit brauchen. Haha, ich höre Ardy jetzt schon in Gedanken fluchen! Hat er aber echt verdient. Und selbst wenn nicht, was ist schon dabei? Witze gehören zum Leben dazu, damit muss er sich so oder so abfinden. Oh mein Gott, ich habe noch nie so eine Welle der Schadenfreude in mir gespürt. Wollte ich auch nie. Es fühlt sich irgendwie ekelig, aber gleichzeitig berauschend an. Weird, oder?

Nun stehe ich hier wie bedeppert vor Ardys Zimmer und starre Löcher in die Tür. Tja, eine ganz neue Methode, um sie zu öffnen – obwohl ich das nicht will und sie außerdem eh offen ist. Toppt jeden Dietrich, definitiv. Langsam schraube ich die Tube auf und hole ein Papiertuch hervor, um mir zum Schluss noch die Hände abzuwischen. Sonst sieht meine Türklinke am Ende genauso aus, und das ist nicht Sinn der Sache.

So...jetzt noch verschmieren...


„Na, was machst du denn da?"


Shit, ich bin erledigt. Das kann doch echt nicht wahr sein! Wieso muss das immer mir passieren?

Wie in Zeitlupe drehe ich mich um. Hinter mir steht Taddl, zu allem Übel mit diesem richtig creepy Grinsen, dessen Bedeutung man nie richtig deuten kann. Zumindest ich kann das überhaupt nicht. Da mag es bestimmt Ausnahmen geben. Wie hat der Typ es eigentlich geschafft, sich so unbemerkt anzuschleichen?

In dieser unerwarteten Situation bekomme ich natürlich keinen Ton heraus. Ohne Witz, so grottig habe ich mich glaube noch nie in meinem ganzen Leben gefühlt. Der Türkishaarige quittiert die ganze Situation nur mit einem warmen Lachen: „Hat es dir die Sprache verschlagen?" Ich schlucke. Oh man, unangenehmer geht es nicht. Bitte lass das alles enden!

„Ne. Bin bloß etwas überrascht, mehr nicht." Okay, wenigstens ein halbwegs normaler Satz von mir. Beruhigend. „Alles klar. Und keine Sorge, ich verpetze dich schon nicht. Ist ja auch ziemlich lustig, die Idee." Er zwinkert mir verschwörerisch zu. „Aber eine Bitte hätte ich da: Sei doch so nett und verschone mich und den Rest damit."


Ich nicke nur und mache einen Abgang. Mit hochrotem Kopf. Wie peinlich war das denn bitte?!

There is nothing I can doWo Geschichten leben. Entdecke jetzt