Am Boden zerstört

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Seitdem sind zwei Wochen vergangen, in denen Alexis Roger dazubringen wollte sich mit ihm zu treffen. Bisher erfolglos. Mittlerweile habe ich das Interesse an der Sache verloren, weshalb ich ihm nur noch halbherzig helfe. Mein Leben scheint wieder genauso langweilig zu sein wie davor. Der ganze Spaß, den ich verspührt habe, einfach weg. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass ich mir aufeinmal dauernd Geschichten von Alexis anhören darf, in denen es immer nur um Roger geht und das regt mich auf. 

"Weißt du, Roger ist eigentlich richtig nett, ich verstehe nicht wieso er es nicht offen zeigt." Jaja, wie oft habe ich das schon gehört? "Er meint zwar immer, dass er Schwule nicht ausstehen kann, aber er hängt immer noch in der Schule mit mir ab, obwohl er weiß, dass ich was von ihm will." Liegt vielleicht daran, dass ihr Sitznachbarn seid und er nicht anders kann. "Letztens hat er wieder behauptet, dass er jedes Mal kotzen könnte, wenn er eine 'Schwuchtel' sieht. Da habe ich zum ersten Mal die Geduld verloren und habe ihm eine geklatscht. Und weißt du was er dann gemacht hat?" - "Was denn?" - "Statt auszurasten, wie ich es erwartet habe, hat er mich voller Anerkennung total begeistert angesehen, während seine Wange immer roter geworden ist." Alexis kichert kurz vor sich hin. Wieso sieht er beim Erzählen so putzig aus? Ich verstehe einfach nicht wieso er auf so einen Idioten steht, ich meine jeder andere ist doch genauso gut? Ich habe ihn auch einmal vor Deppen gerettet, sorge mich um ihn, gehe mit ihm essen, also wieso ausgerechnet Roger? 

Mittlerweile hat Alexis das Haaregelen sein gelassen, weshalb ihm seine Haare wieder in die Stirn fallen. Seine Augen funkeln mich an als er zu mir hoch sieht. "Meinst du nicht, dass ich eine Chance habe?" - "Zwing ihn halt einfach." - "Was meinst du?" - "Du könntest ihn locker unter dir festnageln, du weißt schon." Ich grinse schief. Seit wann gebe ich so einen Müll von mir? Daraufhin schnaubt Alexis nur verächtlich. "Ich will doch nicht nur was körperliches! Irgendwie.. hast du dich in letzter Zeit verändert." Ach, ist dir das auch schon aufgefallen? Ich zucke bloß mit den Schultern und beiße weiter auf meinem Brot herum. Wieso schmeckt mir das Essen nicht mehr, wenn ich mit Alexis unterwegs bin? Ich habe das Gefühl jeder Bissen bleibt mir fast im Halse stecken. 

Aufeinmal spüre ich ein Zupfen an meinem Ärmel. Irritiert schaue ich Alexis an, doch keinen Augenblick später entspannen sich meine Gesichtszüge wieder, denn er scheint aufeinmal total glücklich zu sein. "Roger!", ruft er erfreut aus, aber nur so leise, dass ich es hören kann.  Kaum haben meine Augen meinen Klassenkameraden erblickt, spannen sich meine Muskeln an. "Was macht der denn hier?", frage ich genervt, woraufhin sich Alexis verlegen an der Wange kratzt. "Also, weißt du.. Ich habe es endlich geschafft ihn zu überreden! Unser erstes Treffen!", erklärt er total aufgeregt, "Wenn man etwas wirklich will und sich anstrengt, dann schafft man es halt auch." Er grinst breit, was einen kurzen, dennoch heftigen, Stich in meiner Brust verursacht. Wenn man etwas wirklich will, huh.. Naja, solange du glücklich bist. Trotzdem schön, dass du mir bescheid gesagt hast, vor allem so früh! "Ich verstehe schon.", gebe ich ausdruckslos von mir und verabschiede mich von ihm. Jap, wie es scheint habe ich mich von dem Schock immer noch nicht erholt, wobei ich es eigentlich nicht mehr schlimm finde, dass ich falsch lag. Trotzdem keimen in mir diese unangenehmen Gefühle, was mich so reizbar macht. 

Seuftzend schlender ich die Straße entlang als ich plötzlich Alexis schreien höre, und zwar sehr angepisst: "WAS HAST DU GESAGT?!" Es folgt ein lautes Klatschen. Geschockt und ziemlich verwirrt drehe ich mich um, nur um Alexis fallen zu sehen. Ich bekomme gerade noch mit wie Roger Alexis mit voller Kraft von sich stößt, dieser mit dem Hinterfuß von dem Bürgersteig abkommt und rückwärts auf die Fahrbahn fällt. Noch während seines Sturzes hört man ein Hupen und kurz darauf ohrenbetäubendes Reifenquietschen. Noch bevor ich verarbeiten kann was ich gerade gesehen habe, verselbstständigen sich meine Beine und ich renne auf die Unfallstelle zu, während die Leute direkt nebem dem Auto laut aufkreischen. 

Roger starrt mit weit aufgerissenen Augen Alexis an, der sich gerade schmerzhaft den Kopf reibt, und ist wie erstarrt. Bevor ich Alexis auf Verletzungen überprüfen kann, werde ich unsanft vom Fahrer zur Seite gestoßen. "Shit man. Hast du dir was getan? Wieso tobt ihr hier auch herum, verdammte Scheiße?", schreit er fast schon hysterisch. Die Tatsache, dass kein Blut fließt und Alexis bei Bewusstsein ist, erleichtert mich ungemein. Etwas benommen vom Schock erhebt sich mein Mitschüler langsam vom Boden, wobei er sich am Auto abstützt und sein Gesicht vor Schmerz verzerrt. "Mir geht es gut, machen Sie sich keine Sorgen." - "Das sieht mir aber ganz und gar nicht nach einem gut aus! Ich rufe dir einen Krankenwagen." - "Nein, nein, es geht schon. Wirklich!" Ich mische mich ins Gespräch ein: "Er hat recht, Alexis! Lass dich durchchecken." 

Nach fünf Minuten hört man auch schon die Sirenen. Es herrscht eine seltsame Atmosphäre, in der keiner etwas sagt. "Alexis, ich..", Roger ist am Boden zerstört und greift nach Alexis' Arm. Doch dieser stößt ihn sofort weg. "Fass mich nicht an.", zischt er mit zornigen Augen. Wow, so wütend habe ich ihn noch nie erlebt. Wortlos steigt er in den Wagen ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. 

Observer Falls In Love (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt