4. Kapitel

1 0 0
                                        

Der Blumenladen von Travis war heute zum Glück etwas leerer, sodass ich in Ruhe die neue Blumenladung einsortieren konnte. Es waren tausende rote Rosen und Lilien angekommen. Ich glaube Travis hatte eine heimliche Vorliebe für diese zwei Arten. (Außerdem hießen seine beiden Töchter Rose und Lily). Der Kerl war völlig in Blumen vernarrt. Kein Wunder, dass seine Frau sich trennen wollte.
„Hey", verwirrt drehte ich mich um und erblickte Harry. Grinsend nahm er mir die Rose aus der Hand.
„War doch nicht nötig", ich entriss ihm die Blume wieder und steckte sie zu den anderen in eine große Vase.
„Was machst du hier?" Neugierig sah ich ihn an, während er mir zur Theke folgte.
„Du bist doch jetzt bald meine Freundin. Da muss ich doch alles über dich wissen."
„Stalker", grummelte ich leise. Er hob eine Augenbraue und grinste.
„Wann hast du hier Schluss?" Ich spinnste kurz auf die Uhr, welche über der Tür hing.
„In 10 Minuten", antwortete ich und sah durch die Hintertür zu Travis, der, wie immer, mit den Blumen im Lager sprach. Man konnte sagen, dass er verrückt war, aber seine Blumen strahlten die schönsten Farben in ganz London aus. Vielleicht bemerkten sie ja seine Reden.
„Niall wollte uns zum Essen einladen", redete Harry weiter und gelangte wieder an meine Aufmerksamkeit, bevor ich sie einem neuen Kunden widmete.
„Und wo wolltet ihr hin gehen?" Ein Blick auf die Uhr verriet weitere 5 verflossene Minuten. Ich kramte aus der Theke den Schlüssel und schloss die Kasse ab.
„Zu Nandos. Kennst du vielleicht. Das ist sein Lieblingsrestaurant, außerdem hat er da das Essen umsonst", erzählte er.
„Hätte ich sicherlich auch, wenn ich, wie ein Amokläufer, darein marschieren würde und denen mit einer AKS-74U drohen würde. Aber so leid es mir tut ich bin mit einer Freundin verabredet." Wie auf Kommando fing mein Handy wieder an zu schreien – ich glaube ich sollte mir das mit dem Klingelton noch einmal überlegen.
„Hallo?", hob ich ab.
„Schlag den Typ mal. Noch offensichtlicher kann man dir nicht in den Ausschnitt gucken." Judith. Ich hob meinen Blick und betrachtete Harry skeptisch, welcher schnell den Blick auf die Tulpen wandte.
„Nimm deine Freundin doch mit", murmelte Harry nebenbei. Ich blickte aus der Glaswand und sah Judith, wie sie sich den Weg über die viel befahrende Straße kämpfte.
„Ist hier immer so viel los?", motzte sie am Telefon. Ich lachte und ging, Harry allein lassend, in den Hinterraum.
„Travis, ich gehe, ja?" Angesprochener sah kurz von einem Strauß Vergissmeinich auf und nickte.
„Hab die Puppe mal getestet", plapperte Judith, doch diese hörte ich mittlerweile doppelt. Ich ging wieder in den Vorraum und legte bei ihrem Anblick den Anruf auf. Judith sah heute wieder ein bisschen gruselig aus – kein Wunder, dass Harry auf Sicherheitsabstand ging. Sie hatte sich die dunklen Haare wieder auf eine Seite gekämmt und ihr Gesicht mit schwarzem Lidschatten und gleichfarbigem Lippenstift verschönert. Ihre Klamotten waren ebenfalls komplett schwarz.
„Hey Judith", grinste ich. Angesprochene winkte mir kurz zu und wandte sich dann an die Rosen zu ihren Füßen.
„Ihr schneidet die Dornen nicht ab, oder? Man könnte sich mit den Dingern sicher irgendwie verteidigen", murmelte sie und nahm eine der Rosen in die Hand.
„Ihr solltet schwarze Rosen verkaufen. Die Black Baccara zum Beispiel. Ich glaube das ist die dunkelste." fuhr sie fort und stellte die Rose wieder weg. Harry ging noch einen Schritt weiter weg.
„Kommst du mit zu Nandos, Judith? Niall will uns einladen", grinste ich, während Harrys Gesicht puren Schock wiederspiegelte. Die Dunkelhaarige nickte und verließ mit mir und Harry den Laden.

„Was war jetzt eigentlich mit der Voodoo-Puppe? Du meintest doch du hättest sie getestet", fragte ich Judith, welche neben mir saß. Gegenüber von ihr saß Niall und neben diesem Harry.
„Ich dachte das wäre nur ein Scherz gewesen", flüsterte der Lockenkopf in Nialls Ohr, welcher bloß die Schulten zuckte und Judith mit regem Interesse musterte.
„Ja. Kecia hat mich gestern Abend doch zu dieser Party geschleppt. Wo du dich ja noch raus reden konntest. Auf jeden Fall war Noah da und ich hatte die Puppe dabei. Habe gestern morgen extra noch eine Maus für die Loa geopfert. Du weißt schon die Gottesvermittlerin. Ich habe dann abends die Puppe ein bisschen 'bearbeitet' und ich könnte schwören, dass Noah ein Ziehen im Bauch gespürt hat. Er sah zumindest so aus", erklärte sie und aß nebenbei Pommes. Harry riss die Augen auf und auch Niall wirkte leicht abgeschreckt. Ich hatte mich mittlerweile an Judiths Geschichten gewöhnt.
„Du hast eine Maus geopfert?", brachte Harry heraus und verzog das Gesicht.
„Ja, aber ich denke sie hat nicht gereicht. Aber find du mal auf die Schnelle eine Ziege. Das ist in London nicht so einfach", meinte die Voodoo-Beschwörerin.
„Desto größer das Tier, desto stärker die Kraft und die Wahrscheinlichkeit das es klappt, aber meistens werden Ziegen benutzt."
„Wo hattest du die Maus eigentlich her?", fragte ich sie. Ich wusste, dass Judith bei solchen Opfern die Tiere immer nakotisierte, damit diese keinen Schmerz spürten. Vielleicht wirkte das am Anfang etwas abschreckend, aber trotzdem konnte Judith keiner Seele was zu Leide tun. Außer vielleicht Noah und ihren verhassten Cousins.
„Ich habe eine Mausefalle so umgebaut, dass sie die Maus nicht tötet sondern lediglich fest hält. Sehr praktisch." Falls Harry bisher noch seine Zweifel an Judiths Geschichte hatte, waren diese nun vollkommen ausgelöscht. Da musste man kein großer Mimikleser sein.
„M-machst du s-sowas öfter?", stotterte er und sah sie mir weit aufgerissenen Augen an. Anscheinend fand er Voodoo nicht sehr toll.
„Wenn ich Langeweile habe und es sich anbietet", meinte Judith und zuckte mit den Schultern. Auch Niall sah sie jetzt etwas ängstlich an.
Eine Zeit lang saßen wir einfach nur da und aßen. Die Jungs wollten anscheinend keine weiteren Kostproben von Judiths Hobby.
„Catherine", zischte Harry und trat mir gegen das Schienbein.
„Au! Sag mal geht's dir noch gut?!", knurrte ich. Harry nickte als Antwort kurz zu den Fenstern.
„Papparazzi. Du solltest jetzt mal schnell so tun als wärst du ganz entzückt von mir. Oder so", murmelte er und beugte sich nach vorne um mir tief in die Augen zu sehen.
„Wusstest du, dass deine Augen aussehen, wie Froschlaich?", grinste ich, woraufhin Niall sich vor Lachen verschluckte.
„Manche nennen es auch Smaragdgrün. Klingt besser, oder?", erwiderte Harry, aber sein angeknackstes Ego ließ sich nicht mehr verstecken.
„Ich bin aber nicht ‚manche'."

Mit der Ausrede noch für die morgendliche Lesung zu lernen hatte mich Judith mit den Jungs alleine gelassen, welche nun voller Tatendrang meine Wohnung sehen wollten. Zumindest Harry. Niall hatte es wohl eher auf meinen Hund abgesehen.
„Dein Freundin ist gruselig", murmelte Harry, während ich die Tür zum Treppenhaus aufschloss.
„Ja, das hat sie so an sich", grinste ich nur. Niall rannte an mir vorbei, blieb dann aber stehen, da er ja nicht wusste welche Tür er nehmen sollte.
„Die mit dem Hund auf dem Türschild", lachte ich und schloss ebenjene auf. Niall und Harry quetschten sich an mir vorbei in den Flur und sahen sich orientierungslos um.
„Klein", kommentierte Harry naserümpfend, was mir ein leises Knurren entlockte.
„Kann ja nicht jeder Millionär sein", fauchte ich und sah mich nach Watson um, da mich der kleine Welpe normalerweise immer freudig an der Haustür begrüßte. Doch einen Blick ins Wohnzimmer ließ mich aufatmen. Anscheinend hatte es sich der Kleine in seinem Körbchen an der Heizung bequem gemacht und schlief.
„Hey Darling", flüsterte ich und strich ihm kurz durch das weiche Fell. Er öffnete leicht die Augen, sah mich kurz müde an und schloss sie schließlich wieder erleichtert.
„Aww! Der ist so süß. Ich glaube ich kaufe mir auch einen Hund!" flüsterte Niall hinter mir.
„Wir haben gar keine Zeit für einen Hund." Harry hatte sich hinter dem Blonden postiert und betrachtete das Wohnzimmer skeptisch.
„Stimmt, aber ich darf doch bestimmt mal mit Watson Gassi gehen, oder Cathy?", fragte Niall und blickte mich aus großen hundeähnlichen Augen an.
„Klar, wenn das kein Presseproblem aufwirft."
„Was es auf jeden Fall tut, da du ja nicht Niall's Scheinfreundin bist sondern meine. Ihr könnt nicht einfach zusammen in der Stadt rum rennen", keifte Harry los, was ihm ein empörtes „Shh!" von Niall einbrachte.
„Nur, weil ich so nett bin und deine Freundin spiele, heißt das nicht, dass du jetzt eine Vollmacht über mich hast!", zischte ich ihm zu und schaltete die Stehlampe ein. Mein hängender Kronleuchter verstand nicht viel vom Stromsparen.
Harry verschränkte bloß die Arme und schnaubte.
„Zeig's ihm, Cathy!", grinste Niall. „Und mir könntest du die Wohnung zeigen." Kopfschüttelnd und mit einem kleinen Lächeln stand ich auf und ging wieder in den Flur.
„Also, der Flur und das Wohnzimmer sind klar. Das ist das Badezimmer", überschwänglich öffnete ich ebenjene Tür und machte eine ausladende Handbewegung, „und das die Küche. Und hier wären wir in meinem Schlafzimmer." Niall und Harry sahen sich alles schweigend an und durchquerten mit Kennerblick mein Zimmer.
„Du liest relativ viel, oder?", fragte Harry und zog einer der Bücher heraus. Es war ‚Stolz & Vorurteil', eins der wenigen Stücke, die ich von meiner Schwester bekommen hatte.
„Aber anscheinend nicht in unserer Sprache", murmelte er und stellte das Buch wieder an seinen Platz.
„Ich habe auch englische Bücher", protestierte ich. „Judith hat mir alle sieben Harry Potter Teile aufgedrängt, da ich diese auch nur in Deutsch gelesen hatte. Aber die englischen Vergleiche sind um einiges besser. Obwohl die Übersetzung natürlich auch nicht schlecht ist." Harry nickte verständlich (wobei ich nicht glaubte, dass er mir wirklich zugehört hatte), während Niall sich einem der wenigen englischen Bücher in meiner Sammlung gewidmet hatte.
„Ist das nicht seltsam, wenn die Hauptperson, wie man selbst heißt?", fragte er und drehte ‚Sturmhöhe' in seiner Hand.
„Also, ich meine das klingt doch dann so, als ob man von sich selbst in der dritten Person liest, oder?" Niall blätterte ein bisschen in dem Buch herum und sah mich schließlich fragend an.
„Na ja, beim Lesen nimmt man das eigentlich gar nicht so wahr und ich konnte mich auch nie wirklich in Cathy hinein versetzen. Schließlich kenne ich weder einen Heathcliff noch einen Edgar", erklärte ich. Niall grinste.
„Harry du solltest Edgar heißen. Schließlich kommen Cathy und Edgar ja auch nur zur Show zusammen. Oder wegen dem Geld. Zumindest für Cathy." Skeptisch sah ich Niall an.
„Du hast ‚Sturmhöhe' gelesen?" Der Blonde stellte das Buch schnell wieder in das Regal und ließ sich pfeifend auf meinen Lieblingssessel am Fenster nieder.
„Wer ist dann Heathcliff? Du Niall?", grinste Harry. „Wusste gar nicht, dass du unsterblich in Catherine verknallt bist und eifersüchtig auf mich bist." Mit großen Augen sah ich Harry an.
„Ihr habt BEIDE ‚Sturmhöhe' gelesen?", quietschte ich und brach in einen Lachanfall aus.
„Gleich kommt noch, dass einer von euch ‚Emma' mag", lachte ich, woraufhin Harry schnaubte und Niall einen leichten Rotton annahm. Sprachlos sah ich ihn an.
„Ich hab's mal angefangen, aber dann hatte ich keine Zeit mehr", murmelte er beschämt.
„Aww!", quietschte ich und wuschelte dem Blonden durch die Frisur.
„Alter Niall!" Fast angeekelt sah Harry seinen Bandkumpel an.
„Ich finde Jane Austin schreibt gut!", verteidigte sich Niall. „Außerdem hast du auch ‚Sturmhöhe' gelesen. Also sag mal nichts!"
„Aber nur, weil wir das im Unterricht hatten. Ich musste zwei DIN-A4 Seiten darüber schreiben, wie das spätere Verhalten Heathcliffs zu erklären ist. Es war grässlich." Harry ließ sich neben mir auf mein Bett fallen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
„Als dein zukünftiger Freund, erwarte ich etwas mehr Mitleid!", murmelte er leicht unverständlich.
„Du bist nicht der Einzige, der die Schule mal besucht hat. Meine Deutschlehrerin stand voll auf deutsche Dichter. Weißt du wie viele f***ing Dichter es in Deutschland gab?", rief ich und fuhr mir durch die Haare. Niall lachte.
„Woah! Cathy! Kein Grund so aus der Haut zu fahren. Wir wissen jetzt wie sehr zu die deutsche Dichtung liebst", grinste er und imitierte mein durch-die-Haare-wuscheln, was Judith in diesem Moment sicher zu einem Filmkommentar angeregt hätte.
„Zurück zum Thema: Ich will Mitleid!", jammerte Harry und zerrte an meinem Arm. Ich denke das mit dem Erwachsen-werden musste er noch einmal üben.
„Ich habe mal mit seiner Schwester gewettet, wie lange Harry ohne Aufmerksamkeit klar kommt", grinste Niall. „Hat mich 20 Pfund gekostet." Harry funkelte ihn wütend an.
„Du hast eine Schwester?", fragte ich meinen Scheinfreund in spe, welcher nickte.
„Ich auch. Eine Zwillingsschwester um genau zu sein. Aber sie sieht komplett anders aus", erzählte ich und deutete auf eins der Bilder auf meinem Nachttisch, auf welchem Toni und ich Arm in Arm in die Kamera grinsten.
„Ist die denn genauso seltsam, wie du?", fragte Harry grinsend und nahm den Rahmen in die Hand.
„Sie studiert Jura und verdient ihr Geld mit Ballettunterricht von 3-jährigen. Kann man sehen, wie man will." Harry warf mir einen undefinierbaren Blick zu und stellte das Bild wieder weg.
„Ach mir fällt gerade etwas ein, was wir dir noch sagen müssen!", meinte Niall und schlug sich Comedy-reif an die Stirn. „Du musst morgen mit uns zu Paul. Wegen dem Freundinnenzeugs."

When worlds collideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt