Schmerz ist eine Etüde

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Soo, da bin ich wieder! Sorry für die kurze Pause... Ich hoffe, das Kapitel gefällt euch!


Mallory kauerte schon seit Stunden auf dem unbezogenen Himmelbett im Mädchentrakt der Schulsprecher. Hier hatte Dumbledore sie untergebracht, weil sie bis jetzt noch in keines der Häuser eingeteilt worden war und sie sich partout mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hatte, wieder zu Snape nach unten in die Kerker zu gehen. Noch waren Ferien und die breiten Schulkorridore waren wie ausgestorben. Alles wirkte unbelebt und fremd. Das riesige Zimmer schwieg Mallory entgegen. Sie konnte ihren eigenen Atem hören, der in unregelmäßigen Abständen von trockenen Schluchzern unterbrochen wurde. Regen peitschte gegen die dämmrigen Schlossfenster und Mallory fühlte, wie die Einsamkeit ihr Herz ergriff. Sie fühlte sich so schrecklich allein wie noch nie in ihrem Leben. Ihre Mom war fort gegangen, ohne sie, und hatte sie alleine zurückgelassen.

Die Einsamkeit kam von unbekannten Ebenen, entlegenen Orten, die Mallory nie betreten hatte, Orte voller Schmerz. Schmerz, den sie nicht kannte. Er prasselte auf sie ein –eiskalt- und verwischte die Welt um sie herum. Und neben der Einsamkeit war da noch diese unsägliche Trauer, die so groß war, so groß, dass sie sich nicht beschreiben ließ. Sie verkrampfte ihr das Herz und erfüllte ihre Seele mit so schrecklichen Schmerzen, dass ein Mensch sie kaum ertragen konnte. Sie wollte, dass jemand ihre Gefühle abstellte, einfach den Schalter umlegte und ihr die Sinne nahm. Und in ihr war nichts, außer diesen beiden Gefühlen.

Es fühlte sich alles an wie ein schrecklicher Albtraum. Mallory zog die Beine an und vergrub den Kopf zwischen den Knien, sodass nur noch ein Meer aus buschigem dunklen Haar zu sehen war. Blind starrte sie in die schummrige Dunkelheit zwischen ihren Knien. Sie hasste es hier. Hasste das verregnete kalte England, hasste Hogwarts, das ihr mit seinen alten Steinmauern, durch die der Wind pfiff, nur entgegenschwieg und am allermeisten aber hasste sie Snape. Dieser Hohn in seinen kalten schwarzen Augen, dieser Blick mit dem er sie angesehen hatte, als wäre sie der Inbegriff von Abscheu. Seine Worte, die vor Sarkasmus nur so trieften... Sie hatte sich schon so oft gefragt, wer wohl ihr Vater war, wie er wohl aussah, wie seine Stimme klang...

Ihre Mutter hatte ja nie über ihn geredet und Mallory hatte bis vor kurzem noch nicht mal gewusst, dass er überhaupt existierte. Sie spürte die herbe Enttäuschung dessen, was ihr Vater in Wirklichkeit war und nicht das, was sie sich ausgemalt hatte, wie dumpfe graue Wogen von Salzwasser, die an kargem Stein zerbarsten, über sich hinwegschwappen. Der bittere Beigeschmack der Wut mischte sich in ihre Trauer. Wie er es wagen konnte, sie so zu behandeln. Seine eigene Tochter. Oh, wie sie diesen Mann verabscheute. Von den fettigen dunklen Haaren bis zu den Spitzen seiner schwarzen Schnallenstiefel hasste sie ihn.

Wie hatte sich ihre Mom nur jemals mit so jemandem wie ihm einlassen können? Der Gedanke an ihre Mutter trieb ihr heiße salzige Tränen in die Augen. Sie grub ihre langen Fingernägel fest in ihr eigenes Fleisch und drückte zu, bis Blut wie zähgewordener verdickter Rotwein aus den halbmondförmigen Wunden quoll. Es war berauschend in all der Trauer und diesmal wurde ihr von diesem Anblick nicht übel, wie sonst, weil sie den physischen Schmerz mit offenen Armen willkommen hieß, solange das nur bedeutete, das er wenigstens den psychischen für einen Moment übertönte.

Wie Sicheln hoben sich die Male von ihrer blassen Haut ab, doch Mallory drückte weiter zu. Ihre Sicht war verschleiert, Tränen rannen ihr jetzt die Wangen hinab, die sie den ganzen Morgen über resolut zurückgezwungen hatte. Sie biss sich auf die Lippe, bis sie den metallenen Geschmack von Blut wahrnahm, den sie in Wirklichkeit so sehr verabscheute. Sie keuchte auf, als sich ihre Finger in ihrem Unterarm verkrampften. Plötzlich war es, als hätte man ihr eine Ohrfeige verpasst und sie schnappte überrascht nach Luft. Jemand schlug ihre Hand weg und warme schlanke Finger gruben sich in ihr dichtes dunkles Haar. Es war als wäre sie aus dem Meer wieder aufgetaut, in dem sie zu ertrinken gedroht hatte. Und jetzt, da alles wieder so real wirkte, kehrte auch der physische Schmerz zurück und es war, als ob das Salzwasser in ihren Wunden brannte. Aber vielleicht waren es auch nur ihre Tränen...

Mallory blinzelte. Zwei kalte schwarze Augen gruben sich in die ihren. Augen, die sie hasste und vor denen sie sich sogar ein fürchtete „Hast du den Verstand verloren, Mädchen?" Seine Stimme war dunkel und grollte voller Zorn. Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie leicht. „Was denkst du dir nur dabei?"

Es war ihr Vater. Rasch wandte sie sich ab und schlang ihre Arme um ihren Körper. Siedend heiß stieg der Hass wieder in ihr empor. Er war der Grund für alles. Wenn er nicht gewesen wäre, würde ihre Mom noch leben und Mallory würde mit ihr zusammen sein... Zu Hause und nicht hier in diesem scheußlichen Schloss. Sie wettete tausend Pfund wertvoller lebensrettender Bezoare darauf, dass er der Grund dafür gewesen war, warum sich Caitlin Fenwick an jedem Sommertag nach London begeben hatte. Auf sein Drängen hin war sie nach England gereist und hatte mit dem Leben bezahlt. Etwas in ihr bäumte sich auf gegen diese feigen Anschuldigungen, aber jemandem die Schuld für das zu geben, was tatsächlich passiert war, tat verdammt gut. Es lud wenigstens ein wenig von der Last auf diesen jemand ab und dass dieser jemand gerade Snape war, passte ihr vortrefflich. So hatte sie nur noch einen Grund mehr, ihn abgrundtief zu hassen, für das, was er war und wer er war.

„Verschwinde", schrie sie und ihre Stimme klang rau vor Tränen. „Ich will dich hier nicht sehen! Geh weg!" Er aber packte ihre Handgelenke und drehte sie grob herum. „Mallory", donnerte er, „Schweig still!"

„Lass mich los!"

„Mal-"

„Ich habe gesagt, dass du mich in Frieden lassen sollst. Ich will dich nicht sehen, ich will nicht mit dir reden, ich will nicht einmal deinen Namen hören, also verschwinde bitte einfach, ich halte es nicht mehr aus, das ist mir alles zu viel! Hau ab! Hast du nicht gehört? Du sollst verschwinden! Du bist nicht mein Vater. Mein Vater ist tot! Es gab nie einen und wird auch niemals einen geben!" Ihre Brust hob und senkte sich in raschen Abständen und ihre Hände zitterten so sehr, dass sie sie im Schoss einschloss. In ihren großen braunen Augen fand man nur Schmerz.

„Du kannst die Tatsachen nicht verdrehen. Du bist meine Tochter, ob es dir gefällt oder nicht und ich bin dein Vater." Seine Stimme klang erstaunlich ruhig im Gegensatz zu ihrer hysterischen. Er fuhr mit den Fingern jetzt sachte über ihren Arm und sie wollte seine Hand am liebsten wegschlagen, doch etwas hinderte sie daran. Sie sollte ihn doch hassen, hassen, hassen. Doch vielleicht war der Grund dafür, dass sie niemand mehr auf solch eine Weise berührt hatte, seit ihre Mom gestorben war. Seine warme Berührung um ihre Schulter herum ließ ihr die Tränen erneut in die Augen steigen. Er zückte jetzt den Zauberstab. Seine dunklen Augenbrauen hatte er dicht zusammengezogen und etwas blitze in dem Schwarz seiner Iris auf, was sie nicht zu deuten wusste. Er richtete den Zauberstab nun auf ihren Arm und fuhr mit dessen Spitze vorsichtig über die Schnitte in der Haut. „Vulnera Sanentur." Seine Stimme war samtig und sanft wie flüssige Seide. „Vulnera Sanentur." Es klang fast wie ein Lied – dunkel, leise und irgendwie geheimnisvoll. „Vulnera Sanentur."


Ich habe eine Frage: Fandet ihr das zu heftig? Also das mit Mallory - die Schmerzbeschreibung? Zu viel Drama? Soll ich da ein bisschen runterfahren? :DD


PS: Ich weiß, dass Vulnera Sanentur eigentlich der Gegenzauber zu Sectumsempra ist und man ihn vielleicht nicht unbedingt bei so harmlosen Wunden nutzt, aber ich mag den Klang der Worte so, deshalbe habe ich sie einfach benutzt :D

Snapes Tochter: Ein Teil von mir Where stories live. Discover now