Kapitel 13

3.6K 242 4
                                    

       

Mehr habt ihr noch nicht?" Jason war enttäuscht. Er hätte sich von der Erklärung wirklich mehr erhofft. Obwohl Natasha alles im Detail erzählt hatte, betrug die Dauer des Gesprächs nur knappe zehn Minuten. Alles in allem ein ernüchterndes Ergebnis.

„Nein, leider. Wir haben dir ja gesagt, dass es wenig ist. Glaubst du uns jetzt endlich?", hakte die Frau nach. Er nickte leicht und schien abwesend, doch in seinem Inneren tobte ein Wirbelsturm. Er war voller Wut und Trauer. Christopher nippte an seinem Pappbecher. Er saß in der anderen Ecke des Raums in einem spärlichen Arbeitssessel und wippte auf und ab. Auch Natasha lehnte sich jetzt zurück, war aber weiterhin angespannt. Es war bedrückend, seinem Freund in Zeiten der Not nicht weiterhelfen zu können.

„Habt ihr schon in den Akten nachgesehen, ob davor ähnliche Taten begangen wurden?", fragte Jason.

„Mehrmals sogar. Aber da war nichts vermerkt", antwortete ihm Christopher, der seinen Kaffee auf einen Beistelltisch abgestellt hatte. Er rückte näher zu seinen Kollegen. Entmutigt ließ Jason den Kopf hängen.

„Und ihr habt keinen einzigen Fingerabdruck gefunden?" Auch diese Frage wurde mit einem ‚Nein' beantwortet.

„Was ist mit dem Kopf?"

Natasha und Christopher sahen sich an, dann meinte sie: „Von dem fehlt immer noch jegliche Spur."

„Aber das verstehe ich nicht. Wie kann sich ein Kopf in Luft auflösen? Ich meine, da muss doch etwas aufgefallen sein!" Er war aufgebracht und konnte seinen Zorn nicht mehr verbergen.

Irgendwer muss doch etwas mitbekommen haben! Ein Schrei oder eine verdächtige Person... „Aber es gab keine Augenzeugen", erwiderte Christopher. Natasha stimmte zu.

„Chris hat recht. Es war niemand in der Nähe, der etwas wusste. Wir haben alle Bewohner des Blocks befragt, und haben uns auch von den Geschäften in der Umgebung die Videoaufzeichnungen geben lassen. Da war einfach nichts Ungewöhnliches."

Nun war jeder auf dem Tiefpunkt. Alle bemerkten wie weit weg sie sich noch von der Identifizierung des Mörders befanden und es herrschte wieder Stille. Natasha seufzte. Christopher leerte seinen Kaffeebecher und schmiss das Stück Pappe in den Mistkübel. Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr.

„Ich glaube wir sollten gehen. Immerhin ist es schon fast elf."

„Stimmt. Es war ein anstrengender Tag für dich, Jason, und du solltest dich schlafen legen." Natasha stand von ihrem Sessel auf, nahm ihre Jacke und zog sie sich mit einem Schwung an. Jason folgte ihren Worten und schob den Stuhl zurück. Schweigend verließen sie das Zimmer. Draußen angekommen begrüßte sie die Kälte. Für Oktober waren die Verhältnisse schon ziemlich winterlich. Leichter Nieselregen tröpfelte auf die drei Agents herab.

„Danke für die Schilderung. Ich glaube, jetzt da wo ich weiß, wie genau die Ermittlungen abgelaufen sind, geht es mir besser. Es ist gut zu wissen, dass alles Mögliche getan wird und ganz ehrlich, ich wüsste nicht, was man derzeit machen könnte. Es ist zwar traurig, aber so bin ich mir sicher, dass es bei meinen Ermittlungen auch nicht weiter gegangen wäre, als bei euren."

„Es freut uns, dass wir dir in gewisser Weise helfen konnten. Ich glaube nur, Christopher will seine Autoschlüssel wieder haben, bevor wir uns trennen." Diese Worte bescherten jedem ein Lächeln.

„Oh, natürlich." Er kramte kurz in seinen Hosentaschen, dann fischte Jason das gewünschte Objekt hervor.

„Hier. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ihr ein Auto geklaut habt." Er griff die Geschichte wieder auf, die ihm erzählt wurde und versuchte eine gute Stimmung zu erzeugen. Mit Erfolg.

„Nicht geklaut, nur geborgt", korrigierte Natasha ihn.

„Das sah der verärgerte Fahrer aber anders", fügte Christopher hinzu und alle mussten lachen. Sie blieben noch ein paar Minuten stehen und redeten, dann wurde der Regen stärker und sie verabschiedeten sich. Jason war heilfroh als er seinen schwarzen BMW auf dem Parkplatz erblickte.

Gott sei Dank habe ich ihn hier zuletzt abgestellt. Dicke Tropfen fielen auf seinen Pullover und der Mann rannte die restlichen Meter, um nicht allzu nass zu werden. Im Auto steckte er den Schlüssel in das Zündschloss und der Motor sprang an. Das Brummen des Motors und das Geräusch der prasselnden Regentropfen beruhigten Jason und er entspannte sich.

All die Fragen, die in seinem Kopf schwirrten waren für einen kurzen Augenblick wie weggeblasen. Nachdem er ausgeparkt hatte, fuhr er geradeaus bis zur Hauptstraße. Die Scheinwerfer und Scheibenwischer waren an, doch Jason hatte trotzdem Schwierigkeiten, alles scharf zu erkennen. Die rote Ampel vor ihm sah er nur verschwommen und auch die anderen Fahrzeuge auf der Straße waren eher Flecke. Es wurde grün, Jason schaltete den Blinker ein, und bog links ab.

Mit der Zeit nahm der Regen etwas ab, und um nicht in völliger Stille zu fahren, drehte der Mann das Radio auf. Unbewusst trommelte er mit seinen Fingern auf das Lenkrad, immer rhythmisch zum Lied. Diese Nacht erinnerte ihn aus unerfindlichen Gründen sehr an seinen ersten Tag als FBI-Agent. Doch es blieb keine Zeit für nostalgische Gedanken. Vielmehr musste er sich darauf besinnen, wie es nun weiterging.

Wahrscheinlich schließen sie den Fall. Immerhin gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Aber wie konnte das nur passieren? Derek hatte keine Feinde. Und ausgerechnet am Tag seiner Hochzeit... Das kann doch kein Zufall sein, oder doch? Jason konnte es sich beim besten Willen nicht erklären.

Die arme Isobel, sie ist immer noch geschockt von dem Vorfall. Vielleicht ist es gut, wenn ich morgen zu ihr fahre, und ihr beistehe in dieser schlimmen Phase. Ich hab ja sowieso nicht viel zu tun, nachdem sie mich zwangsbeurlaubt haben. Wieder machte er eine Kurve nach links, dann rechts und fünf Straßen später befand er sich vor seinem kleinen Haus. Es wirkte unscheinbar und wies kaum Unterschiede zwischen den anderen in der Siedlung auf, doch für die Lage war es preisgünstig gewesen und so kaufte Jason vor fünf Jahren das Grundstück. Bis heute bereute er seine Entscheidung nicht, zumal er damals mit seiner große Liebe, Scarlett, dort einzog. Da in dieser Gegend viele Leute lebten, musste er noch einen Straße weiterfahren, um endlich einen Parkplatz zu ergattern. Ein Nachteil, der zu verkraften war.

Er beschleunigte seine Schritte. Der Mann im Pullover wollte nicht durchnässt zu Hause angekommen. Er freute sich auf die kuschelige Wärme, die ihm in seinem Apartment empfangen würde. Jason wurde zunehmend müder. Er spürte die Anstrengung in seinen Knochen, und realisierte erst jetzt, wie sehr ihn der Tod seines Freundes zu schaffen machte. Hätte mir jemand vor sieben Jahren gesagt, dass mir der Todesfall eines Kollegen so viel ausmachen würde, hätte ich ihm den Vogel gezeigt. Was hätte ich denn sonst beim FBI verloren?

AuftragskillerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt