Nach langem Zögern meint Alexis, dass er es sich noch überlegen wird. Hektik und Druck sind zwar nicht gut, aber so langsam werde ich etwas ungeduldig.
Am nächsten Tag sitze ich mal wieder gedankenverloren herum. Diesmal in der Mittagspause in der Aula neben Justin und Trice. So richtig kann ich ihrem Gespräch nicht folgen, was sie mittlerweile gewohnt sind, schließlich verhalte ich mich schon die ganzen letzten Tagen ziemlich komisch. Plötzlich erhasche ich in meinem Augenwinkel eine bekannte Gestalt und augenblicklich hellt sich meine Stimmung auf. Alexis schlendert mit gesenktem Kopf zur Schule heraus. Was macht er denn schon wieder alleine? Kurz folge ich ihm mit meinem Blick und stehe dann ruckartig auf. "Bin kurz weg.", rufe ich meinen Freunden zu und folge ihm. Vor der Schule bleibe ich kurz stutzig stehen und schaue mich in alle Richtungen um, bevor ich ihn um die Ecke gehen sehe. Schnell folge ich ihm, doch kurz bevor ich ebenfalls abbiege, bleibe ich wie angewurzelt stehen.
"Würdest du mit mir ausgehen?" Ich zucke zusammen als ich Alexis' Stimme höre und mein Herz scheint mir in die Hose zu rutschen, denn seine Worte sind offensichtlich nicht an mich gerichtet. Eine Enttäuschung macht sich in mir breit, nein, irgendwas fühlt sich verdammt falsch an. Nur noch mit halbem Ohr und fast abwesend horche ich dem weiteren Dialog.
"Was hast du gesagt?" Alexis wiederholt seine Frage, diesmal mit fester Stimme, die ziemlich selbstbewusst klingt. "Sag mir nicht du bist schwul.." - "Bin ich." - "D-Du weißt doch wie ich zu Homosexuellen stehe." - "Seit wann nennst du sie nicht mehr 'Schwuchteln'? Natürlich weiß ich das, ich wollte es aber trotzdem mal versuchen."
Roger.. , es ist Roger! Ich fasse es nicht. Ich hätte alles und jeden akzeptiert, aber doch nicht ihn! Wieso ausgerechnet er?! Völlig fertig fahre ich mit meiner Hand durch meine Haare und lasse mich gegen die Wand fallen. Ich glaub's einfach nicht. Da fällt mir ein wie ich dachte ich sei.. der Schwarm von Alexis. Wie peinlich! Bei dem Gedanken schießt mir das ganze Blut ins Gesicht. Wie gern würde ich jetzt einfach im Erdboden versinken und nie wieder auftauchen.
"Du spinnst doch!", höre ich Roger noch entsetzt ruft, bevor er um die Ecke kommt und voll in mich rein rennt. "Wa-?" Bevor er weiter schreien kann, wird er von Alexis unterbrochen: "Leon? Was machst du denn hier?" Nichts, ich mache gar nichts. Wortlos drehe ich mich um und laufe zurück in die Schule, setze mich auf die Bank von vorhin, als ich sein Geständnis noch nicht mit anhören musste. Wieso mischt du dich auch immer in die Angelegenheiten anderer ein?
"Hast du ein Gespenst verschluckt?", fragt mich Justin irritiert, nachdem ich mich wieder neben meine zwei Freunde setze. Ich bringe keine Kraft auf um ihm ins Gesicht zu sehen, geschweige denn ihm zu antworten. Viel zu große Angst habe ich davor, wie ich in diesem Moment wohl rüber komme. Und so bleibe ich einfach still sitzen, wie ein Haufen Elend, während Justin und Trice sich hilflos Blicke zuwerfen.
Ja, so kennen sie mich ja gar nicht. Der immer gut gelaunte Leon, der aufeinmal deprimiert vor ihnen hockt und kein Wort von sich gibt. Aber warum eigentlich? Ehrlich gesagt will ich die Antwort auf diese Frage gar nicht wissen. Ich befürchte, dass es etwas Unangenehmes, etwas Unschönes ist. Ach, was labber ich da eigentlich. Ich bin doch nur darüber enttäuscht, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben bei einer Sache falsch lag. Das ist echt ein riesen großer Schock für mich, von dem ich mich sicher bald wieder erholt haben werde. Man kann ja nicht immer recht haben, oder? Wenn ich alles wüsste und immer recht hätte, müsste ich ja auch wohl kaum in die Schule. Genau! Ich sollte meine Laune lieber nicht an Alexis auslassen, nur weil er nicht mich mag, so wie ich es gedacht habe, sondern Roger. Eigentlich sollte ich ja froh darüber sein, nicht? Stimmt.. der Junge hat gerade erst eine Abfuhr bekommen. Sollte ich in so einem Moment nicht als ein guter Freund an seiner Seite sein?
Ohne zu zögern stehe ich auf und begebe mich auf die Suche nach ihm. Ich hoffe, dass er nicht allzu traurig darüber ist, schließlich habe ich ihn ja dazu aufgefordert diesen Schritt zu wagen. Unten auf der Bank im Keller finde ich ihn schließlich. Er sieht ziemlich geknickt aus. Mitleidig sehe ich ihn an und setze mich neben ihn. "Sorry, dass ich vorhin einfach so reingeplatzt bin. Das hatte ich eigentlich nicht vor.", murmel ich unsicher vor mich hin. Daraufhin zuckt er nur leblos mit den Schultern. Sein Blick geht ins Leere. "Ich habe sowas ja schon erwartet. Du weißt ja selber was Roger bezüglich des Themas denkt.", er stöhnt laut auf, "Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass er so sehr schmerzen würde." Ich weiß wie du dich fühlst.. nein, weiß ich nicht. Tröstend lege ich meinen Arm um seine Schultern. Irgendwie bin ich gerade nicht in der Verfassung, um kluge Worte an den Tag zu legen, die ihn beruhigen könnten. Ich schaffe es ja nicht mal wirklich mich zu beruhigen. Zum Glück ist Alexis so sehr mit seinen eigenen Gefühlen beschäftigt, dass er das nicht einmal bemerkt.
Nachdem wir eine ganze Weile schweigend nebeneinander sitzen und jeder mit seinen Gefühlen beschäftigt ist, läutet es zur nächsten Stunde. Seuftzend stehen wir beide auf. "Danke für deine Gesellschaft." Alexis trauriges Lächeln versetzt mir einen Stich in der Brust. Ich wette wäre Roger an meiner Stelle, würde er jetzt aufrichtig lächeln. "Und? Was kommt nach einer Abfuhr?", fragt er mich auf dem Weg nach oben. Verwirrt sehe ich ihn an. "Na, was soll ich als nächstes tun? Du denkst doch nicht ernsthaft, dass ich so leicht aufgebe, oder?"
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Observer Falls In Love (BoyxBoy)
RomanceDas was ich am liebsten mache: Andere beobachten und mich in ihre Angelegenheiten einmischen. Deshalb habe ich bisher immer nur meinen Freunden zu ihrem Glück (in der Liebe) verholfen. Doch das ganze Einmischen hat eben zur Folge, dass man näher...