Teil 1

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Der Gestank weckte mich, bevor es jemand anderes konnte. Dieser penetrante Geruch nach verbranntem Brot der in diesem Haushalt so oft auftaucht, dass man denken könnte, es wäre ein Ritual das wir fast jedes Wochenende veranstalten würden. Aber statt einem Ritual, das meines Erachtens den Nachbarn besser beizubringen wäre, ist es mein Vater der es immer wieder vermasselt richtig auf die Uhr zu schauen, um die aufbackbrötchen aus dem Ofen zu tun. In diesem speziellen Fall existiert leider nicht mehr der Spruch: Übung macht den Meister. Mein Vater ist einfach in Sache Haushalt eine Niete.

Seufzend ergab ich mich also meinem Schicksal mal wieder das Haus vor dem verbrennen zu retten. Aufstehen, sofort runter sprinten, den Ofen aufmachen sowie die Fenster, damit die Wohnung durchgelüftet werden kann, war schon sowas wie mein Morgen Rhythmus am Wochenende geworden. Ebenfalls ein Grund weshalb sich meine Panik über dieses Disaster in Grenzen hält.
Da mein Dad nicht aufzufinden war, weder in der Küche noch in seinem Schlafzimmer, ging ich wieder in die Küche und versuchte das zu retten was es noch zu retten gab.

"Naja, die Brötchen jedenfalls nicht mehr", sagte ich zu mir selber während ich die verkohlten Teile aus dem Ofen fischte und sofort in den Müll schmiss.
Auch die Butter konnte ich gleich hinterher schmeißen, da sie durch die Affen Hitze in der Küche geschmolzen ist. Typisch Dad, dachte ich und machte mich dran die Sauerei aufzuwischen und statt Butter Marmelade und Co auf den Tisch zu tun, Milch und Müsli hinstellte, unser 'Notfallfrühstück', wie mein Dad es mittlerweile so liebevoll nannte.
Nachdem ich dann alles aufgeräumt und wieder hingerichtet hatte, ging ich ins Bad um mich sehtauglich zu machen.

"Oh verdammt! Schon wieder vermasselt"

Erschrocken fuhr ich vom Gesicht waschen hoch und stieß mir dabei den Kopf am Spiegelschrank im Badezimmer.
"Aahh" jaulte ich auf. Kurz darauf ging ich mit einem heftigen Schmerz am Kopf in die Küche, um meinen Vater am Esstisch zu sehen, der ganz schuldbewusst aufblickte als ich herein kam.

"Harp mein Schatz es tut mir leid. Ich wollte nur schnell zum Supermarkt und noch Saft holen fürs Frühstück! Aber als ich an der Kasse stand kam mrs Lenden und wir haben uns bisschen unterhalten über ihren neuen Hund und wie er...."

"Schon gut Dad", unterbrach ich ihn schnell bevor er mir noch mehr erzählen konnte. "Du weist doch das du nicht in der küche arbeiten darfst! Uns wäre mal WIEDER", betonte ich, "fast das Haus abgebrannt!", tadelte ich ihn und setzte mich ebenfalls. Schweigend betrachtete er mich und seufzte schließlich: "Du hast recht, tut mir leid. Aber ich wollte dir auch mal was gutes tun. Seit deine Mom tot ist musst du alles machen."

"Ich mache es gern. Im Ernst. Du brauchst dir keine Sorgen machen." Nuschelte ich und nahm mir eine Schüssel. Gespräche wie diese gab es bei uns häufiger aber nie hat sich etwas danach geändert. Mein Dad macht sonst normalerweise nur sein Job in seinem kleinen Fischerlädchen. Abends kommt er dann nach Hause, zu erschöpft um wirklich etwas zu machen, und legt sich hin. Nur am Wochenende versucht er ein guter Dad zu sein, da lässt er seine Arbeit im Büro und versucht optimistisch nach vorne zu blicken. Geht abends weg mit seinen Kumpels und mittags macht er Hausarbeiten und repariert etwas. Ich mache derweilen Essen und früher hab ich noch gelernt und Hausaufgaben gemacht, doch seitdem ich mit der Schule fertig bin, gibt es auch keine Hausaufgaben mehr. Jetzt helfe ich Dad im Laden. Seine Finanzen stehen schlecht und man muss viel verkaufen und herrichten, damit er eines Tages nicht geschlossen werden muss. Wenn das passieren würde wäre alles vorbei, denn ich weis dass meinem Vater der Laden zu viel bedeutet. Er hat ihn damals mit meiner Mom aufgebaut und eröffnet. Er war sozusagen deren gemeinsames Projekt. Und jetzt ist die Lebensaufgabe meines Dad's, dieses Projekt aufrechtzuerhalten und seine Frau somit zu ehren.

Während ich darüber nachdachte betrachtete ich meinen Dad. Er ist älter geworden. Seine Haare sind grauer geworden, sein Gesicht kantiger, obwohl das vermutlich an Essensmangel liegt. Aber auch ich habe mich verändert seit Mom's Tod. Meine langen blonden Haare sind jetzt kurz und braun und das freudestrahlende Gesicht das ich vor einem Jahr noch im Spiegel erkennen konnte, mit den leuchtend braunen Augen, ist jetzt trist und kalt.

NowhereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt